Efeu - Die Kulturrundschau

Eine kopfüber abgestürzte Marilyn Monroe

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19.02.2024. Frank Castorfs Inszenierung von Thomas Bernhards Skandal-Stück "Heldenplatz" in Wien scheidet die Geister: Die Nachtkritik taucht ab in ein "wildes, erratisches Universum", die FAZ weiß nicht, was das alles soll, die taz freut sich über das brillante Ensemble. Auf der Berlinale ist die Welt froh, dass Andreas Dresens "In Liebe, Eure Hilde" keine platte Moralpredigt geworden ist. Die FAZ feiert die Schauspieler in Matthias Glasners "Sterben".
9punkt - Die Debattenrundschau vom 19.02.2024 finden Sie hier

Film

Andreas Dresens "In Liebe, Eure Hilde"

Zwei deutsche Wettbewerbsfilme waren am Wochende auf der Berlinale zu sehen. Andreas Dresens "In Liebe, Eure Hilde" hätte eine brav belehrendes Moralstück werden können, das seinem Publikum den antifaschistischen Kompass vorreicht, so Elmar Krekeler in der Welt. Dresen hätte "erzählen können, wo die Haltung, der Kompass der Widerständlerin Hilde Coppi herkam, deren Weg zum Schafott in Plötzensee im August 1943 sein Wettbewerbsbeitrag 'In Liebe, Eure Hilde' abschreitet. Tut er aber nicht. Er verweigert sich jeglicher platten Form späterer medialer Nutzbarmachung im Fach Ethik." Stattdessen erzählt der Film eine Liebesgeschichte. Und "sucht", so Susan Vahabzadeh in der SZ, "die Menschlichkeit in jeder seiner Figuren - in der Hebamme, die Hilde hilft, das Kind bei sich behalten zu dürfen, das sie in Haft bekommt, der Wärterin, die hartherzig sein will und es dann doch nicht schafft. Diese Frauen stehen nicht auf der richtigen Seite der Geschichte, aber Monster sind sie nicht." Weitere Besprechungen: Filmstarts, taz. Im Filmdienst spricht Wolfgang Hamdorf mit dem Regisseur, in der Berliner Zeitung führt das Dresen-Interview Cornelia Geißler. Ebenfalls in der Berliner Zeitung porträtiert Michael Brettin Hilde Coppi, das historische Vorbild der Hauptfigur.

Matthias Glasners "Sterben"

Matthias Glasners "Sterben" wiederum erinnert FR-Autor Daniel Kothenschulte "in seiner Form an jene Welle das Leben umarmender Ensemblefilme, wie sie in der Nachfolge von Paul Thomas Andersons 'Magnolia' in Mode kamen. Viele Szenen halten den hohen Anspruch einer ebenso effektsicheren wie durchaus spektakulären Gefühls-Tour de Force, allerdings gelingt es Glasner nicht, einen tragenden emotionalen Bogen aufrecht zu halten." Andreas Kilb ist in der FAZ jedoch angetan: "Dass dieses Puzzle aus scharfkantigen und manchmal auch stumpfen Erzählsplittern ein Gesamtbild ergibt, statt in Episoden zu zerfallen, verdankt 'Sterben' vor allem seinen Schauspielern: Corinna Harfouch, Lars Eidinger, Lilith Stangenberg, Ronald Zehrfeld, Robert Gwisdek, Anna Bederke und Saskia Rosendahl ergänzen sich zu einem Ensemble, wie man es im deutschen Kino lange nicht mehr gesehen hat. Aber es gibt auch ein Formgefühl, einen Rhythmus in 'Sterben', der die Geschichte mühelos über drei Stunden Länge trägt." Weitere Besprechungen: Berliner ZeitungFilmstarts, Tagesspiegel.

Insgesamt werden beide Filme zwar nicht enthusiastisch, aber wohlwollend besprochen. Was man von zwei französischen Wettbewerbsbeiträgen nicht behaupten kann. Bruno Dumonts Science-Fiction-Komödie "L'Empire" endet laut FAZler Claudius Seidl mit einem schwarzen Loch, von dem "der ganze Plot und jeder tiefere Sinn verschluckt wird. Was man nur mit viel Sympathie für den Regisseur als finalen surrealistischen Gag deuten mag." Olivier Assayas' heitere Corona-Reflexion "Suspended Time" hingegen ist für critic.de-Kritiker Frédéric Jaeger eine "Petitesse" von einem Film, geprägt von einer Leichtigkeit, die keine ist, "die das bürgerliche Leben als schrullige Eigenheit zu rechtfertigen sucht." Zu "L'Empire" siehe auch Tagesspiegel, zu "Suspended Time" Filmstarts, taz.

