Außer Atem: Das Berlinale Blog

Zwei Filmschinken im Wettbewerb: Stanley Tuccis 'The Final Portrait' und Gurinder Chadhas 'Viceroy's House'

Von Anja Seeliger
13.02.2017.


Das Wochenende bescherte uns im Wettbewerb außer Alain Gomis' schönem "Felicité" (hier die Kritik) und Josef Haders "Wilde Maus" (hier die Kritik) noch zwei Filmschinken: Stanley Tuccis Biopic über den Künstler Alberto Giacometti und Gurinder Chadhas "Viceroy's House". Tuccis Film basiert auf James Lords Buch "A Giacometti Portrait". Der amerikanische Kunstkritiker erzählt darin, wie er Giacometti achtzehn Tage Modell saß, wie Giacometti das Bild immer wieder übermalte, bis Lord es ihm eines Tages mit einer Finte entwinden konnte, bevor dieser erneut in "den Zyklus der malerischen Destruktion" eintrat (mehr dazu in der NZZ, die sich 2003 mit Lord unterhalten hatte). Wir sehen Giacometti in seinem malerisch unordentlichen Atelier arbeiten, wie er hierhin schlurft und an einer Skulptur kurz den Daumen ansetzt, dann dorthin, um einem Gemälde einen Pinselstrich hinzuzufügen. Immer weiterdenkend, nie ist etwas beendet. Auch nicht das Porträt Lords, dass er nach drei Strichen immer mit einem melodramatischen "Fuuuuck" unterbricht, dann minutenlang regungslos dasitzt, um dann plötzlich spazierengehen zu wollen.  

Geoffrey Rush sieht dem Maler verblüffend ähnlich und ein wunderbarer Schauspieler ist er sowieso. Aber das kann den Film nicht retten. Es gibt die üblichen Paris-Künstler-Klischees, das Gelage im Cafe, der Streit mit der Ehefrau, die Geliebte, das Geld, das ihm nichts bedeutet, die kleinen Verrücktheiten und Marotten. Vielleicht war es wirklich so, aber heute wirkt das entsetztlich klischeehaft. Ein Künstler-Kostümfilm aus den 60ern.



Gurinder Chadhas "Viceroy's House" erzählt die Geschichte von der Teilung Indiens aus dem Palast des letzten Vizekönigs von Indien, Lord Mountbatten, der die Unabhängigkeit und Teilung Indiens einleitet. Dass es zur Teilung kommt, ist laut Chadha Churchill zu verdanken, der den gutherzigen Mountbatten austrickste und Muhammad Ali Jinnah seinen pakistanischen Staat versprach, weshalb der dem ahnungslosen Mountbatten so unnachgiebig entgegentrat. Ob das historisch akkurat ist, kann ich nicht beurteilen. Interessanter hätte ich einen Punkt gefunden, den der Guardian-Kritiker vermisst hat: die Gerüchte um eine Affäre Lord Mountbattens mit dem Hindu-Führer Nehru. Dafür bekommen wir britischen Prunk im Palast, gedrillte Diener und eine Liebesgeschichte zwischen einem Hindu und einer Muslimin. Falls Chadha die Ambition hatte, ein Lean-Epos zu drehen, ist ihr das nicht gelungen. Wer aber die Geschichte von der Teilung Indiens in zwei farbenfrohen Stunden mit etwas Herzschmerz präsentiert bekommen möchte, wird hier gut bedient.