Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
10.07.2006. Wen Thalia als nächstes schluckt. Warum Populäres bei Suhrkamp Pflicht wird. Wie man sich mit dem Tintenstrahler eine Pizza ausdruckt. Und weshalb die Spürnasen und Spediteure der Verlage mehr Werbung in eigener Sache machen sollten.

buchreport.express

Das rasante Expansionstempo der Kettenbuchhandlungen hält buchreport in Atem. "Thalia forciert Tempo mit Partnerschaftsmodellen", schlagzeilen die buchreporter anlässlich der 50,1-Prozent-Beteiligung des größten stationären Buchhändlers in Deutschland an Grüttefien und erinnern an die Beteiligungen an Kober Löffler und ZAP (Zur alten Post). Auf einen Schlag sei Thalia um 18 Buchhandlungen und einen Umsatz von 17 Millionen Euro größer geworden. Antriebsmotor: Der deutschsprachige Buchmarkt sei so stark filialisiert, dass der Wettbewerb um die verbliebenen attraktiven Standorte immer härter werde. Außerdem müsse Thalia zur nationalen Markenbildung die letzten Lücken im Filialnetz schließen und sich den ärgsten Wettbewerber Weltbild vom Hals halten. Für die Gegenseite hätten die Beteiligungen der Großen den Vorteil, den "Investitionsstau" abzubauen oder eine Nachfolgeregelung zu schaffen. Am Ende nutzt buchreport die Gelegenheit zur Orakelei: 2007 werde Thalia die 500-Millionen-Euro-Marke knacken. Außerdem liege die Übernahme weiterer kleinerer Ketten wie Buch & Kunst, Habel oder Pustet nah.

Der Trend geht zur Eintagsfliege, fasst buchreport die Entwicklung des US-amerikanischen Bestsellergeschäfts zusammen. Nach einer Studie des amerikanischen Books-on-Demand-Verlags Lulu.com auf Grundlage der New York Times-Bestsellerliste ist die Lebensspanne eines verkaufsstarken Romans jenseits des Atlantiks seit Mitte der 60er-Jahre um 80 Prozent geschrumpft. Durchschnittlich zwei Wochen halten sich die Top-Titel an der Spitze des Rankings; in den 60ern lag der Zeitraum bei 21 Wochen. Zum Vergleich: In den deutschen Spiegel- und Gong-Rankings lag die durchschnittliche Verweildauer im ersten Halbjahr 2006 bei 4,7 Wochen.

Fast zwei Wochen nach der Bachmann-Preisverleihung reagiert buchreport auf die Diskussion um den Siegertext von Kathrin Passig (der nachträglich "intellektuelle Spielerei" und, wie die FAS großflächig berichtete, die Unterwanderung des Wettbewerbs mit Unterstützung ihrer Kollegen aus der Zentralen Intelligenz Agentur vorgeworfen wird). Im Interview mit buchreport blockt Jurymitglied Burkhard Spinnen die Vorwürfe gegen die Autorin als "grotesk" ab: "Authentizität duldet keinen Betrug." Darüberhinaus verteidigt Spinnen den Abstimmungsmodus (der, wie Fernsehzuschauer erleben durften, selbst den Moderator Ernst A. Grandits heillos überforderte) und spricht sich gegen die These aus, dass es zu viele Literaturpreise in Deutschland gebe.

Zappenduster sah es im Juni auf dem Buchmarkt aus. Nach dem buchreport-Umsatztrend büßte der Buchhandel im Vergleich zum Vorjahresmonat 9,4 Prozent ein. "Das Sortiment zu Gast im Minus", lautet die Headline. Als Sondereffekt lokalisiert buchreport die Fußball-WM sowie fehlende Verkaufstage.

Nach einer längeren Pause widmet sich buchreport erneut den Spätfolgen der Zanolli-Insolvenz. Der Abverkauf der Bücher-Reste dümpele im Sommerloch, melden die Dortmunder. Volker Gollenia, Chef der mit der Resteverwertung betrauten ZMV Vertriebsgesellschaft, sagt, man sei dennoch im Plan: Von den einst 14,5 Millionen Büchern seien nur noch 6,5 Millionen auf Lager. Einen weiteren Spielort lassen die Dortmunder allerdings außer Acht. Die Blogger von BooCompany melden Neuigkeiten vom inzwischen ebenfalls insolventen Billigbuchhändler Elbe Team. Ex-Firmenchef Peter Wölki plane derzeit mit dem aus Polen eingeflogenen Bruder einen Neuanfang: "Es ist doch kaum zu glauben! Herr Wölki marschiert nach wie vor durch "seine Firma" und erzählt jedem, der es hören will (oder auch nicht!), wie toll er alles im Griff hat."

Die Demission des Programmgeschäftsführers Rainer Weiss bei Suhrkamp beschäftigt auch buchreport. In einem Artikel fühlt die Branchenzeitschrift den "kalten Wind am Main" nach, im Kommentar verteidigt Rainer Uebelhöde indirekt den Kurs von Ulla Unseld-Berkewicz. "Populäres wird Pflicht", lautet die Botschaft - denn nur eine Popularisierung des Programms sichere das Überleben. Mit der Neuordnung der Zuständigkeiten im Verlag, mit der Weiss nicht einverstanden gewesen sei, habe die Verlegerin nun die Weichen gestellt.