Außerdem: Katrin Doerksen und Thomas Groh resümieren auf culturmag die ersten Berlinaletage,  Felicitas Kleiner im Filmdienst. Gunda Bartels porträtiert im Tagesspiegel Birgit Minichmayr, die auf der Berlinale gleich in zwei Filmen zu sehen ist. Katrin Nussmayr interviewt in der Presse Josef Hader, dessen Film "Andrea lässt sich scheiden" im Panorama zu sehen ist. Esther Buss porträtiert im Filmdienst die Künstlerin Maria Lassnig, der das Festival ein Kurzfilmprogramm widmet. Eva-Chritina Meier unterhält sich in der taz mit Lola Arias, deren Film "Reas" im Forum präsentiert wird. Marie-Luise Goldmann fragt sich in der Welt, or Berlinalefilme wirklich 14 Stunden lang sein müssen.

Besprochen werden der Forumsfilm "The Wrong Movie" (critic.de), der Forumfilm "Favoriten" (critic.de, taz), der Forumfilm "The Editorial Office (critic.de), der Wettbewerbsfilm "My Favorite Cake" (critic.de), der Panoramafilm "Meanwhile on Earth" (critic.de), der Wettbewerbsfilm "La Cocina" (critic.de, Filmstarts), der Wettbewerbsfilm "Dahomey" (Critic.deFilmstarts), "Shikun" aus der Sektion Berlinale Special (TagesspiegelFilmstarts), "Love Lies Bleeding" aus der Sektion Berlinale Special (Filmstarts), "Treasure" ebenfalls aus Berlinale Special (Tagesspiegel, Filmstarts), der Wettbewerbsfilm "Another End" (Filmstarts), der Panoramafilm "Faruk" (Filmstarts) und der Forumsfilm "Mit einem Tiger schlafen" (Filmstarts).

Mit einiger Verzögerung ist MeToo, so scheint es, in der französischen Filmszene voll angekommen. Neben Gérard Depardieu, gegen den jüngst neue Vorwürfe erhoben wurden, stehen die Regisseure Jacques Doillon und Benoît Jacquot im Zentrum der Kritik. Johanna Adorján unterhält sich in der SZ mit der Schauspielerin Judith Godrèche, die die Diskussion ins Rollen brachte. Godrèche: "Ich hoffe, es tut sich etwas. Ich hoffe es. Die französische Kultur hat viel zu lange weggesehen. Hat Entschuldigungen gefunden für männliche Künstler, die ihren Status, ihre Macht ausnutzen, um sehr junge Frauen ins Bett zu kriegen. Und dies eben, genau wie Benoît Jacquot es ja selbst sagt, unter dem Deckmantel der Kunst." In der FAZ berichtet Marc Zitzmann über die Entwicklungen.

Utopia, Regie: Sohrab Shahid Saless, 1983

In der NZZ widmet sich Patrick Holzapfel anlässlich einer Buchveröffentlichung dem Regisseur Sohrab Shahid Saless, der sowohl im vorrevolutionären Iran als auch in Deutschland gearbeitet hat und bis heute ein Außenseiter der Filmgeschichte geblieben ist: "Er wurde als Weltbürger des Kinos beschrieben, aber dem Verdacht der Bürgerlichkeit entzieht sich Saless vollends. Stattdessen kann man in ihm einen kompromisslosen Künstler entdecken, der frei nach seinem Vorbild Anton Tschechow, dessen Erzählung 'Der Weidenbaum' er verfilmte und über den er auch einen Porträtfilm drehte, mit dem Seziermesser an seine Stoffe und Protagonisten heranging. Dazu zählt bei allem Malaise auch Humor. Seine Filme gehören zu jenen, die den eigenen Blick auch außerhalb des Kinos nachhaltig verändern. Plötzlich spürt man die soziale Kälte in den Blicken der Menschen, deren Ängste von der Kamera freigelegt werden."

