Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Kunst, Ausstellungen, Architektur

3119 Presseschau-Absätze - Seite 6 von 312

Efeu - Die Kulturrundschau vom 26.02.2024 - Kunst

Tilman Baumgärtel besucht für die taz den ungarischen Konzeptkünstler Endre Tót, dessen "Mail Art" in einer Ausstellung der Galerie aKonzept in Berlin zu sehen ist. Besprochen wird die Ausstellung "Double Take / Der zweite Blick" im Kunstraum Hase 29 in Osnabrück (taz).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 24.02.2024 - Kunst

In der SZ berichtet nun auch noch Moritz Baumstieger über die Biennale im saudischen Diriyah: Über den ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi will dort allerdings niemand sprechen, und Baumstieger fügt sich brav drein. In der FAS stellt Niklas Maak den Maler Nicolas de Staël vor, dem gerade eine Ausstellung in der Eremitage in Lausanne gewidmet ist. Besprochen werden eine Ausstellung Barbara Krugers in der Londoner Serpentine Gallery (FAS) und eine Ausstellung der Maler Werner Heldt und Burkhard Held in der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank (BlZ).
Stichwörter: Eremitage

Efeu - Die Kulturrundschau vom 23.02.2024 - Kunst

Roelant Savery: Orpheus Charming the Animals with his Music, 1627. Bild: Mauritshuis Den Haag.

"Roelant Saverys Wunderbare Welt" entdeckt Kerstin Schweighöfer im Den Haager Mauritshuis für die FAZ. Der Niederländer hatte nicht nur den ersten Dodo und das erste Stillleben in Europa gemalt, sondern war auch Hofmaler des Habsburgerkaisers Rudolf II.: Dieser "war im Bann von Künsten und Wissenschaften: Er holte Gelehrte und Künstler aus ganz Europa zu sich an den Hof und machte Prag endgültig zur Goldenen Stadt. Wie besessen sammelte er exotische Pflanzen und Tiere; in seinen Parks soll er neben Löwen und Aras sogar Dodos gehalten haben. Bald hatte der Kaiser vom Können Saverys gehört. Nicht nur dessen Tier- und Blumenbilder sprachen ihn an: Rudolf war ein großer Fan Pieter Bruegels des Älteren, und Savery wusste wie kein anderer in dessen Stil zu malen, da dieser neben Bosch sein großes Vorbild war. Noch bis 1970 galten viele von Saverys Zeichnungen als Bruegels. Sie entstanden bereits am Hof in Prag. Zwischen den zahllosen exotischen Tieren und Pflanzen muss sich Savery wie im Schlaraffenland vorgekommen sein. Die gut zehn Jahre als 'Kaiserlicher Kammermaler' gehörten zu den kreativsten seines Lebens."

Porträtmalerei kann eine lebensbedrohliche Angelegenheit sein, lernt Till Briegleb für die SZ in der Ausstellung "Holbein at the Tudor Court" in der Queen's Gallery im Buckingham Palace, die Bilder von Hans Holbein dem Jüngeren zeigt, die er am Hofe von Henry VIII. gemalt hat. Sowohl idealisierte als auch zu ehrliche Bilder konnten in der Tudor-Zeit dafür sorgen, dass ein Künstler den Kopf hinhalten musste, Holbein beherrschte "neben seinem vortrefflichen Realismus, der dennoch alle Menschen interessant und sympathisch erscheinen ließ, auch den diskreten Opportunismus" und "verzauberte seine Auftraggeber mit seinem für damalige Verhältnisse unbegreiflich wirklichkeitsgetreuen und lebendigen Stil." Vielfach sind die als Vorstudien gedachten Zeichnungen neben den fertigen Porträts ausgestellt, sie "sind von einer so engen Korrespondenz in Haltung und Ausdruck, dass sie Holbeins einmalige visionäre Begabung in aller Exzellenz belegen. Schon in der Zeichnung ist das Meisterwerk voll entwickelt. In der leuchtenden und heiteren Farbigkeit des folgenden Gemäldes finden sich dann nur noch feine Korrekturen im Ausdruck. Der Blick auf die vielen Studien lehrt so auch die Besuchenden schnell, das fertige Gemälde vor dem inneren Auge zu imaginieren."

