Magazinrundschau - Archiv

The New Inquiry

6 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 18.08.2015 - New Inquiry

Offenbar sind die Reflexionen über Identität und Hautfarbe um einiges komplexer als die Diskussionen um Identität und Geschlecht, wie die Debatte um Rachel Dolezal zeigte. Inzwischen beschäftigen sich neue Artikel mit dem Thema: Ta-Nehisi Coates" Brief an seinen Sohn in The Atlantic oder der Publizist Yahdon Israel, der hier am Beispiel seiner eigenen Familie die komplizierten Beziehungen der Afroamerikaner zu Afrikanern beschreibt und erklärt, warum das Wort "Nigga" niemals eine positiv oder neutrale Bedeutung gewinnen kann (im Gegensatz etwa zu "Schwuler"): "Indem ich beobachtete, wie Schwarze dieses Wort benutzten, lernte ich den Unterschied zwischen der Nigger der Welt sein und sein eigener Nigger sein. ... Niemand, der dieses Wort benutzte, konnte etwas über einen anderen sagen, das er nicht über sich selbst sagen würde. Das verstand ich immer besser, je öfter ich das Wort benutzte. ... Ton, Tenor und Tempo der Gespräche zeigte, dass es nie um andere Leute ging; es ging wirklich um einen Selbst. Das Wort verschmolz derart mit meiner Persönlichkeit, dass ich es kaum noch wahrnahm. Was mir auffiel, war seine sogenannte Abwesenheit. Diese "Abwesenheit" zeigte sich immer, wenn ich mit weißen Jugendlichen zusammen war, die das Wort nicht nur benutzen, sondern dafür auch noch meine Erlaubnis dafür wollten. Ich hatte bis dahin geglaubt, Nigga sei jeder. Deshalb bedeutete die Tatsache, dass ich um Erlaubnis gefragt wurde, dass nur einige Leute es waren, andere nicht. Das war aufschlussreich."

Magazinrundschau vom 02.09.2014 - New Inquiry

Schon lange entscheidet nicht mehr allein der US-Markt über das Wohl und Wehe von Filmbilanzen: Der chinesische Kinomarkt boomt wie kein zweiter, weshalb Hollywood seine Filme schon seit einiger Zeit gezielt auch für diesen Markt attraktiv lanciert. Das heißt nicht nur, dass mit einem Mal chinesische Superstars als Köder in Nebenrollen besetzt werden, sondern dass auch Flops auf dem US-Markt nach dem chinesischen Einspiel doch noch in Serie gehen, wie Shawn Wen in New Inquiry erklärt: "Nichts bringt die Kraft des chinesischen Einspiels so treffend auf den Punkt wie das grüne Licht für "Pacific Rim 2", den Universal Ende Juni angekündigt hat. Folgt man den traditionellen Standards, handelte es sich bei "Pacific Rim" um einen der Flops des vergangenen Jahres (...) Doch dann kam der Film in China ins Kino. ... Am Ende spielte er weltweit 411 Millionen Dollar ein, davon 111 Millionen alleine in China. Ohne dieses globale Einspielergebnis hätten die Investoren Geld verloren. Doch mit der Ankündigung eines zweiten Teils hat sich das chinesische Publikum als mächtig genug erwiesen, um die Produktion eines Sequels von einem amerikanischen Studio einzufordern."
Stichwörter: Blockbuster, China, Film, Hollywood, Sequel

Magazinrundschau vom 17.09.2013 - New Inquiry

Einer der wenigen Techno-Intellektuellen, die Henry Farrell wirklich interessant findet, ist der hierzulande kaum bekannte Chemiker und Software-Ingenieur Tom Slee. Im New Inquiry hat er vor zwei Monaten einen Text veröffentlicht, der Geschäftsmodelle wie das im New Yorker beschriebene Bustle.com auseinander nimmt. Es geht um "open commens", um Webseiten, auf denen die User selbst den Inhalt zusammentragen, wie die Buchkritiken bei Goodreads (jetzt Amazon), die Filmkritiken bei IMDB (jetzt ebenfalls Amazon) oder die Reiseseite Couchsurfing. Letztere ist eine Seite, auf der junge Reisende sich austauschen und gegenseitig Unterkunft anbieten. Sogar der Code wurde von den Usern erstellt. Doch als der Eigentümer 7,6 Millionen Dollar Risikokapital aufnahm, fühlten sich die User entfremdet, die Community schrumpfte. "Vergleichen Sie Couchsurfing mit Hostelling International, einem ehrwürdigen Netzwerk aus internationalen Jugendhostelorganisationen, das immer gemeinnützig geblieben ist. Über 100 Jahre alt und immer noch stark, 'stellt es inzwischen 35 Millionen Übernachtungen in über 4.000 Hostels in über 800 Ländern bereit'. Einige Menschen ernähren sich durch die Arbeit für die Hostels, aber das ist Lichtjahre entfernt von einer Injektion von Millionen von Dollar Risikokapital."
Stichwörter: Amazon, Techno

