9punkt - Die Debattenrundschau
Alles richtig gemacht
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Europa
Im Welt-Interview mit Jennifer Wilton wehrt sich der Schriftsteller Antonio Muñoz Molina gegen sämtliche besonders gern in Deutschland gepflegte Spanien-Klischees: Inquisition, Dunkelheit und ewiger Franquismo: "Das Erstaunliche, das Gute an Spanien ist doch, dass es sich so sehr verändert hat seit dem Ende der Diktatur 1975. Das Spanien meiner Kindheit und Jugend war ein intolerantes Land, in dem Frauen keine Rechte hatten und Homophobie selbstverständlich war. Heute ist es frei, mit einer der stärksten feministischen Bewegungen überhaupt. Aus einem Land von Emigranten - die Generation meiner Eltern wanderte in den 1950er-, 60er-Jahren millionenfach nach Deutschland oder Frankreich aus - wurde ein Land, in das Leute immigrieren. Spanien hat in den vergangenen Jahren Millionen Migranten aufgenommen und ist damit vergleichsweise gut klargekommen. Ich habe die Hoffnung, dass wir nicht nur in dem Punkt rational bleiben." Auf Politico gibt Guy Hedgecoe einen Überlick über die zersplitterte politische Landschaft am Tag vor den Wahlen.
Und naja, für Liebhaber: Slate.fr verrät das einzig wahre Rezept für eine Tarte au citron.
Gesellschaft
So ungewöhnliche Laute verlangt das Binnen-I der gendergerechten Sprache nicht, erfährt SZ-Kritiker Felix Stephan vom Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas in Marburg: "Das Phonem, das beim Mitsprechen des Binnen-Is entsteht, erfährt man dort, kommt im Deutschen im Grunde unentwegt vor. Etwa wenn zwei Vokale aufeinandertreffen, die sich nicht in derselben Silbe befinden. Zwischen dem 'e' und dem 'a' in 'Theater' zum Beispiel oder in 'bearbeiten'. Aber auch 'verarbeiten', obwohl dort genau genommen nicht einmal zwei Vokale aufeinandertreffen, aber eben ein neudeutsches R, das nicht mehr in der Kehle geformt wird, sondern wie ein Vokal vorn im Mund. Der Laut kommt auch jedes Mal vor, wenn ein Wort mit einem Vokal beginnt: Wenn ein Deutscher 'Affe' sagt oder 'Autor', schließt er, bevor er den Vokal ausspricht, in der Kehle kurz die Stimmlippen und formt ebenjenen stimmlosen glottalen Plosiv, der im Deutschen allgegenwärtig ist, den aber die wenigsten kennen, weil es kein Schriftzeichen dafür gibt."
Dinah Riese berichtet in der taz über den Streit über das Symposion "Das islamische Kopftuch - Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" der Frankfurter Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter (unsere Resümees). Riese spricht unter anderm mit dem Studenten Zuher Jazmati, von der Gruppe @schroeter_raus, die eine Zensur der Veranstaltung wegen "antimuslimischen Rassismus" und die Entlassung Schröters fordert, mit Schröter selbst und mit der selbst Kopftuch tragenden und aufs Podium eingeladen Khola Maryam Hübsch von der Ahmadiyya-Sekte, die sich trotz ihrer Einladung schon im Vorfeld scharf gegen die Veranstaltung wendet: "Khola Maryam Hübsch .. kann die 'Frustration der Studierenden', wie sie sagt, gut nachvollziehen. 'Ich finde das Podium nicht ausgewogen. Die Redezeit derer, die extreme Positionen gegen das Kopftuch vertreten, überwiegt', sagt sie. Das habe sie auch den Veranstaltern mitgeteilt. 'Susanne Schröter lässt sich und ihre Position im akademischen Milieu benutzen, um Ängste zu schüren und plumpe Klischees zu verbreiten', sagt Hübsch." Die Uni-Leitung bekennt sich laut Daniel Tautz bei Zeit online zu Schröter.