Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
01.05.2006. Warum die Buchbranche von juristischen Baustellen umzingelt ist. Worin der Pionier Hugendubel rückständig ist. Welche Konzernteile Reinhard Mohn bald verkaufen könnte. Und weshalb die Rundum-Sorglos-Pakete der Zwischenbuchhändler fatale Auswirkungen haben.

buchreport.express

Dass der Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn einen Börsengang "so wenig mag wie der Teufel das Weihwasser", ist laut buchreport "hinlänglich bekannt". Nachdem der belgische Stahlbaron Albert Frere angekündigt hat, seine Anteile am Bertelsmann-Kapital (25,1 Prozent) an die Börse bringen zu wollen, stellt sich die Frage, wie Mohn reagieren könnte. Als einzigen Ausweg nennt buchreport den Rückkauf der Frereschen Anteile, die zwischen 4 und 5 Milliarden Euro wert seien. Da Zinsen und Tilgung bei einer Kreditaufnahme den Medienkonzern "lähmen" würden, rechnet buchreport mit einem Verkauf der Musiksparte, der Anteile an Gruner + Jahr und der Direct Group. Mohn, schlussfolgert Bodo Harenberg, werde den Tag verwünschen, an dem ihn der damalige Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff überredete, die Bertelsmann- gegen RTL-Anteile zu tauschen.

Noch nie hat die Buchbranche an so vielen Schauplätzen juristisch um kardinale Fragen zu ihrer Zukunft gekämpft. Der Fehdehandschuh, den Verlage und Börsenverein den Googlianern wegen der umstrittenen Digitalisierung in Bibliotheken vor die Füße geworfen haben (siehe Buchmacher der vergangenen Woche), ist nach der Übersicht von buchreport nur eine der Baustellen - da Google die Unterlassungserklärung vermutlich nicht unterzeichnen wird, läuft alles auf ein Musterverfahren hinaus, wie in den USA vom Verlegerverband AAP angestrengt. Hinzu kommen die sich anbahnende Verfassungsbeschwerde gegen den "Zweiten Korb" des neuen Urheberrechts, die Auseinandersetzung um den Dokumenteversand Subito sowie die aussichtslose Jagd auf Internetpiraten. Trotz der hohen Kosten, die auf den finanziell gebeutelten Verband zukommen, glaubt Suhrkamp-Geschäftsführer Philip Roeder (der zu den Google-Abmahnern gehört) nicht daran, dass sich der Verband übernimmt. Eher sei die verbandseigene Volltextsuche-Plattform ein finanzielles Risiko (hier mehr zum Thema).

Kluge Köpfe, wohlwollende Zeitungsartikel, aber wenig Umsatz im Sortiment, lautet einmal mehr das Fazit von buchreport zum "Welttag des Buches". Im Kommentar fordert Thomas Wilking, den Journalisten beim nächsten Mal "mehr sinnstiftende Inhalte" (zur Branche oder zum Leseverhalten) anzubieten - "damit der Welttag des Buches nicht nach 24 Stunden wieder vergessen ist."

Weitere Meldungen: Auf dem Taschenbuchmarkt gab es im vergangenen Jahr mehr Neuerscheinungen zu durchschnittlich niedrigeren Preisen. Der Süddeutsche Verlag meldet für seine Fachbuchsparte (Hüthig Jehle Rehm und Hüthig Buchverlage) erste Sanierungserfolge. Nach Amazon und buch.de steigt jetzt auch der Bertelsmann Club in den Verleih von DVDs ein, nach dem Vorbild der französischen Konzernschwester France Loisirs. Volker Neumann, Ex-Chef der Frankfurter Buchmesse, hat einen neuen Job: An der Seite von Christian Strasser ("Das Zeitalter der Visionäre ist vorbei") sitzt Neumann künftig in der Geschäftsführung von Pendo. Und hier die aktuellen Bestsellerlisten.

Aperçu am Rande: In der Miniglossen-Rubrik "Postskriptum" antwortet Emil Echo auf die jüngste Selbsteinschätzung von Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner ("Der Unterschied zwischen Goethe und mir ist, dass Goethe zwar jeden Tag schrieb, aber nicht jeden Tag veröffentlichte") - angeblich mit der Zunge von Wilhelm Busch: "Wenn einer, der täglich wie wild / Kolumnen produziert für Bild / schon glaubt, dass er Goethe wär', / so irrt sich der."

Börsenblatt

Nachdem Hugendubel, sonst einer der Pioniere im Buchhandel, als einer der letzten Großbuchhändler die Buchlaufkarten eingemottet hat und auf ein modernes Warenwirtschaftssystem umgestiegen ist, analysiert das Börsenblatt die Folgen der EDV-Systeme im Sortiment. Durch die Möglichkeit der hauseigenen Marktforschung mit den vom System bereitgestellten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen steigt in der Regel auch der Umsatz. Unter den Anbietern der Warenwirtschaftssysteme ist indes eine massive Marktbereinigung zu erwarten. Von den rund 20 Softwarehäusern könnten am Ende nur eine Handvoll übrig bleiben.

Die neuen Einkaufsmodelle mit wachsenden Barsortimentsbezügen hat "fatale Auswirkungen", warnt Grafit-Verleger Rutger Booß in einem Gastkommentar. Werde die Rolle der Vertreter zunehmend in Frage gestellt, verlören die Verlage den direkten Kontakt zu den Buchhändlern. Außerdem führten die "Sorglospakete", die Barsortimente aus verschiedenen Titeln zu einem bestimmten Thema oder einer Warengruppe schnürten, zu Einförmigkeit und Standardisierung im Buchhandel.

Selbstausbeutung nimmt der Berliner Andreas Rötzer in Kauf, seitdem er als geschäftsführender Gesellschafter den 1977 gegründeten Verlag Matthes & Seitz übernommen hat. Noch wirft der Verlag, der Werke von de Sade und Artaud in der Backlist hat, kein Gewinn ab. Der Jungverleger hofft aber auf den Erfolg des Romans "Das Blau des Himmels" von George Bataille, der im Herbst in einer neuen Ausgabe erscheint.

"Ist das Mozart-Jahr schon abgelaufen?", fragt das Börsenblatt Buchhändler. Und erhält uni sono die Antwort: Ja!

Weitere Meldungen: Schweizer Buchhändler protestieren gegen die Kooperation von Orell Füssli mit Roger Willemsens "Literaturclub"-Sendung. Der Amazon-Umsatz ist im vergangenen Quartal gestiegen, der Gewinn allerdings gesunken. Die Preisbindung gilt auch für Buchclub-Ausgaben. Thalia wächst auch in Österreich rasant und plant zwei Filialen in Graz sowie eine in Linz. Auch die Illustratoren bereiten sich auf die Honorarverhandlungen mit den Verlegern vor, um eine angemessene Vergütung zu erhalten (bislang konnten sich nur die Belletristikautoren mit der Gegenseite einigen).

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