Weiteres: Im Standard unterhält sich Valerie Dirk mit Paula Beer, deren Film "Stella. Ein Leben" in Österreich anläuft. In der NZZ gratuliert Andreas Scheiner John Travolta zum 70. Claudia Reinhard schreibt im Tagesspiegel über den nach wie vor harten Kampf, den Pro Quote Regie für mehr Chancen für Regisseurinnen führen muss. Besprochen wird Frederic Wisemans Edelrestaurantfilm "Menus Plaisirs - Les Troisgros" (NZZ).
Archiv: Film

Bühne

Szene aus "Heldenplatz" am Burgtheater Wien Foto: Matthias Horn. 

Mit Frank Castorfs Inszenierung von Thomas Bernhards Stück "Heldenplatz" am Burgtheater Wien taucht Nachtkritikerin Gabi Hift hinab in ein "wildes, erratisches Universum, eine Kathedrale der Sehnsüchte, Ängste und Mythen, in der das bittere Lachen über die Bernhard-Texte unheimlich widerhallt". Die ersten drei Stunden des Stücks sind eigentlich perfekt, jubelt die Kritikerin, schon allein das Bühnenbild bleibt im Gedächtnis: "Wir befinden uns in einem merkwürdigen Zwischenreich zwischen Orten und Zeiten. Auf der Bühne dreht sich eine kleine Welt, wie sie für Aleksandar Denić typisch ist. Im Hintergrund das berüchtigte Foto von '38: eine riesige Menschenmasse mit zum Hitlergruß erhobenen Armen. Im Inneren eines kleinen Kubus steckt das Wohnzimmer der Familie Schuster, aber gleich daneben führt eine Stiege hinunter zur 'Borough Hall Station' in Brooklyn. Plakate sehen aus wie in den 30er Jahren. Im Zentrum der Drehbühne ragt der meterhohe Pappmachée-Unterkörper einer offenbar kopfüber abgestürzten Marilyn Monroe aus dem Boden. Im Untergrund, im Video übertragen, ein New Yorker U-Bahnabteil, vor dessen Fenstern Landschaften vorbeifahren oder Traumbilder." Schade, dass Castorf am Ende der Inszenierung wohl versucht hat, selbst einen kleinen Theaterskandal zu provozieren, in Reminiszens an die Tumulte, die die Uraufführung des Stückes 1988 auslöste. Das führt zu eineinhalb Stunden Rumgeblödel am Ende, die die Kritikerin mehr nerven als provozieren.

FAZ-Kritiker Martin Lhotzky lässt das Ganze eher kalt. Dass Castorf das Stück mit Texten des amerikanischen Autors Thomas Woolfe angereichert hat, kann er nicht so ganz nachvollziehen und auch sonst versteht er oft nicht, was ihm der Regisseur eigentlich sagen will. Uwe Mattheis hingegen lobt in der taz die "brillanten Schauspieler", unter anderem Birgit Minichmayr.

Weitere Artikel: In der taz verweist Hajo Schiff auf eine Doppelausstellung über performative Kunst in der Türkei im Kunstverein in Hamburg: "The 90s Onstage" und "Silke Otto-Knapp: Bühnenbilder".

Besprochen werden Evgeny Titovs Inszenierung von Tschechows "Der Kirschgarten" am Staatstheater Wiesbaden (nachtkritik, FR), Nicolas Charaux' Adaption des "Ulysses" am Schauspiel Wuppertal (nachtkritik), Nicole Schneiderbauers Inszenierung von Tine Rahel Völckers Stück "Die gefährlichste Frau Amerikas" (nachtkritik), Floris Vissers Inszenierung von Mozarts "Idomeneo" im Kölner Staatenhaus (nmz) und Catharina von Bülows Inszenierung von Engelbert Humperdinks Oper "Dornröschen" am Theater für Niedersachsen in Hildesheim (nmz), Ulrich Peters Inszenierung von Händels "Siroe, Re di Persia" im Rahmen der Händel-Festspiele in Karlsruhe (FR).
Archiv: Bühne

Literatur

Erich Kästner - Bild: Dutch National Archives - Foto: Basch/Opdracht Anefo - Lizenz: CC0 1.0 DEED