Besprochen werden: "Das Kirchner Museum Davos zu Gast im Geburtshaus des Künstlers" im Kirchnerhaus Aschaffenburg, die Ausstellung "Räumlichkeiten" mit Gemälden von Ulf Puder in der Frankfurter Galerie Strelow, die Retrospektive "Virgin Mary. Supermarkets. Popcorn." mit Werken von Miles Aldrige in der Fotografiska Berlin (alles FAZ) und die neue Dauerausstellung "Gerhard Richter. On Display" im Neuen Museum Nürnberg (Standard). Erstaunlich unkritisch widmet sich Bernhard Schulz der Kuratorin Ute Meta Bauer und ihrer Ausstellung auf der Diriyah Biennale in Riad (Tagesspiegel).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 22.02.2024 - Kunst

Bild: Nanny of the Maroons' Fifth Act of Mercy by Kimathi Donkor (2012) © Kimathi Donkor. Courtesy of the artist and Niru Ratnam, London. Photo: Tim Bowditch

Hingerissen kommt Guardian-Kritiker Adrian Searle aus der Schau "The Time is Always Now: Artists Reframe the Black Figure" in der Londoner National Portrait Gallery, die 22 schwarze, figurativ arbeitende Künstler aus Großbritannien und den USA zeigt: "Hier gibt es Großes und Beunruhigendes. Kerry James Marshalls Figuren und Sujets sind fast unfreiwillig tief schwarz. Marshall malt eine schwarze Frau auf einem Bett, als würde sie von einem starken weißen Scheinwerfer angestrahlt werden. Nur bleibt sie eine Silhouette, da die Lichtscheibe sie überhaupt nicht beleuchtet (bei näherem Hinsehen ist das vermeintliche Lichtoval ein weißes Handtuch, das unter ihr liegt). In einem anderen Werk arbeitet eine schwarze Malerin an ihrem eigenen Selbstporträt, das sie nach Zahlen malt. Auf ihrer Palette ist kein Schwarz zu finden. In Marshalls Kunst geht es um die Darstellung von Schwarzsein und darum, was es bedeutet, ein schwarzer Künstler in einer historisch weißen Institution und Kunstwelt zu sein. Einige der Gemälde hier verlangen geradezu nach einem Film oder einem Roman oder einer Geschichtsstunde."

Das British Museum in London machte zuletzt Schlagzeilen, weil ein Kurator das Haus über mehrere Jahrzehnte bestohlen hatte (unsere Resümees). Nun steht das Museum im Zentrum eines Shitstorms, weil ein chilenischer Influencer im Netz Stimmung gegen das Haus macht: Die beiden Moai genannten Steinfiguren, die im British Museum ausgestellt sind, sollen an die Osterinsel repatriiert werden, resümiert Marcus Woeller, der in der Welt eine Restitution durchaus befürwortet, denn: "Ob es … ethisch vertretbar ist, sie außerhalb der Osterinsel zu verwahren, darüber kann man trefflich streiten - und tut es auch, aber nur bis zu einem Punkt. Und den definiert in Großbritannien das Gesetz: Sammlungsgegenstände des British Museum gehören dem Staat und sind unveräußerlich. Dahinter kann man sich prächtig zurückziehen." Unterdessen zeigt das Museum die Ausstellung "Rediscovering gems", die zumindest einen Teil des durch den Kurator entwendeten Diebesguts zeigt, wie Eva Ladipo in der FAZ berichtet.

