Magazinrundschau - Archiv

Die Weltwoche

110 Presseschau-Absätze - Seite 10 von 11

Magazinrundschau vom 24.01.2006 - Weltwoche

Der Schriftsteller James Hamilton-Paterson rekonstruiert eines seiner Treffen mit einer Reinkarnation Mozarts, diesmal in Gestalt eines nigerianischen Herzzspezialisten. "Verstehen Sie meine Verwunderung darüber, dass meine ehemaligen Landsleute donnernde Geschäfte machen mit einer Schokoladensorte namens Mozartkugeln? In meiner Heimat gibt es noch immer Stämme, wo man die Genitalien eines erschlagenen Feindes verzehrt, um sich dessen Kraft einzuverleiben. Offenbar haben die gerissenen Salzburger die alte Doktrin von der Transsubstantation aktualisiert... Ich weiß nicht mehr, sind Sie katholisch? Jedenfalls mampft tagtäglich irgendwo in Mitteleuropa jemand eines meiner Eier. Das kann einen schon nachdenklich stimmen."

Zum Thema Rassismus in der Schweiz kann Redakteur Bruno Ziauddin keine traumatischen Erlebnisse beisteuern. Allerdings ist er auch recht hart im Nehmen, wie diese Geschichte von drei Pöblern auf dem Filmfestival von Locarno nahe legt. "Jeder Einzelne von ihnen hätte für mich im Nahkampf eine erhebliche, um nicht zu sagen unüberwindbare Herausforderung dargestellt. Das war wohl der Grund, wieso es die anderen Gäste in der Toilette - sie sahen aus wie kultivierte Deutschschweizer, die jede Antirassismuspetition unterzeichnen - allesamt vorgezogen hatten, möglichst rasch zu ihrem Campari Soda zurückzukehren. Als die Kurzhaarigen und ich endlich ungestört waren, hielten mich zwei von ihnen fest, während mir der Kleinste, er hatte ein großes, rundes Gesicht, so glatt wie ein Kinderpopo, Schläge gegen die Brust versetzte und mich weiter auf Italienisch beschimpfte."

Magazinrundschau vom 17.01.2006 - Weltwoche

Thomas Buomberger hofft, dass das Kulturgütertransfergesetz (pdf) den Handel mit geraubter Kunst in der Schweiz austrocknen wird. Vor gar nicht allzu langer Zeit waren dort noch die größten Kunstschmuggler zu Hause. "Das Erdbeben in der Antiquitätenszene ausgelöst hat ein italienischer Antiquitätenhändler, der ebenfalls von der Schweiz aus operierte: Giacomo Medici. Die Justiz konfiszierte vor zehn Jahren im Genfer Freilager etwa 10.000 Kunstobjekte im Wert von 50 Millionen Franken; diese Objekte wurden mittlerweile 'als Beweismittel' von der Schweiz nach Italien spediert, wohl im Wissen, dass sich so elegant unerwünschte Ware von Schweizer Boden entfernen ließ. Zudem wurden bei Medici Tausende Polaroidfotos von Kunstwerken gefunden, die später teilweise in Museen in den USA und Europa identifiziert werden konnten. Medici, der von einem italienischen Gericht zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde, war der Größte im Geschäft, zu seinen Kunden gehörten die renommiertesten Auktionshäuser wie Sotheby?s, Sammler und Museen aus der ersten Liga." Buomberger sieht in den nächsten Jahren eine Welle von Prozessen auf die Museen zukommen.

Magazinrundschau vom 20.12.2005 - Weltwoche

"Machen wir es kurz. Gott sitzt in den Schläfenlappen." Durch Magnetfelder können religiöse Visionen hervorgerufen werden, berichtet Felix Hasler, und hat ein originelles Weihnachtsgeschenk gefunden. "Das Topmodell von Shakti Spiritual Technology kostet 220 Dollar, läuft unter Windows und benutzt die Soundkarte des Computers zur Erzeugung der Magnetfelder für die spirituelle Schläfenlappen-Massage. Soll gemäss Website 'Außerkörpererfahrungen, Klarträume, Telepathie und Glückszustände' bewirken und auch die Meditation vereinfachen. Wäre es nicht denkbar, dass die neue Technologie dereinst den Kern einer modernen Religion des 21. Jahrhunderts bilden könnte? Das ultimative Wir-Gefühl in der global vernetzten Kirchengemeinde durch kollektives Zappen der Schläfenlappen?"