Markus Steinmayr widmet sich in der FAS Erich Kästner, der vor 125 Jahren geboren wurde. Er beschreibt den Autor vor allem als einen Gegenwartsbeobachter - und weist darauf hin, inwiefern sich dessen Werk von der autofiktions- und diskursfreudigen Gegenwart abhebt: "Es besteht aber ein gewichtiger Unterschied zwischen dieser Art Gesellschaftsschilderung aus der Zeit um 1930 und der von heute. Und dieser Unterschied macht etwas  an der heutigen Gegenwartsliteratur sichtbar: Sie bleibt in ihren Zirkeln und Bubbles. Kästners Fabian dagegen wanderte durch ganz unterschiedliche Milieus des großstädtischen Berlin -  Journalismus, Akademie, Sport, Politik, die Bohème -,  die scheinbar nichts oder nur wenig miteinander zu tun haben, aber dann eben doch Parallelen aufweisen, weil sich der Eindruck einer Verunsicherung durch die ganze Gesellschaft zieht." Mehr zu Kästner von Sven Hanuschek auf Zeit Online.

Ebenfalls in der FAS beschäftigt sich Tobias Rüther mit dem "Mann, der Emil zeichnete": Walter Trier war Kästner-Illustrator, aber noch viel mehr. Rüther lenkt die Aufmerksamkeit auf den Kreuzberger Verlag, der sich seit Jahren um Triers Werk verdient macht: "Antje M. Warthorsts 'Bilderwelt des Walter Trier' (2021) zeigt das Spektrum von politischer Karikatur bis Werbegrafik. Gerade erst erschien das herrlich gestaltete Bändchen 'V for Victory' mit Karikaturen und Flugblättern aus dem Zweiten Weltkrieg. Auch in dieser Propaganda, die Trier für die britische Regierung zeichnete, erkennt man die Physiognomien der Menschen, die schon Kästners Kinderbuchillustrationen bevölkerten."

Besprochen werden unter anderem Frank Böschs "Deals mit Diktatoren" (SZ), Elisabeth Bronfens "Händler der Geheimnisse" (SZ), Nicole Seiferts "Einige Herren sagen etwas dazu" (NZZ), Thomas Manns "Tristan" als Hörbuch (FAZ) und das Hörgeschichtsbuch "Jahrhundertstimmen" (FAZ).

In der Frankfurter Anthologie (FAZ) widmet sich Detlev Schöttker einem Vergessenen der deutschen Literaturgeschichte: Alfons Paquet:

"In Wiesbaden bin ich geboren,
In London pfiff mir der Wind um die Ohren ..."
Archiv: Literatur

Kunst

Refik Anadol, Echoes of the Earth: Living Archive, 2024. Installation view, Serpentine North. Photo: Hugo Glendinning. Courtesy Refik Anadol Studio and Serpentine.

Wie es aussieht, wenn künstliche Intelligenzen halluzinieren, kann Welt-Kritikerin Mandoline Rutkowski in der Ausstellung "Echoes of the Earth: Living Archive" in der Serpentine North Gallery in London sehen. Der KI-Künstler Refik Anadol füttert seine Modelle mit Millionen von Datensätzen, zum Beispiel mit Fotos von Korallen, aus denen diese dann neue, faszinierende Wesen erschaffen, wie Rutkwoski beobachten kann: "Dort schwappt und wabert, suppt und wirbelt es. Auf hallenhohen Bildschirmen explodieren quietschbunte Farbbeutel und setzen sich in Sekundenschnelle zu fluiden Pixelformationen zusammen, so prall und monumental, dass sie fast aus dem Rahmen herauslaufen. Kaum meint das Auge eine Form wiederzuerkennen, verwandelt sie sich in eine andere. Cremige Farbwellen brechen, gehen ineinander über und ziehen sich zurück. Untermalt wird dieses Schauspiel akustisch von sphärisch-mystischen Klängen. Die Installationen von 'Artificial Realities: Coral' hypnotisieren und beruhigen, sie verschlucken den Betrachter nahezu. Fast möchte man sich den Fluten hingeben."