Magazinrundschau vom 19.02.2013 - New Inquiry

Es ist schon seltsam, meint Adrien Chen, der einige gute Freunde im Internet kennengelernt hat, wie anrüchig diese Art von Freundschaften heute erscheint. Wer will schon Fremde kennenlernen? Die kennt man doch gar nicht! Das können nur Perverse oder "Ersatzfreunde" sein. Facebook wollte dieses Problem lösen, indem es seinen Nutzern Austausch nur im vertrauten Kreise erlaubt. Aber das ist gerade nicht der Sinn des Internets, meint Chen. "Der Computerwissenschaftler J.C.R. Licklider sagte 1968 zusammen mit Robert W. Taylor in einem Papier das Internet voraus: 'Der Computer als Kommunikationsmittel'. Er stellte sich für die Zukunft vor, dass Kommunikation in einem Netzwerk von lose verknüpften 'interaktiven online-Communities' stattfinden würde. Aber er sagte auch voraus, dass 'das Leben des Online-Individuums glücklicher sein würde, weil es diejenigen, mit denen es kommuniziert, viel stärker wegen gemeinsamer Interessen und Ziele aussuchen würde und nicht durch Zufall oder Nähe.' Die Möglichkeit, sich online mit denen zu verbinden, die man besonders anregend findet, würde zu echteren Banden führen als in Beziehungen in der realen Welt, die durch Nachbarschaft und soziale Klasse vorherbestimmt sind."
Stichwörter: Online-Communities

Magazinrundschau vom 09.10.2012 - New Inquiry

Es wird mehr fotografiert als je zuvor: ein Zehntel aller existierenden Fotos wurde in den vergangenen 12 Monaten aufgenommen, berichtet der Schriftsteller und Kunsthistoriker Teju Cole. Die meisten dieser Bilder sehen gleich aus - und nicht besonders gut -, aber einigen wenigen Fotografen gelingt es, mit den Mitteln von iPhone und Instagram große Kunst zu erschaffen. Besonders die Arbeiten des russischen Fotografen Gueorgui Pinkhassov haben es Cole angetan: "Eines der Vergnügen beim Betrachten von Pinkhassovs Fotos ist dieser ständige 'Moment, was ist das?'-Effekt, selbst wenn man sie schon fünf- oder zehnmal angesehen hat. Ich liebe die Bilder, die kaum da sind, die sich ihrer Bestimmung entziehen (meist durch Fragmentierung und eigenwillige Verschränkung von Vorder- und Hintergrund). Und ich liebe das Geheimnis, warum mich diese Fotos berühren, obwohl sie sehr wenig Journalismus und kaum ein Narrativ enthalten. Stattdessen gibt es Emotionen, die nicht falsch oder aufgesetzt wirken."

Magazinrundschau vom 31.05.2011 - New Inquiry

Was Snoop Dogg angeht, würde Malcolm Harris auf den Vorwurf von Sharon Cooper antworten: Warum wird Schriftstellern zugestanden, dass ihre Hauptpersonen literarische Erfindungen sind und nicht Spiegelbilder des Autors, Rappern wie dem Kollektiv "Odd Future Wolf Gang Kill Them All" dagegen nicht? "Der Roman der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek über Teenager im Nachkriegsösterreich, 'Die Ausgesperrten', liest sich genau wie ein Wolf Gang Song, aber niemand behauptet, sie teile die Pathologien ihrer Charaktere. In ihrem kargen Stil erzählt Jelinek die Geschichte von Rainer, einem unsicheren, aber schlauen Jugendlichen, und seinen drei Freunden, die Fremde verprügeln und ausrauben und von einer kranken, ererbten sexuellen Logik gequält werden ('Es soll weh tun, denn gut ist die Perversion, nicht was alle anderen machen.') Am Ende des Romans schlachtet Rainer seine Familie mit einer Axt und einem Gewehr ab. Es gibt bei Jelinek so wenig Erlösung wie bei Wolf Gang und auch nicht weniger Gewalt. An bestimmten Stellen kann der Leser zwischen den Autoren hin- und her switchen ohne es groß zu bemerken: 'Ich zeige dir, wo du Gott finden kannst, nicht im Himmel, nein, in mir, ich ramm es dir rein, bis es dir aus dem Mund wieder rauskommt.' Jeder Highschool-Student, der eine Kurzgeschichte mit dieser Zeile präsentieren würde, würde sich sehr schnell beim Therapeuten wiederfinden."
Stichwörter: Jelinek, Elfriede, Pathologie