Weitere Artikel: In einem Essay empfiehlt der Bildungsexperte Christian Aeberli den Schweizern, sich dem internationalen Wettbewerb der Hochschulen zu stellen. Nur im Print: ein Artikel über Wikipedia und einer über Roman Polanskis neuen Film "Oliver Twist".

Magazinrundschau vom 13.12.2005 - Weltwoche

Der Fitnesspapst Werner Kieser provoziert im Gespräch mit Simon Brunner und Michael Krobath die deutschen Gesundheitsbehörden. "Die Krankenkassen geben in Deutschland Jahr für Jahr vierzig Milliarden für den deutschen Rücken aus. Einem Krankenkassenvertreter sagte ich kürzlich, ich könnte diese Zahl locker auf vier Milliarden runterbringen, mit einer Vierminutenübung, die jeder Deutsche machen kann. Eine einzige Maschine genügt, unsere F3. Der Typ hat mich angeschaut, und ich dachte schon, der Groschen sei gefallen. 'Aber Herr Kieser', hat er schließlich geantwortet, 'sind Sie sich bewusst, wie viele Arbeitsplätze so vernichtet würden?' Und er hat natürlich Recht."

Weiteres: Der Schriftsteller James Hamilton-Paterson meldet sich in der Schweizer Kampfhund-Debatte zu Wort und erinnert an die wahren Schuldigen, die Halter.

Nur im Print: Lars Jensens Interview mit King-Kong-Regisseur Peter Jackson und Eugen Sorgs Reportage vom Mekong.

Magazinrundschau vom 06.12.2005 - Weltwoche

Mathias Plüss versucht im Gespräch mit dem Wiener Physik-Professor Anton Zeilinger herauszufinden, warum sich die Menschheit noch mindestens tausend Jahre in Geduld üben muss, bis das Beamen auch nur einer Kaffeetasse möglich sein wird. Zeilinger ist immerhin Weltmeister der Disziplin. "Letztes Jahr haben wir Lichtteilchen über eine Strecke von 600 Metern unter der Donau durchteleportiert - das ist zurzeit Weltrekord. Die theoretische Reichweite ist unendlich. Ich sage immer, wenn die Amerikaner ihre Mars-Mission wirklich starten, dann ist das Raumschiff 280 Tage unterwegs, und den Astronauten wird sicher furchtbar fad sein. Da könnten sie doch vielleicht zwischendurch ein paar Teleportationsexperimente machen, das wären dann hundert Millionen Kilometer oder so."

Das sind Reporterträume! Eugen Sorg ist den 4500 Kilometer langen Mekong hinabgereist. Im ersten Teil seiner verschwenderischen Reportage berichtet er aus Laos, wo er auf der Insel Don Khon auf einen entspannt fatalistischen Restaurantbesitzer trifft. "'Jedes Jahr werden vier bis fünf Menschen über die Fälle geschwemmt', sagt er, 'Laoten und Touristen. Es gibt tückische Unterströmungen, Wirbel und versteckte Höhlen. Für die Leute hier sind es Opfergaben. Letztes Jahr kam einer aus dem Norden, um Freunde zu besuchen. Plötzlich stand er auf vom Tisch, ging zu den Fällen und sprang über die Klippen. Der Geist hatte nach einem Opfer gerufen, sagten alle.'"