Weitere Artikel: Für die Seite 3 der SZ reist Renate Meinhof auf den Spuren Caspar David Friedrichs durch Greifswald und Umgebung, wo sie unter anderem den Kunsthistoriker Kilian Heck trifft, der sich verwundert zeigt, weshalb keine der großen Friedrich-Ausstellungen die Rezeption Friedrichs im Nationalsozialismus thematisiert. Meinhof kommt "das Wort Missbrauch nicht übertrieben vor, denn der Nationalsozialismus hat sich natürlich 'seinen' Friedrich erschaffen, der nun ganz zum 'nordisch-germanischen Typ' wird, mit den rotblonden Haaren, den blauen Augen, ein Mann mit 'vaterländischer Gesinnung', der in pommerscher Weite, den Urgewalten ausgesetzt, Hünengräber zeichnet, und standhafte deutsche Eichen." Für die taz spricht Erica Zingher mit dem israelischen Kriegsfotografen Ziv Koren, dessen Aufnahmen aus Gaza seit dem 7. Oktober derzeit im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen sind.

Besprochen wird die große Yoko-Ono-Retrospektive in der Tate modern in London (Zeit, mehr hier), die beiden Berliner Ausstellungen zu Gundula Schulze Eldowy: "Halt die Ohren steif!" in der Akademie der Künste und "Berlin in einer Hundenacht" im Bröhan-Museum (SZ, mehr hier)

Efeu - Die Kulturrundschau vom 21.02.2024 - Kunst

Paul Jandl besucht für die NZZ das Schaulager in Beeskow, wo DDR-Kunst aus den Büros der SED-Funktionäre, der Gewerkschafts- und Parteizentralen lagert. Es ist eine Zeitreise, und mehr: "Das Archiv in Beeskow ist Ort eines psychologischen Phänomens. Fünfunddreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ist das Pathos längst abgeplatzt. Die Kunst, die zur Verherrlichung einer sozialistischen Zukunft geschaffen wurde, hat sich auf und davon gemacht und schaut auf einmal böse zurück." Zum Beispiel Neo Rauchs "Die Kreuzung" von 1984: "Es zeigt einen Volkspolizisten beim Regeln des Verkehrs, auffliegende weiße Tauben und davor eine dynamische kleine Gruppe von Menschen. Es ist das Selbstporträt eines Künstlers, der sich heute von diesem Bild distanziert. In seinen offiziellen Werkkatalog hat Neo Rauch es nicht aufgenommen. Es sei zu epigonal. Die Geschichte der 'Kreuzung' ist sehr speziell und doch im Muster staatlicher Kunstankäufe der DDR nicht ungewöhnlich. ... Ein interessantes Detail des Bildes von Neo Rauch: Hinter den dynamischen Figuren ist auf einer Litfasssäule ein riesiges Auge zu sehen. Es erinnert an George Orwells Roman '1984', die große Phantasmagorie vom Überwachungsstaat. Es muss kein Zufall sein, dass das Entstehungsjahr der 'Kreuzung' ausgerechnet auch 1984 ist. Ursprünglich sollte das Bild prominent im Foyer der FDJ-Hochschule hängen, später hat man es in einen Raum des Internats verbannt."

Weiteres: Ute Meta Bauer plaudert in der SZ, ohne groß von kritischen Nachfragen belästigt zu werden, über die von ihr kuratierte Diriyah-Biennale in Saudi-Arabien. Besprochen werden die Ausstellung "Closer to Nature" in der Berlinischen Galerie (Tsp) und eine Ausstellung des guadelupischen Künstlers Kenny Duncan, "Bidim blo!", im Frankfurter basis e. V. (taz).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 20.02.2024 - Kunst

Trevor Paglen, Because Physcial Wounds Heal…, 2023. Courtesy des Künstlers, Altman
Siegel, San Francisco und Pace Gallery © der Künstler