Weiteres: Kunstliebhaber freuen sich über ein verschollen geglaubtes Werk des rumänisch-französischen Bildhauers Constantin Brancusi, das im Bukarester Auktionshaus Artmark vorgestellt wurde, wie BlZ und FAZ melden. Die Bronze-Büste 'Portrait d'Achille Baldé', entstand in den Jahren 1905 -1906 in Paris und soll das letzte Werk sein, dass Brancusi noch in der "symbolistischen Manier" seines Lehrers Auguste Rodin schuf. Die FAZ gratuliert dem Kunsthistoriker Cornelius Clausen zum Achtzigsten.
Archiv: Kunst

Musik

Das Cabinet des Dr. Caligari


Vier Jahre lang hat der frühere "Kraftwerk"-Star Karl Bartos an seiner Vertonung des Stummfilms "Das Cabinet des Dr. Caligari" gearbeitet. Jetzt wurde seine Komposition mitsamt Film in der Alten Oper Frankfurt uraufgeführt. Adrian Kreye ist in der SZ ziemlich beeindruckt: "Man darf allerdings nicht unterschätzen, wie überwältigend so eine haushohe Leinwand mit einer restaurierten 4-K-Fassung des Films und eine Live-Aufführung mit einer Tonanlage sind, die auch ein Rockstadion beschallen könnte. Das wirkt inzwischen noch viel stärker, nachdem ein Großteil der aktuellen Kulturproduktion in die Miniaturen der Smartphone-Schirme und Ohrhörer komprimiert wurde. Wenn die Pauken und Bässe ein ganzes Opernhaus zum Beben bringen und die elektrischen Chöre dann wieder zum Schweben." Auch Marcus Hladek ist in der FR sehr angetan.

Patrick Bahners besucht für die FAZ das Hamburger Heine-Fest in der Elbphilharmonie, wo Robert Schumanns Heine-Lieder, gesungen von Tenor Ian Bostridge, gemeinsam mit Stücken aus Büchners "Woyzeck", gesprochen von der Schauspieler Marina Galic, zur Aufführung kommen. Die Montage von beidem verantwortet der Komponist Matthias Schlothfeldt. Wie passt das alles zusammen? "Einzelne Übergänge sind berührend zwanglos. In Erinnerung an seine Mutter zitiert Woyzeck die Gesangbuchverse 'Leiden sei all mein Gewinst / Leiden sei mein Gottesdienst'. Während Galic die Verse spricht, summen die Musiker eine Choralmelodie. Ohne Pause folgt das vorletzte Lied des Liederkreises, 'Anfangs wollt ich fast verzagen', dessen Anfang eine Paraphrase von 'Wer nur den lieben Gott lässt walten' ist. Schlothfeldt hat einen satten Choralsatz geschrieben, der Bostridge den Anlass gibt, die Melodie zu verschleppen, wie im automatischen Ritardando beim inbrünstigen Mitsingen in der Kirchenbank."

Hannah Schmidt recherchiert im Van-Magazin über die erschreckend niedrigen Gehälter von Orchesteraushilfen. Betroffene berichten: "Das Problem, das Jan sieht, ist, dass selbst wenn er aus Protest manche Aushilfsanfragen gar nicht mehr annimmt, 'es immer Leute geben wird, die es machen - und auf echt hohem Niveau.' Maren zum Beispiel gehörte eine Zeitlang zu diesen Leuten: 'Als ich meinen Master gemacht habe, habe ich sehr viele Vertretungen in Berliner Orchestern gespielt. Da war ich noch Studentin und zehn Jahre jünger und die Honorare waren auch noch viel niedriger - aber für mich war das damals ziemlich viel Geld.' Später dann, als immer mehr Monate kamen, in denen sie finanziell von den Aushilfen abhängig war, sah es schnell anders aus. 'Aber ich habe es immer akzeptiert', sagt sie. 'Wenn ich heute von Aushilfen allein leben müsste, hätte ich ein Problem.'"

Weitere Artikel: Deutschland wird auf dem European Song Contest vom ostwestfälischen Sänger Isaak vertreten, meldet unter anderem die FR. Stefan Michalzik besucht für die FR das Festival "Cresc...", eine "Biennale für aktuelle Musik". In der NZZ trifft Dorothea Walchshäusl den Geiger Daniel Hope, und redet mit ihm über dessen Tanzmusikprojekt "Hope". Besprochen werden ein Konzert der Künstlerin Meredith Monk im Münchner Haus der Kunst (SZ), ein Konzert des Techno-Punk-Duos "Brutalismus 3000" in der Berliner Columbiahalle (Tagespiegel) und ein von Ton Koopmann dirigiertes Programm mit Stücken von Bach, Mozart, Chopin und Rebel im Berliner Konzerthaus (Tagesspiegel).

Archiv: Musik