Außerdem stellen Christof Moser und Markus Schär fest, dass auch die Schweiz Probleme mit der Integration von Einwanderern hat.
Stichwörter: Integration, Mars, Weltwoche

Magazinrundschau vom 29.11.2005 - Weltwoche

In einem Wiener Sanatorium besucht David Signer die Schriftstellerin Ilse Aichinger, die sich dort wegen einer Schilddrüsenerkrankung aufhält, und führt ein langes Gespräch über die Vergeblichkeit des Reisens und die literarische Aufarbeitung einer recht gespenstischen Vergangenheit. "Etwa der Vater, der Büchernarr, der die Familie 'durch den Erwerb der fünften identischen Jean-Paul-Ausgabe' ruinierte, der überall, wo er war, Gläubiger zurückließ und schließlich 'vorsichtshalber, wegen seiner Bücherschulden, in die Nervenklinik gebracht' wurde. Eines Tages sagte ihm die Mutter in der Wohnung, in der man sich vor lauter Büchergestellen kaum mehr bewegen konnte: 'Entweder wir oder die Bücher'; und er entschied sich 'rasch, wenn auch nicht ohne Schmerz', für die Bücher."

In einem aus dem Express übernommenen Interview verteidigt der französische Innenminister Nicolas Sarkozy seine Politik der Härte in den Banlieues und schwört die Bürger auf eine lange Auseinandersetzung ein. "Die Polizei wird bleiben und den Drogenhandel ausrotten. Ein Drittel der mobilen Kräfte wird künftig nicht mehr zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verwendet, sondern auf Dauer in den Problemquartieren stationiert, um die Sicherheit zu garantieren. Die Polizei wird Verhaftungen vornehmen, Schutz bieten und strafen. Sie wird um 17 Uhr anrücken und um 4 Uhr morgens wieder in die Kasernen gehen, denn in dieser Zeit sind die Ganoven aktiv, die dealen und Autos stehlen. So sieht Prävention aus."

Weitere Artikel: Andreas Furler taucht ganz tief ein in ein 13-pfündiges Werkbilderbuch über Stanley Kubrick. Und der Biologe Frans de Waal empfiehlt uns - leider nur im Print - von den Affen zu lernen, wenn wir in der modernen Welt überleben wollen.

Magazinrundschau vom 22.11.2005 - Weltwoche

Alain Zucker bestimmt mit Hilfe neuer Veröffentlichungen zum Thema die derzeitige und zukünftige Rolle von Google. Der Erfolg der Firma, die in den ersten neun Monaten dieses Jahres 4,2 Milliarden Dollar eingenommen hat, basiere vor allem auf der personalisierten Werbung über Schlüsselwörter. "Die Wirkung von Werbung wird erstmals bis zum letzten Klick messbar. Das schlägt sich auch im differenzierten Preis der Schlüsselwörter nieder. Wer 'Digitalkameras' eingibt, hat eher die Absicht zu kaufen als einer, der den Singular benutzt. Für den Plural zahlt man deshalb dreißig Cent pro Klick mehr. Eine andere Erkenntnis liefert der Preis für einen der momentan teuersten Schlüsselbegriffe, 'Mesothelioma', der bis zu über dreißig Dollar pro Klick kostet. Das liegt an den hohen Geboten der Anwälte, die für ihre Sammelklagen nach Fällen dieses Krebses suchen, der durch Asbest verursacht wird."

Walter De Gregorio erfährt vom altgedienten italienischen Pornodarsteller und Produzenten Rocco Siffredi (Wikipedia), dass er gerade bei seinen Ausflügen ins seriöse Geschäft moralische Verkommenheit erlebt hat, etwa bei der Schauspielerin Amira Casar, mit der er Catherine Breillats "Anatomie de l'enfer" drehte. "'Du weißt', sagte Amira zu mir, 'ich habe mit Gwyneth Paltrow gedreht. Hollywood, tu comprends? Hollywood.' - 'Dann lass dich doch in Hollywood in den Arsch ficken, blöde Ziege.' Sie redete mit mir, als sei ich bescheuert. Würde Vincent Cassel (mehr) sie durchbumsen, wäre das 'art'. Mache ich das, ist es Porno. Diese Verlogenheit ist zum Kotzen."