Ein düsterer Ausblick auf die von digitaler Technik durchdrungene Welt des "Technozäns" wird taz-Kritiker Martin Conrads in der Ausstellung "Poetics of Encryption" im KW Institute for Contemporary Art geboten: "Das 30-minütige Video 'Eye of Silence" von Charles Stankievech ist auf eine breite Wandfläche projiziert, sein unterlegter Basssound durchdringt den Körper. Darauf zu sehen ist ein Flug über einer kargen, digital konzipierten Landschaft. Durch einen einfachen, aber betörend suggestiven Trick grenzt Stankievech hier an einen Teufelsbeweis: Er spiegelt die flüchtigen Bilder symmetrisch und das betrachtende Auge kommt im pareidolischen Sog nicht umhin, in Eis, Kratern und Rauch eine dämonische Fratze nach der anderen dort zu erkennen, wo doch nur eine Bildschnittstelle ist. In der Vorhölle scheint auch der italienische Künstler Nico Vascellari zu schweben: Bewusstlos ließ er sich für sein Video an einem Seil hängen und von einem Hubschrauber über nebelig-alpines Gebiet fliegen - ein Sinnbild für ohnmächtige Abhängigkeit von Technologie, für Kontroll- und Zeitverlust."

Mirjam Wenzel, Leiterin des Jüdischen Museums Frankfurt, wurde von zwei Wochen bei einer Leseperformance der kubanischen Künstlerin Tania Bruguera in Berlin von propalästinensischen Aktivisten niedergebrüllt. Besonders verwundert hat sie das nicht angesichts der Veränderungen in der Kunstszene, die sie in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf Israel wahrgenommen hat, wie sie im Interview mit der FAZ erzählt: "Während der Friedensverhandlungen von Oslo konnte man noch über angemessene Grenzen und einen Staat Palästina reden, war die Bezogenheit von Jüdinnen und Juden auf den israelischen Staat, in dem sie in der Mehrheit sind, als Reaktion auf den deutschen Vernichtungsantisemitismus gemeinhin akzeptiert, zumindest in der westlichen Welt. Inzwischen setzt sich international immer mehr die Perspektive durch, dass Israel als 'siedlerkolonialer Apartheidstaat' nicht nur im Westjordanland, sondern überhaupt jede Legitimität fehle. Auffällig viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Kultur- und Wissenschaftsbereich haben angesichts der Hamas-Massaker am 7. Oktober geschwiegen. Auch in Deutschland war die Empathie mit den Angehörigen der Opfer erschreckend gering. In jüdischen Familien hat dies zu Retraumatisierungen geführt."

Im Welt-Interview mit Jakob Hayner geben Alexander Kluge und der Künstler Jonathan Meese einen Vorgeschmack auf ihre Show "Kosmische Miniaturen & Kunst im Welt(en)raum de Large" im Volkstheater Wien: Es geht um die Rolle der Kunst heute, um die Frage, warum die Politik immer die gleichen Fehler macht (wie Jonathan Meese sagt), um das alte Rom und auch um die Hünding Laika: "Alexander Kluge: 'Kosmische Miniaturen' heißt unser Erster Akt, das ist der Titel eines Films von mir, der im Januar Weltpremiere in Rotterdam hatte. ... Wir Menschen haben die sibirische Straßenhündin im Weltraum elend verhungern lassen. Sie hat übrigens 1160 Nachkommen, die auf der Rückseite des Mondes leben, um die Menschheit zu retten. Das ist nicht wissenschaftlich geprüft, aber eine innere Wahrheit in der Welt der Wünsche."

Weiteres: Die Künstlerin Melike Kara spricht im FR-Interview mit Lisa Berins über ihre Installation "shallow lakes" in der Rotunde der Frankfurter Schirn Galerie, in die Elemente der kurdischen Geschichte und Kultur einfließen. Besprochen werden eine Light-Show von James Turrell Kapelle des Dorotheenstädtischen Friedhofes in Berin (BlZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 19.02.2024 - Kunst

Refik Anadol, Echoes of the Earth: Living Archive, 2024. Installation view, Serpentine North. Photo: Hugo Glendinning. Courtesy Refik Anadol Studio and Serpentine.

