Vom Nachttisch geräumt
Mit heißem Bemühn
Von Arno Widmann
01.08.2018. Warum Suren-Ping-Pong nie weiterhilft, erfährt man aus Ulrich Rudolphs Aufsatz "Islamische Positionen zum Thema 'Krieg'" in der Allgemeine Zeitschrift für Philosophie.![](https://www.perlentaucher.de/cdata/K2/T13/A10382/phil.jpg)
Aber zurück zu dem Aufsatz, auf den ich hier hinweisen möchte. Wer eine knappe Stunde seines Lebens investiert, ist nach seiner Lektüre nicht nur bestens über eine der drängenden Fragen unserer Zeit und ihre Geschichte informiert, sondern er erfährt auch, dass das arabische Wort für Krieg eines ist, das in den aktuellen Debatten so gut wie keine Rolle spielt: harb. Der Begriff, so führt Ulrich Rudolph aus, taucht schon in vorkoranischen arabischen Texten auf. Im Koran selbst führt er ein mehr randständiges Dasein. Dort hat ein anderer Begriff Konjunktur: Dschihad. Ich schreibe ihn hier so hin. Rudolph transkribiert ihn natürlich islamwissenschaftlich korrekt. Ich habe keine Ahnung, wo die entsprechenden Zeichen sich auf meiner Tastatur befinden.
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/K2/T13/A10382/konst.jpg)
Die Etymologie sagt wenig über einen Begriff. Es kommt darauf an, wie er verwendet wird. So gesehen ist es heute in den meisten Fällen sicher richtiger, Dschihad als Heiliger Krieg zu übersetzen, statt als "ernsthaftes Bemühen". Aber man versteht den Begriff nicht, wenn man ihn nicht auch als Orwell'schen "Neusprech" begreift, als gezielte Umformulierung. Wenn im Koran von "harb" die Rede ist, ist auch von den "Lasten des Krieges" die Rede. Wer vom Dschihad redet, der will über die Lasten des Krieges schweigen. Er erzählt von den Wonnen des Paradieses.
Hat ein Neusprech sich erst einmal eingebürgert, dann schützt ihn seine Etymologie nicht mehr vor bösen Nachfragen. Sie setzen wieder ein als wäre das neue das alte Wort. Ulrich Rudolph weist darauf hin, dass die Übersetzer griechischer Texte ins Arabische Termini wie "polemos" oder "agon" mal mit "Dschihad" mal mit "harb" übersetzten. So ganz kann Sprache uns die Welt nicht vernebeln.
Ulrich Rudolph: Islamische Positionen zum Thema 'Krieg'. Ein historischer Überblick in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 43.2/2018, frommann-holzboog, Stuttgart 2018, 36 Euro.
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