Außer Atem: Das Berlinale Blog

Bromance im Leerlauf: Seyfi Teomans 'Our Grand Despair'

Von Lukas Foerster
16.02.2011.

Die Zweierbeziehung der Liebe, meinte Georg Simmel, bedürfe eines/r Dritten, um in der Abgrenzung zu diesem ihre eigene Identität zu gewinnen. Im türkischen Wettbewerbsfilm "Our Grand Despair" sieht es für kurze Zeit so aus, als könnte das funktionieren. Am Ende aber hat der Film die Dritte wieder ausgeschieden, neue Identitäten sind nicht entstanden. Die Dritte ist Nihal, eine junge Frau, die nach dem Unfalltod ihrer Eltern bei zwei Freunden ihres Bruders unterkommt. Ihre Gastgeber, der Übersetzer Ender und der Ingenieur Cetin, sind erst vor kurzem zusammen gezogen. Ihre Beziehung aber war laut Ender schon immer "fast so etwas wie eine Romanze". Ein wenig ähneln die beiden mittelalten Männer in ihren gemütlichen, albernen Routinen den schwulen Nachbarn aus "The Sarah Silverman Program" ("I'm so gay for you, dude"), allerdings schlafen Ender und Cetin zuhause in getrennten Zimmern, und selbst, wenn im Urlaub lautes Stöhnen aus dem Nachbarraum dringt, rücken sie ihre Betten nicht zusammen.

Die Beziehungen beider zu Nihal - die sich ihrerseits einen hochnotpeinliche Gedichte vortragenden Studenten der unerträglicheren Sorte angelt - bleiben genauso platonisch. Mal streicht Ender ihr übers Haar, mal tastet Nihal nach Cetins Hand, mehr ist da nicht. Eher schon könnte Nihal als Katalysator wirken für das nicht-ganz-schwule nicht-ganz-Pärchen, als Spannungselement, das nicht nur den beiden, sondern auch dem etwas allzu gemächlich vor sich hin plätschernden Film "Our Grand Despair? selbst gut tun würde. Wenn Ender und Cetin sich gegenseitig von ihrer Liebe zu Nihal, die freilich, das wissen beide nur zu gut, von Anfang an außer Reichweite ist, erzählen, geht es genauso wenig um die Frau, wie dann, wenn sie sich über ihre Exfreundinnen - die es aus gutem Grund nie lange mit den beiden ausgehalten haben - unterhalten. Auch das wissen beide, nur kommuniziert wollen sie es nicht. Und irgendwann verliert man doch ein wenig die Geduld mit den beiden und mit dem Film, der sich so sehr für ihre kleinen Macken und so wenig für ihr eigentliches Leben interessiert, der hier und da Andeutungen macht, seinen Titel anders als nur ironisch rechtfertigen zu wollen, aber dann doch nur auf ein finales Tischfußballduell hinausläuft.


Von Seyfi Teoman hatte ich nach dem deutlich interessanteren "Tatil Kitab?" (Forum 2008) etwas mehr erwartet als eine unvollendete Bromance im ewigen Leerlauf. So richtig böse sein kann man dieser verhinderten romantischen Komödie nun zwar nicht, da gibt es schon ein paar schöne Momente unterdrückter Romantik, ein Ausflug zu dritt an den See ist wundervoll gefilmt, ein Duett Cetins und Enders umwerfend komisch, vor allem hält Teoman naheligende Ärgernisse wie beispielsweise klamaukige Musik oder neugierige Verwandte aus seinem Film fern. Insgesamt fragt man sich aber schon, was für ein lauwarmes, irrelevantes Filmchen der Hubert Bals Fond, das Medienboard Berlin-Brandenburg und Eurimages, drei omnipräsente Festivalkinofinanziers mit Gieskannenpolitik, da nun wieder zusammengefördert haben.

"Our Grand Despair" ("Bizim Büyük Caresizligimiz"). Regie: Seyfi Teoman. Darsteller: Ilker Aksum, Fatih Al, Günes Say?n u.a., Türkei 2011, 102 Minuten (Wettbewerb, alle Vorführungen)