Wie es aussieht, wenn künstliche Intelligenzen halluzinieren, kann Welt-Kritikerin Mandoline Rutkowski in der Ausstellung "Echoes of the Earth: Living Archive" in der Serpentine North Gallery in London sehen. Der KI-Künstler Refik Anadol füttert seine Modelle mit Millionen von Datensätzen, zum Beispiel mit Fotos von Korallen, aus denen diese dann neue, faszinierende Wesen erschaffen, wie Rutkwoski beobachten kann: "Dort schwappt und wabert, suppt und wirbelt es. Auf hallenhohen Bildschirmen explodieren quietschbunte Farbbeutel und setzen sich in Sekundenschnelle zu fluiden Pixelformationen zusammen, so prall und monumental, dass sie fast aus dem Rahmen herauslaufen. Kaum meint das Auge eine Form wiederzuerkennen, verwandelt sie sich in eine andere. Cremige Farbwellen brechen, gehen ineinander über und ziehen sich zurück. Untermalt wird dieses Schauspiel akustisch von sphärisch-mystischen Klängen. Die Installationen von 'Artificial Realities: Coral' hypnotisieren und beruhigen, sie verschlucken den Betrachter nahezu. Fast möchte man sich den Fluten hingeben."

Weiteres: Kunstliebhaber freuen sich über ein verschollen geglaubtes Werk des rumänisch-französischen Bildhauers Constantin Brancusi, das im Bukarester Auktionshaus Artmark vorgestellt wurde, wie BlZ und FAZ melden. Die Bronze-Büste 'Portrait d'Achille Baldé', entstand in den Jahren 1905 -1906 in Paris und soll das letzte Werk sein, dass Brancusi noch in der "symbolistischen Manier" seines Lehrers Auguste Rodin schuf. Die FAZ gratuliert dem Kunsthistoriker Cornelius Clausen zum Achtzigsten.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 17.02.2024 - Kunst

Bild: Kazimir Malevich, 'Tenhemelopneming van een heilige', 1907 - 1908, bruikleen Stichting Khardzhiev

Nicht alles, was die Schau "Kosmismus" im Amsterdamer Stedelijk-Museum an Werken aus der Sammlung des Moskauer Literaturredakteurs und Majakowski-Experten Nikolai Chardschijew zeigt, mag sich dem Betrachter erschließen, glaubt Bernhard Schulz in der FAZ. Einen Einblick in die Mischung aus "Technikgläubigkeit, Religiosität und Revolution" der frühsowjetischen Avantgarde gewährt sie aber allemal, so Schulz: "Neben einer Reihe früher Arbeiten von Malewitsch sind solche von Wassili Tschekrygin zu sehen. Das Selbstporträt als blasser junger Mann deutet auf den nahenden frühen Tod des erst Fünfundzwanzigjährigen im Jahr 1922 hin, der sich im Gefolge mystischer Denker wie Nikolai Fjodorow Unsterblichkeit von einer Mischung aus Wissenschaft und Spiritualität erhoffte. Kaum minder utopisch sind die einige Jahre späteren Architekturentwürfe von Iwan Leonidow, die mit dünnen Metallträgern eher die Formen sowjetischer Sputniks vorwegnehmen als an die begrenzten technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit anzuknüpfen. Im aufkommenden Stalinismus wurde Leonidow als 'Träumer auf Papier' geschmäht, was ungeachtet der existenzgefährdenden Wirkung eines solchen Verdikts durchaus einen Funken Wahrheit enthält."

Die Attacke während der Lesung von Tania Bruguera im Hamburger Bahnhof (Unsere Resümees) richtete sich vor allem gegen Mirjam Wenzel, Direkorin des Jüdischen Museums, die allerdings protestantisch ist. In der FAS offenbart sich Jürgen Kaube hier die ganze Dummheit der Protestierenden: "Sie wollen nur schreien, stören, ihrer Selbstgewissheit im Urteil über Gut (sie selbst) und Böse (alle anderen) aggressiven Ausdruck verleihen. Man könnte auch von Hass sprechen. ... Es reicht für diese dummen Leute, einem Jüdischen Museum vorzustehen, um als Jüdin, Unterstützerin der israelischen Regierung und ihres Vorgehens im Gazastreifen zu gelten. Wer nicht für uns ist, sagen sie, dem gehört der Mund verboten. Man kann nur hoffen, dass diese Einstellung nie politische Macht erlangt."

