Im
Tagesspiegel-Gespräch
äußert sich der
Präsident der FU,
Günter M. Ziegler, zu den Antisemitismus-Vorwürfen an die FU. Die öffentliche Darstellung zeige ein falsches Bild von den Vorkommnissen an der Uni, im Gegenteil ergreife man alle Maßnahmen, die im Rahmen des Möglichen liegen, um Antisemitismus vorzubeugen. Die linke, israelkritische Prägung der Uni sieht er nicht als Grund für die Vorfälle: "Was heißt
'israelkritisch'? Wenn es um Beschreibung und Analyse und auch Kritik an israelischer Regierungspolitik geht, wenn dies nicht dämonisierend, sondern besonnen geäußert wird, sollte man einer Universität deshalb nicht
strukturellen Antisemitismus unterstellen. Ich finde es auch wichtig, das Label 'pro-palästinensisch' nicht gleich mit einem Generalverdacht des Antisemitismus zu verbinden. Es ist ein Unterschied, ob jemand Kriegsfolgen und Leid in Gaza thematisiert, oder ob jemand bei linksradikalen Gruppen wie 'Klasse gegen Klasse' oder 'Young Struggle' bei antisemitischer Propaganda mitmacht, wie Teilnehmer bei der Hörsaal-Besetzung. Auch sehe ich nicht, dass an der FU aus den linken postkolonialen Diskursen heraus Antisemitismus gegen Israel und das jüdische Volk propagiert wird. Die Frage
legitimer Israelkritik ist ein intellektueller Diskurs, den wir führen müssen, und zwar wachsam und aufmerksam für das Thema Antisemitismus."
Immerhin die
Lehrenden der UdK beziehen deutlich Stellung gegen die antisemitischen Proteste,
berichtet die
taz, die aus einem von vierzig Lehrenden unterzeichneten
offenen Brief zitiert: "'Wir verwehren uns gegen an der Hochschule kursierende Narrative, die Antisemitismus und Rassismus als Gegensätze darstellen, den Verteidigungskrieg Israels mittels einer
Verkürzung postkolonialer Theoriebildung als koloniale Mission und
Israel als Regime der Apartheid klassifizieren und den Terror der Hamas als Freiheitskampf verschleiern.' Offenbar war es an der UdK nötig, das auch einige Wochen nach den Anlässen einmal so klar zu formulieren. Bemerkenswert ist, wie konkret der offene Brief auf Vorfälle an der UdK eingeht: 'Wir sind über die gewaltvollen antisemitischen Proteste und Aktionen an unserer Universität
erschüttert.'"
Sehr persönlich
verabschiedet sich
Claus Leggewie in der
FR von
Alfred Grosser, dem "wohl wichtigsten Lehrer" für Frankreich-Forscher und "
Statiker einer Freundschaft zwischen zwei Gesellschaften, deren Entwicklung Grosser als Politologe und Publizist auf beiden Seiten würdigte und deren Defizite er unbestechlich ansprach. (...) Man hätte noch mehr auf ihn hören sollen, als er 1983 auf dem Evangelischen Kirchentag die Einäugigkeit der deutschen (und französischen) Friedensbewegung gegenüber dem sowjetrussischen Imperium anklagte, und erneut 2014, als er zum Gedenken an den 1. Juli 1914
Putins Angriff auf die Ukraine eine Kriegserklärung an Europa nannte. Und ebenso im Bundestag, als er den wiedervereinten Deutschen mehr Empathie für dieses unerhörte Ereignis ans Herz legte. Wo er seinen
Franzosen überhebliche nationale
Borniertheit vorwarf, sah er bei seinen
Deutschen selbstmitleidige Nationsvergessenheit.
In der
taz würdigt auch Rudolf Balmer
Grosser als scharfsinnigen Kämpfer für die deutsch-französischen Beziehungen, der aber auch irritierte, etwa wenn er sich "als
atheistischer Jude namentlich auch in sehr kritischer Weise zu den Regierungen in Israel und insbesondere zur
Siedlungspolitik auf Kosten der Palästinenser" äußerte. "Der 2018 verstorbene ehemalige
Le-Monde-Direktor Daniel Vernet erinnerte sich, wie Grosser den jungen Deutschen oft im Gespräch über den Zweiten Weltkrieg, die Judenverfolgung und die Schuldfrage eingeschärft habe: 'Ihr tragt keine Schuld, aber ihr müsst an Hitler und an das Dritte Reich denken und (darum) heute überall die Menschenrechte verteidigen. Das gilt auch für die Palästinenser.' Mehrfach war Grosser wegen seiner Israel-Kritik beschuldigt worden, er billige oder
fördere den Antisemitismus. Er erwiderte darauf, es gehe nicht an, dass man jegliche Kritik verunglimpfe. Bei der Publikation seines bei Rowohlt erschienen Buchs 'Von Auschwitz nach Jerusalem' sprach er wie Martin Walser vor ihm in der
taz (28.9.2009) von einer 'Auschwitz-Keule': 'Jedes Mal, wenn ein Deutscher sagt: 'Die israelische Politik ist falsch', heißt es: 'Denk an Auschwitz!'' Das hat ihm heftige Reaktionen eingebracht, und eine solche Stellungnahme würde ihm heute, im aktuellen Kontext, wahrscheinlich sowohl in Deutschland als auch in Frankreich erst recht
polemische Angriffe einbringen." Weitere Nachrufe in
SZ, FAZ und
Welt.