Magazinrundschau vom 15.11.2005 - Weltwoche

Hat die Revolte in Frankreich mit dem Islam zu tun? Ach, wenn es doch so wäre, seufzt Daniel Binswanger, der sich vor Ort umgesehen hat. "Man würde sich schon beinahe wünschen, dass es sich um eine politische Insurrektion handelte, dass islamistische, autonome oder sonstige Anführer im Hintergrund die Fäden zögen. Man wünschte sich, dass hinter dem Feuertaumel eine politische Bewegung stünde und dass man mit 'Verständnis' und einer politischen Strategie den Unruhen adäquat begegnen könnte. Aber da ist nichts als ein monströses Symptom der sozialen und psychologischen Verwüstung, das Anwachsen von Zonen der Anarchie. ... Der französische Etatismus kommt in der Banlieue an eine seltsame sozialpsychologische Grenze. Obwohl der Staat als das absolut Böse - der bewaffnete Arm der Reichen, Weißen, Bevorzugten - betrachtet wird, bleibt er der alleinige Erlöser. Man ist grenzenlos feindselig und trotzdem voller Erwartungen. Man zündet das Rathaus an, aber man will mehr Subventionen. Man findet gut, dass die Polizeistation angegriffen wird, aber man klagt, dass es zu wenig Polizeibeamte gibt. Man fackelt die Turnhalle ab, in welcher der eigene Sportklub trainiert. Erschreckend weite Teile der Bevölkerung haben sich im mentalen Getto des Opferdiskurses eingesperrt. Am Ende steht nichts als infantile Selbstzerstörung."

Albert Kuhn führt mit dem slowenischen Philosophen Slavoj Zizek (Veröffentlichungen) ein kunterbuntes Interview über Ideologien im Alltag, Lacan in Ljubljana und die totale Freiheit im Kommunismus. "Wenn ich nach dem höchsten Grad intellektueller Freiheit suche, dann waren das die letzten Jahre des Kommunismus. Die Machthaber wussten, dass ihre Zeit um war. Also versuchten sie verzweifelt, nett zu sein zu allem und jedem. Plötzlich wurden Homosexuelle nicht nur toleriert, die Regierung sandte sogar Delegationen, die den Schwulenorganisationen ihre Unterstützung versprachen, ihre Publikationen finanzierten usw. Oder - lächerliches Beispiel - die Pornografie: Plötzlich war sie erlaubt. Und zwar ohne all die Regulationen, die in Westeuropa bestanden. Von null auf hundert."

Magazinrundschau vom 08.11.2005 - Weltwoche

Markus Schneider stellt die Visionen der Raumplaner für die Schweiz der Zukunft vor. Es geht um die Porta Alpina bei Sedrun und ein Loch, dass die vier Städtebau-Professoren Diener, Herzog, Meili und de Meuron in der Mitte des Landes entdeckt haben. "Dieses 'Loch' nannten sie 'alpine Brachen', die, schaut man genau hin, eigentlich auf eine einzige Brache hinauslaufen, die riesengroß ist und sich vom 'geografischen und mythologischen Zentrum rund um den Gotthard' in alle vier Himmelsrichtungen ausbreitet. Wörtlich handelt es sich hier um 'Zonen des Niedergangs und der langsamen Auszehrung. Ihr gemeinsames Merkmal ist eine anhaltende Abwanderung.'"

Franziska K. Müller beschreibt die heftigen Reaktionen auf das Buch der New Yorker Schickse und Vogue-Redakteurin Kristina Grish: "Boy Vey! The Shiksa?s Guide to Dating Jewish Men".
Stichwörter: Städtebau, Vogue, Weltwoche

Magazinrundschau vom 01.11.2005 - Weltwoche

Theres Lüthi erfährt in einem ausführlichen und amüsanten Interview mit dem Genetiker und Buchautor Steve Jones, dass amerikanische Frauen gefährlicher sind als japanische Männer, Testosteron den Körper schwächt und die Evolution zumindest in Europa beendet ist. "Eigentlich hat sich der Homo sapiens seit 10000 Jahren kaum mehr verändert. Der Mensch ist ein außerordentlich langweiliger Primat. Die Isländer und die Aborigines von Australien unterscheiden sich genetisch gesehen weniger als zwei Gruppen von Schimpansen, die nur vierzig Kilometer voneinander entfernt leben. Wir Menschen sind irgendwann einmal aufgetaucht und seither eigentlich immer gleich geblieben. Abgesehen davon, dass wir weiß geworden sind."