Besprochen werden die Ausstellung "Maximilian Kirmse - Berlin Mon Amour" in der Staatlichen Graphischen Sammlung der Pinakothek der Moderne in München (Tagesspiegel), die Ausstellung "Echoes of the Earth: Living Archive" in der Serpentine North Gallery in London (Welt) und die Ausstellung "Hans Uhlmann: Experimentelles Formen" in der Berlinischen Galerie (Blz).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 16.02.2024 - Kunst


Marlene Dietrich, fotografiert von Cecil Beaton, 1932. Bild: Helmut Newton Foundation.

In der Newton-Stiftung kann Bernhard Schulz (Tagesspiegel) in der Ausstellung "Chronorama. Photographic Treasures of the 20. Century" das fotografische Archiv des Verlags Condé Nast kennenlernen, der unter anderem die Vogue herausgegeben hat, hier aber gar nicht nur das Perfekte, Hochstilisierte zeigt: "Es ist viel mehr von den Zeitläuften zu sehen, als man unter dem Signum 'Modefotografie' erwarten würde. (…) Jahrzehnt für Jahrzehnt geht die Ausstellung durch, immerzu akzentuiert von Porträtfotos der Größen der Zeit, von Charlie Chaplin bis James Joyce, aber früh auch schon Paul Robeson und später James Baldwin. 'Die kostbaren Artefakte repräsentieren ein spezifisches und subjektives Geschichtsbild, das die westliche Kultur- und Wirtschaftselite widerspiegelt', heißt es im Einführungstext der in Berlin von Matthias Harder kuratierten Ausstellung, und das soll wohl der erwartbaren Kritik an der Einseitigkeit der Vogue-Fotografie entgegnen. Aber es gilt doch festzuhalten, dass die ungeschminkte Realität immer wieder hervorlugt, gerne als architektonischer Meilenstein wie dem Empire State Building 1930, aber auch in Gestalt Stalins auf dem Roten Platz, übernommen von der offiziellen Agentur 'Sovfoto', die mit Mode nun wahrlich nichts am Hut hatte."

Judy Chicago. Bild: judychicago.com

Die feministische Künstlerin Judy Chicago, "mit 84 eine Titanin in einer Welt, die immer noch von Titanen dominiert wird", bekommt mit "Herstory" im New Yorker New Museum eine erste Retrospektive, die Andrian Kreye für die SZ besucht hat: "Die Subversion männlicher Domänen und Sexualisierung der Formen sind in der Retrospektive als einzige wahrnehmbare rote Fäden in ihrer Arbeit zu erkennen. Mal sanft, mal humorvoll, oft auch aggressiv. Auf dem Foto 'Gunsmoke' zum Beispiel, einer Art Randnotiz zu ihren 'Atmospheres', auf dem ein Mann zu sehen ist, dem jemand mit der Brutalität einer oralen Vergewaltigung einen Pistolenlauf in den Mund zwingt. Da stimmt sie mit der Musik ihrer Zeit überein, als in den Siebzigerjahren statt Genre-Traditionen und handwerklicher Formalismen Haltung und Gestus zu den entscheidenden Stilmitteln des Punk und des Avantgardejazz gehörten. Wobei man gerade das Handwerk in ihrem Gesamtwerk nicht unterschätzen darf. Egal, ob Gemälde, Performance, Skulpturen aus Glas, Kunststoff oder Metall, Schwäche zeigte Chicago in keiner Phase."