Das Prinzip "
Ja heißt ja", mit dem die EU-Kommission das
Sexualstrafrecht vereinheitlichen wollte, ist gescheitert. Nina Monecke kritisiert auf
Zeit Online, dass Staaten wie Deutschland, Frankreich und Ungarn die Reform, die die "Strafbarkeit von Vergewaltigungen an fehlende Zustimmung" geknüpft hätte,
blockiert haben: "Es ist richtig, dass Buschmann mit seiner Blockade nicht die Standards bei der Strafbarkeit von Vergewaltigung in Deutschland senkt. Aber Millionen anderen Frauen in EU-Ländern, in denen weiterhin Gewalt vorausgesetzt wird, bleiben sie verwehrt. Und so wird das Strafrecht in vielen Mitgliedsstaaten
ein Bild von Vergewaltigungen aufrechterhalten, das mit der Realität wenig zu tun hat."
Für eine Ära nach Putin braucht der Westen einen "klugen Plan" auch was die
finanzielle Situation Russlands betrifft,
schreibt der russische Ökonom Wladislaw L. Inosemzew in der
NZZ. Der Schaden, der durch
Putins Herrschaft und den Krieg in der Ukraine entstanden ist, könnte die russische Gesellschaft sonst abhalten, sich dem Westen zuzuwenden. Wenn die Menschen erkennen, dass "die Zukunft nach Putin für sie die Rückzahlung eines
durchschnittlichen Drei-Jahres-Einkommens bedeutet..., würden sie jeden unterstützen, der verspricht, im Kräftemessen mit dem Westen Putins Kurs weiterzuverfolgen. Denn dieser verschlänge weniger Geld, als die Anerkennung der Niederlage und daraus resultierende Reparationen kosten könnten. …Um einem solchen Szenario vorzubeugen, sollten die westlichen Staaten nicht den
Fehler von 'Versailles' wiederholen. Wie immer ein Friede beschaffen sein wird, er sollte
jede Demütigung vermeiden."
Auch für Sergei Gerasimow
zeigt sich am Beispiel Russland vor allem, "was man beim Regieren alles vermasseln kann", wie er ebenfalls in der
NZZ schreibt: Putins "dreiundzwanzig Jahre an der Macht hätten das Land
zu großem Wohlstand führen können, wenn er denn die richtigen Entscheidungen getroffen hätte. Doch die meisten seiner Entscheidungen waren falsch, und die Jahre seiner Herrschaft werden als
eine der dunkelsten Epochen in die russische Geschichte eingehen - wenn es eine Geschichte Russlands nach Putin gibt". Für Gerasimow ist Putin eine "Blackbox", das heißt "
intransparent und unkalkulierbar", weshalb er auch die düstersten Zukunftsvisionen nicht ausschließt. Er zeichnet sieben mögliche Szenarien, was weiter passieren könnte: "Je länger aber dieser Krieg andauert, desto wahrscheinlicher ist es, dass einige der schlimmsten Szenarien eintreten werden." Einer der besten Möglichkeiten wäre für ihn folgende: "Die Ukraine könnte endlich anfangen, die bei westlichen Banken
eingefrorenen russischen Gelder zu erhalten. Irgendwann werden die meisten westlichen Länder und Regierungen begreifen, dass dies der schmerzloseste und bequemste Weg aus der Sackgasse ist."
Der
Guardian sammelt Stimmen zu einem
AfD-
Verbot, darunter
Mariam Lau und der Politologe
Andreas Busch. Lau plädiert gegen ein Verbot: "Die Behauptung, dass die gesamte Partei (und nicht einzelne Äußerungen) eine klare und gegenwärtige Gefahr für unsere Demokratie darstellt, ist alles andere als wasserdicht.
Stellen Sie sich vor,
sie verlieren! Und in manchen Regionen Deutschlands stellt die AfD ein Drittel der Wählerschaft. Alle von der Teilnahme ausschließen? Keine gute Idee." Busch meint hingegen: "Skeptiker befürchten, dass ein gescheiterter Verbotsantrag der AfD das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung haben und stattdessen die Legitimität der Partei stärken könnte. Man könnte sich jedoch fragen: Welchen Sinn hat es, eine
Waffe in der Waffenkammer zu haben, wenn man den Einsatz davon ausschließt?"