Weitere Meldungen: KNV rüstet die Internetplattform buchkatalog.de auf. Der Heidenheimer Buchhändler Meuer steht vor dem Aus. Die FAZ setzt ihre Hörbuchreihe mit Audio Dossiers fort. Die Börsenvereins-Tochter MVB (Marketing-und Verlagsservice des Buchhandels GmbH) und deren bisheriger buchhandel.de-Dienstleister MSU (Medien-Service Untermain GmbH) haben ihre Kooperation zum 31. Dezember 2006 aufgelöst (mehr hier). Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Schwerpunktthema im Börsenblatt sind die neuen Drucktechnologien - und dabei besonders die "große Zukunft" von Print-on-Demand. Besonders für Klein- und Nachauflagen in Fach- und Wissenschaftsverlagen lohne sich das Verfahren schon heute. Demgegenüber hätten sich Individualbücher, bei denen beispielsweise die Inhalte auf den Leser zugeschnitten werden, noch nicht durchgesetzt - zu teuer. Im Interview bescheinigt Druck-Experte Ernst-Peter Biesalski (Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, Leipzig) dem Druckverfahren gute Entwicklungschancen - unter der Voraussetzung, dass die Kosten gesenkt werden. So werde PoD auch für mittlere Auflagen interessant - und dann "kommt richtig Musik in den Markt."

In einem zwar etwas wirren, aber dabei interessanten Kommentar entwirft der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer ein "Gedächtnis aus dem Drucker". Demnach ermöglichen die "drucktechnischen Umwälzungen", dass sich jemand demnächst mit einem normalen Tintenstrahldrucker auf essbarer Pappe eine Pizza ausdruckt. Oder per 3-D-Druck den passenden Schuh. Oder sogar - und jetzt wird es abenteuerlich - neue Neuronen, wenn ein paar ältere abgestorben sind. Durch die "Elektro-Spray-Technik" könnten lebende Zellen in ultrafeinen Tröpfchen gedruckt werden (Hier Spitzers Vision zum Ausdrucken).

Beim Landgericht Hamburg haben der Börsenverein und die Wissenschaftliche Buchgesellschaft mit ihrer gewünschten Einstweiligen Verfügung gegen die Google-Digitalisierung in Bibliotheken auf Granit gebissen. Jetzt bereitet Verbandsjustiziar Christian Sprang eine Musterklage vor. "Im Gegensatz zum Eilverfahren können in einem Hauptsacheverfahren bestimmte Aspekte in die Tiefe geprüft werden", erklärt der Jurist im Interview. Nachteil: Bis zu einem rechtskräftigen Entscheidung des Bundesgerichtshofes können vier bis fünf Jahre vergehen.

Ein Plädoyer für die "Spürnasen und Spediteure" in den Verlagen hält Gudrun Bolduan, Geschäftsführerin des Verlegerausschusses im Börsenerein. Verleger und Lektoren hätten in den vergangenen Jahren, unter dem Einfluss der Kostenlos-Kultur des Internet, zu wenig auf ihre gründlichen Leistungen als Entdecker und Förderer von Texten hingewiesen. Wie die Selbstvermarktung künftig aussehen soll, bleibt Bolduan dem Leser schuldig.

In den vergangenen Monaten sind aus der Zentrale des DuMont Buchverlags in Köln fast nur Krisensignale nach außen vorgedrungen. Im Interview mit dem Börsenblattt legt der neue Programmchef Marcel Hartges (früher bei Rowohlt) seine Strategie vor. Auf drei Säulen will Hartges das Buchprogramm bauen: Die anspruchsvolle Literatur soll internationaler ausgerichtet sowie ein breites Sachbuchprogramm und Spannungsliteraturprogramm aufgebaut werden. Daneben soll der Akzent beim Kunstbuch auf Gegenwartskunst gelegt werden. Darüberhinaus bleiben die Aussagen von Hartges noch im Ungefähren oder politisch Korrekten: Die Anbindung an den Zeitungsverlag sei löblich. DuMont werde auch in Zukunft an der Buchsparte festhalten. Beim Marketing sei Originalität oft wichtiger als die Höhe des Budgets.

Im "Menschen-"Ressort stellt das Börsenblatt das Buchhändlerehepaar Hellmut und Ilona Rehme vor. Den "Fragebogen" hat diesmal die Übersetzerin Elisabeth Edl ausgefüllt. Highlight der ansonsten langweiligen Antworten: "Mit meinem Bären im Schaukelstuhl" würde Edl am liebsten einen Tag den Platz tauschen.

Weitere Artikel: Unter neuem Dach mit der alten Flagge weitersegeln will Grüttefien: Vater Jens-Peter und Sohn Sven bleiben auch nach der mehrheitlichen Übernahme durch Thalia Geschäftsführer, auch die Marke Grüttefien soll erhalten bleiben. Spanische Lizenzfischer ködern immer häufiger bei deutschen Kinderbuchverlagen. wird zum E-Book-Portal ausgebaut.
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