In der FR bewundert Sylvia Staude die Fotografien von Laura J. Padgett, die sich intensiv mit dem Frankfurter IG-Farben-Haus auseinandergesetzt hat. Sie sind in der Galerie Peter Sillem ausgestellt: "Dass die Details ihr wichtig sind, der Blick auf die Formen, die Spiegelung der einen in einer anderen Form, auch wenn die Größenverhältnisse sehr unterschiedlich sind, das zeigen die Fotografien, die Padgett jeweils als Diptychen zusammengestellt hat. (...) Etwa wenn Padgett einen Blick aus dem Fenster zusammenstellt mit dem Detail einer längst nicht mehr genutzten Heizungsanlage, einer Schaltzentrale, wo kleine rote Lämpchen auf mittlerweile rissigem, Raum-Umrisse nachzeichnendem Untergrund einst aufleuchteten. Es gibt sehr bedachte Ausschnitte des Gebäudes zu sehen - aber, das mag vielleicht verwundern, keine Gesamtaufnahme aus der Entfernung. Solche Abbildungen des IG-Farben-Gebäudes gibt es allerdings bereits in Menge - und diese Bilder haben nicht im Mindesten die Aura der Fotografien Laura Padgetts. Auf ihren Aufnahmen sieht man die Zeichnung des Steins, manchmal darauf auch Moos-Bewuchs, innen die feinen Linien im Marmor, den glänzenden Boden der menschenleeren Gänge."

Besprochen werden: Kroatische Protestkunst in "Komm zu Bewusstsein! Halte stand! Reagiere! Performance und Politik im postjugoslawischen Kontext der Neunziger"
im Muzej suvremene umjetnosti in Zagreb (FAZ), "Zwölf Variationen zur Auferstehung" im Kunstraum Parochial (Berliner Zeitung) und die Retrospektive zu Frans Hals, die im Sommer aus dem Rijksmuseum Amsterdam nach Berlin kommt (Tagesspiegel).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.02.2024 - Kunst

Bild: Yoko Ono: Fly 1970-1. Directed by Yoko Ono & John Lennon, Film Still.

Pünktlich zum Neunzigsten widmet die Londoner Tate Modern Yoko Ono unter dem Titel "Music of the Mind" eine große Retrospektive, die ab September auch im Düsseldorfer K20 zu sehen sein wird. Wie man zu den Arbeiten der japanisch-amerikanischen Konzeptkünstlerin steht, bleibt dem Betrachter selbst überlassen, meint Alexander Menden in der SZ: "Man kann die Instruktionen der Künstlerin als poetische Einladung zur Teilnahme oder als groteske Vorschrift empfinden. ... Unter dem Motto 'My Mommy Is Beautiful' lädt Ono die Besucher etwa ein, Gedanken über ihre Mutter auf einen Zettel zu schreiben und diesen (oder alternativ ein Bild der Mutter) auf eine von 15 leeren Leinwänden zu kleben. Ermöglicht das rührende öffentliche Liebesgesten? Oder ist es ein süßliches, infantilisierendes Grundschulprojekt? 'Add Colour (Refugee Boat)' macht ein weißes Boot und die umgebenden Wände wiederum zur leeren Leinwand für die Friedensgedanken der Besucher. Ist das ein gemeinsames, vielleicht sogar wirksames Friedensfanal? Oder Erstarrung in einer selbstzufriedenen Aktivismus-Geste?" Als "Ehrenrettung" der Künstlerin erlebt Sebastian Borger im Standard die Schau: "Der Retrospektive gelingt es, Respekt, ja Bewunderung zu schaffen für eine Avantgardekünstlerin, eine Wanderin zwischen kulturellen Welten, die ihrer Zeit voraus war. Freilich bleibt auch die Skepsis gegenüber ihren einfachen Parolen." In der FR bespricht Susanne Ebner die Ausstellung.

Bild: Claudia Andujar, Opiq+theri, Perimetral norte - da série Sonhos Yanomami (Opiq+theri, Perimetral norte - from the Yanomami Dreams series), 2002 © Claudia Andujar. Courtesy Galeria Vermelho, São Paulo.

