Außer Atem: Das Berlinale Blog

Gypsy-Swing mit Nazis - "Django", der Eröffnungsfilm der Berlinale

Von Thekla Dannenberg
09.02.2017. Django Reinhardt hatte in Paris unter der Besatzung Erfolg - auch und gerade unter den Besatzern. "Django" konzentriert sich auf das dramatische Jahr 1943, landet aber im konventionellsten sepiafarbenen Geschichtskino.


Kein europäischer Jazz-Musiker wurde so verehrt wie Django Reinhardt. Als Manouche, französischsprachiger Sinti, war er einer der wenigen Musiker in Europa, die dem amerikanischen Jazz Gleichrangiges entgegensetzen konnte: Gypsy-Swing, das war zugleich Moderne, Auflehnung und Melancholie. Jean Améry hörte darin das "Timbre des Protest".

Doch diese Verehrung enthält ein dunkles Moment, an das Etienne Comar mit seinem Filmdebüt "Django" erinnert: Auch Nazis fanden ihn toll. Sie liebten den Swing und besonders großartig fanden sie an Django Reinhardt, dass er weiß war. Seine Konzerte waren der große Hit im Paris des Jahres 1943. Wehrmachtsoffiziere pilgerten in Kompaniestärke in den Hot Club.

Comar erzählt in seinem Film nicht das Leben Django Reinhardts, sein Film ist kein Biopic. Er konzentriert sich allein auf das Jahr 1943, in dem das glamouröse Leben des Musikers unmöglich wurde. Django selbst wird grenzenlos verehrt. Musikaffine Offiziere halten ihre schützende Hand über ihn und planen für ihn sogar eine Tournee durch Deutschland. Einer dieser Herren wird nach dem Krieg als Dr. Jazz bei WDR und Deutscher Grammophon Karriere machen. Allerdings halten sie ihn immer wieder an, bei den Solos den Rhythmus nicht mit den Füßen zu schlagen, Dur zu spielen und wenn's geht Allegro, aber vor allem die Synkopen zu unterlassen. "Sie kennen die Musik gar nicht!", wirft ihm einer der schöngeistigen Offizier hochfahrend an den Kopf. Django, der weder lesen noch schreiben kann, antwortet ihm mit der ganzen Selbstgewissheit des Genies: "Aber die Musik kennt mich."

Django steht nur mit einem Bein auf der Bühne des Hot Clubs, mit dem anderen Bein ist er schon, auch wenn er es zunächst nicht wahrhaben will, im Konzentrationslager. Die Nazis beginnen, Sinti und Roma in allen Winkeln Europas zu jagen. In den Ardennen werden schon seine Freunde erschossen, in Paris die Schädel seiner Verwandten von SS-Ärzten vermessen und ihm selbst wird seine versehrte Hand als typische Degeneration infolge jahrhundertelanger Inzucht ausgelegt. Tatsächlich erlitt er beim Brand seines Wohnwagen im Alter von 18 Jahren so schwere Verbrennungen, dass die Sehnen seiner linken Hand verkürzt waren. Er spielte immer nur mit zwei Fingern.



Selbst mit den grandiosesten Gitarrensolos beschert Dieter Kosslick dem Publikum zur Eröffnung der Berlinale keine seligen Momente. Zu Django Reinhardts großen Liedern, "Nuages" (hier bei Youtube) ), "Les yeux noirs" (hier) oder der "Mélodie au crespucule" (hier), kann man sich nur im Einklang mit den Nazis auf der Leinwand wiegen. Das ist für eine Gala-Vorstellung schon entschieden sperrig.

In einigen wenigen Momenten lässt der Film auch das Flüchtige und Unergründliche in Djangos Persönlichkeit aufscheinen. Reda Kateb spielt ihn als einen Mann, der sich stets zu entziehen, zu verweigern versucht. Doch das Dramas eines umjubelten Künstlers, der als Mensch um sein Überleben bangt, inszeniert der Film fiktional mit denkbar konventionellsten Mitteln: Er stellt dem Musiker mit Cécile de France eine schillernde Geliebte zur Seite, die als begehrte Schönheit des Pariser Nachtlebens Nazis bezirzt, Fluchten organisiert und für die Résistance britische Flieger aus dem Land schmuggelt. Aus dem Künstlerepos wird sepiafarbenes Geschichtskino. Das Timbre des Protests weicht dem Schmelz der Geigen. Am Ende wird Django noch immer keine Noten lesen können, aber die Regeln der klassischen Komposition beherrschen. Und in seinem "Requiem pour les tsiganes" wird der Bass nicht mehr gezupft, sondern mit Bogen gespielt.

Auf jeden Fall ist der Film jedoch ein hervorragender Anlass, mal wieder Django Reinhardt zu hören, zum Beispiel mit dieser dreistündigen Kompilation.

"Django". Regie: Etienne Comar. Mit Reda Kateb, Cécile de France, Beata Palya und Bim Bam Merstein. Frankreich 2017. 117 Minuten (Vorführtermine)