Im
Guardian schreibt Gulbahar Haitiwaji über ihre Erfahrungen in einem
chinesischen Umerziehungslager für Uiguren, in das man sie 2016 steckte, nachdem man sie nach zehn Jahren Exil in Frankreich unter einem Vorwand nach China zurückgelockt hatte: "Wir mussten leugnen, wer wir waren. Wir sollten auf unsere Traditionen,
unsere Überzeugungen spucken, unsere Sprache, unsere eigenen Leute. Nach dem Lager sind wir nicht mehr wir selbst, sondern Schatten, unsere Seelen sind tot. Ich wurde gezwungen zu glauben, dass meine Lieben, mein Mann und meine Tochter Terroristen waren. Ich war so weit weg, so allein,
so erschöpft und entfremdet, dass ich es fast geglaubt hätte. Mein Mann Kerim, meine Töchter Gulhumar und Gulnigar - ich habe Ihre 'Verbrechen' angeprangert. Ich bat die Kommunistische Partei um Vergebung für Gräueltaten, die weder sie noch ich begangen haben. Ich bedauere alles, was ich gesagt habe, was sie entehrt hat. Heute lebe ich und möchte die Wahrheit sagen. Ich weiß nicht, ob sie mir vergeben können. Wie kann ich ihnen erklären, was mir zugestoßen ist? Man hielt mich
zwei Jahre in Baijiantan fest. In dieser Zeit versuchten alle um mich herum, die Polizisten, die uns verhörten, die Wachen, die Lehrer, mir die Lüge aufzutischen, ohne die China sein Umerziehungsprojekt nicht rechtfertigen könnte: dass
Uiguren Terroristen sind und ich, die ich seit zehn Jahren im französischen Exil lebte, eine Terroristin. Die dauernde Propaganda nahm mir einen Teil meiner geistigen Gesundheit, Teile meiner Seele brachen entzwei. In den gewaltsamen Polizei-Verhören duckte ich mich unter den Schlägen und machte sogar
falsche Geständnisse. Es gelang ihnen, mich davon zu überzeugen, dass ich umso schneller frei wäre, je früher ich meine Verbrechen zugäbe. Erschöpft gab ich schließlich nach. Ich hatte keine Wahl. Niemand kann für immer gegen sich selbst kämpfen. Egal wie sehr man gegen die Gehirnwäsche angeht, sie vollbringt ihre heimtückisches Werk. Alle Wünsche und Leidenschaften verlassen dich. Welche Möglichkeiten gibt es? Ein langsamer, schmerzhafter Tod oder
Unterwerfung. Wenn es einem gelingt, die Unterwerfung nur vorzutäuschen, dann bleibt etwas Klarheit übrig, die einen daran erinnert, wer man wirklich ist. Ich glaubte kein Wort von dem, was ich ihnen sagte. Ich gab mein Bestes,
eine gute Schauspielerin zu sein. Am 2. August 2019 erklärte mich ein Richter aus Karamay nach kurzem Prozess für unschuldig. Ich hörte die Worte kaum. Ich dachte daran, wie oft ich meine Unschuld beteuert und für sie gelogen hatte."