In der taz ist Petra Schellen dankbar, dass die Hamburger Deichtorhallen der 92-jährigen, in der Schweiz geborenen und in Ungarn aufgewachsenen Fotografin Claudia Andujar die Ausstellung "The End of the World" widmet. Andujar setzt sich seit mehr als fünfzig Jahren für die Rechte der Yanomami ein, der größten indigenen Gruppe in Nordbrasilien. Ihre Aufnahmen verbinden Dokumentation und Poesie, so Schellen: "Wie die mit dem Ethnopoeten Hubert Fichte in den 1960er Jahren durch Afrika, Brasilien, die Karibik gereiste Fotografin Leonore Mau bildet Andujar die Menschen und ihre Rituale würdevoll, aber nicht exotistisch ab. Aber anders als Mau, die distanziert-ehrfürchtig auf indigene Kulturen und Rituale schaute, geht Andujar über das Dokumentarische hinaus: Sie sucht die spirituelle Erfahrung selbst ins Bild zu setzen, indem sie mit Überblendungen und Infrarottechniken arbeitet. Da taucht zum Beispiel ein Männerkopf der Serie 'Das Haus' mit weit geöffneten Augen in eine Dimension außerhalb des Bildes und jenseits der materiellen Welt. Gemeinsam mit der Fotografin bleibt man vor der Schwelle stehen, betritt nicht die tabuisierte, Männern vorbehaltene Sphäre halluzinogener Erfahrung."

"Es ist ein linksliberales Missverständnis, wenn man glaubt, den offenen Dialog zu verteidigen, indem man ihn sperrangelweit aufmacht. Auch für die Brüller und die Extremisten", kommentiert Peter Neumann in der Zeit den Vorfall bei der Bruguera-Lesung. Vorbildlich habe sich etwa der Neue Berliner Kunstverein verhalten: "Weil der Verein nicht ihre politische Meinung zum Gaza-Krieg teilt, wollten die beiden Künstlerinnen Banu Cennetoğlu und Pilvi Takala dort nicht mehr ausstellen. Der Kunstverein ließ die beiden ohne Worte des Bedauerns ziehen. Man sehe vermehrt Versuche einer Instrumentalisierung von Konflikten für die persönliche Agenda und lehne die Übernahme vorgegebener politischer Einstellungen ab, schrieb der Verein in einem Statement. Auch so lassen sich Räume schützen: mit klaren Grenzen und offenem Visier."

Weitere Artikel: In der Zeit widerlegt Hanno Rauterberg das "Klischee von der christlichen Lustfeindlichkeit" - zumindest mit Blick auf sinnliche Jesus-Darstellungen in der Kunstgeschichte. Ebenfalls in der Zeit porträtiert Lara Huck die bolivianische Fotografin Marisol Mendez, die in ihrer Fotoserie "Madre" Frauen als Heilige inszeniert. Der russische Künstler Andrej Molodkin droht damit, in einer Aktion 16 Kunstwerke, unter anderem von Rembrandt, Picasso und Warhol mit einem Gesamtwert von mehr als 40 Millionen US-Dollar zu zerstören, sollte Julian Assange im Gefängnis sterben, meldet Timo Feldhaus in der Berliner Zeitung.

Besprochen werden die Ausstellung "Heute" mit Werken der in Jerusalem geborenen Künstlerin Elinor Sahm in der Galerie Wannsee Contemporary (taz), die Ausstellung "Von Odessa nach Berlin. Europäische Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts" in der Berliner Gemäldegalerie (FAZ) und die Ausstellung "Lacan, l'exposition" im Centre Pompidou in Metz, die sich nicht nur Lacans Sammlung widmet, sondern auch der Frage nachgeht, "inwiefern Kunstwerke Lacans psychoanalytische Theorie auf den Weg gebracht haben, aber auch als deren reflektierender Spiegel funktionieren", wie Bettina Wohlfarth in der FAZ schreibt.