Giuliano da Empoli

Der Magier im Kreml

Roman
Cover: Der Magier im Kreml
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406799938
Gebunden, 265 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Michaela Meßner. Man nennt ihn den "Magier im Kreml". Der rätselhafte Vadim Baranow war Regisseur und Produzent von Reality-TV-Shows, bevor er zur grauen Eminenz von Putin wird. Nachdem er als politischer Berater von der Bühne verschwindet, werden immer mehr Legenden über ihn verbreitet. Bis er eines Nachts dem Ich-Erzähler dieses Buches, der seit Langem in Moskauer Archiven forscht, seine Geschichte anvertraut …Dieser Roman führt uns ins Zentrum der russischen Macht, wo permanent Intrigen gesponnen werden. Und wo Vadim, der zum wichtigsten Spindoktor des Regimes geworden ist, ein ganzes Land in ein politisches Theater verwandelt, in dem es keine andere Realität als die Erfüllung der Wünsche des Präsidenten gibt. Doch Vadim ist kein gewöhnlicher Ehrgeizling: Der Regisseur, der sich unter die Wölfe verirrt hat, gerät immer tiefer in die Machenschaften des Systems, das er selbst mit aufgebaut hat, und wird alles daransetzen, um dort wieder herauszukommen. Er nimmt den Erzähler mit auf eine Reise ins Herz der Finsternis. "Der Magier im Kreml" ist ein Roman über das zeitgenössische Russland und die Entstehung seiner medial inszenierten und vollkommen fiktiven, aber auch tödlichen Realität, einem Imperium der Lüge.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.08.2023

Sogar Jewgeni Prigoschins Tod hat Giuliano da Empoli vorhergesehen, schreibt Rezensent Michael Hesse verdutzt. Dabei hatte der Autor, so Hesse, seinen meisterlichen Roman über die Machtdynamiken der Putin-Herrschaft bereits vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Frühjahr 2022 verfasst. Im Zentrum steht der Weg Putins an die Spitze des Landes nach den als demütigend empfundenen Jelzin-Jahren. Als eine Schlüsselfigur des aus der Perspektive eines Literaturwissenschaftlers erzählten Buches zeichnet da Empoli, lernen wir, eine fiktionalisierte Version des Putin-Beraters Wladislaw Surkow - der sich seinem Meister freilich letztendlich ebenfalls nicht gewachsen zeigt. Prigoschin selbst hat seinen Auftritt gegen Ende des Buches und legt, wie Hesse nachzeichnet, monologisierend seine Lebensphilosophie dar, die schließlich, jenseits dieses Romans, zu der für ihn fatalen Entscheidung führen wird, gegen Putin und damit den Kreml aufzubegehren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.08.2023

Eher von Sensations- als von literarischem Wert ist Giuliano da Empolis Roman über einen russischen Politikberater für den Rezensenten Niklas Bender: Gut verkauft hat er sich, räumt er ein, den Prix Goncourt aber knapp nicht gewonnen, er fragt sich nun, was dahintersteckt. Der Roman führt über einen Literaturwissenschaftler, der ein Interview führen will, hin zu Wadim Baranow, dessen reales Vorbild Wladislaw Surkow ist, ein langjähriger Berater Putins, der wie viele andere entscheidende politische Figuren unter Klarnamen auftritt. Es geht viel um Machtspiele, um die Nähe zum mächtigsten Mann im Staat, der mit einer Geste Entscheidungen für Angriffskriege fällen kann - das liest sich für Bender auch deshalb mitreißend, weil Da Empoli hier aus eigener Erfahrung schreiben kann, er war selbst lange Berater. Diese politischen Episoden werden für den Kritiker aber etwas zu sehr nur aneinandergereiht, wirkliche Erzählkunst mag er nicht so recht finden, auch sind ihm manche Charaktere zu stereotyp gezeichnet. Unterhalten hat ihn das Buch aber trotzdem, schließt er.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.03.2023

Rezensent Nils Minkmar sieht in Giuliano da Empolis Putin-Roman nicht weniger als den Schlüssel zum Verständnis unserer Gegenwart und des Angriffskriegs auf die Ukraine. Denn in Form eines nächtlichen Gesprächs, zu dem ein französischer Literaturwissenschaftler überraschend vom ehemaligen Putin-Berater Wadim Baranow (vermutlich angelehnt an den echten russischen Regierungsberater Wladislaw Surkow, so Minkmar) eingeladen wird, erfahre der Leser mit dem Protagonisten allerlei Aufschlussreiches über die Aktivität des Kremls und Putins seit dem Mauerfall: So geht es um die zunehmende Macht der Medien, um die Unterschätzung des "grauen Funktionärs" Putin, und schließlich: um die gezielte Anstachelung verschiedenster Gruppen, um bewusst ein Chaos zu inszenieren, gegen das Putins "patriarchalisches" Modell gut aussah, wie Minkmar entsetzt zusammenfasst. Wie "klug" der Roman so Licht ins dunkle Russland-Rätsel bringe, spannend, aber ohne ins Verschwörungstheoretische abzudriften, imponiert dem Kritiker - "besser als jede Talkshow und viele Sachbücher" zum Thema, lobt er.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 04.03.2023

Eine große Faszination scheint für Giuliano da Empoli von Putins Politikberater Wladislaw Surkow auszugehen, konstatiert Rezensent Wolf Lepenies, stellt er ihn doch unter dem Namen Wadim Baranow in das Zentrum seines Romans um Putin und sein Gewaltregime. Die Personen und Ereignisse, die Empoli entwirft, sind echt, versichert Lepenies, nur die Dialoge sind fabuliert für diese "Fiktion der Wirklichkeit." Bei seiner eigenen Recherche erfährt der Kritiker sogar, dass Korruption, Kriminalität und Brutalität in Wirklichkeit noch schlimmer sind als im Buch. Der Aufstieg Putins vom Geheimdienstler bis zum ersten Mann im Staat wird hier flüssig und fesselnd erzählt, in Frankreich zurecht schon ein Bestseller, meint Lepenies.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.02.2023

Rezensent Ronald Düker wird von Giuliano da Empoli im ehrwürdigen Gallimard-Verlagsgebäude empfangen, um mit dem Politologen, Sachbuchautor, Thinktank-Gründer und Berater des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi über dessen in Frankreich gefeierten Roman "Der Magier im Kreml" zu sprechen. Jener Magier, das ist Wladislaw Surkow, russischer Schriftsteller und Theatermann, vor allem aber bis 2020 Berater von Wladimir Putin, von einigen auch als "Putins Rasputin" oder "Architekt des Putinismus" bezeichnet, klärt uns der Kritiker auf. Surkow soll über Jahrzehnte hinweg als Strippenzieher im Kreml agiert haben, baute Putins Partei ebenso wie die Oppositionsparteien mit auf, um diese als "nützliche Idioten" zu installieren, erfahren wir. Im Februar 2020 wurde er von Putin gefeuert, derzeit ist er spurlos verschwunden. Stoff genug für ein spannendes Sachbuch, meint der Kritiker. Warum schrieb Empoli, der sich auch als Experte für Populimus und Propaganda einen Namen machte, dann einen Roman? Um Surkow in den Kopf zu schauen, ihm literarisch näher zu rücken, verrät der Autor dem Kritiker - und der hat nichts einzuwenden: Denn herausgekommen ist hervorragend erzählter "Pageturner" mit einem so abgründigen wie lebendigen Helden, aber auch reich an Sachkenntnis, versichert Düker. Und wie Surkow durch Propaganda, Falschmeldungen und Chaos die russische Postmoderne schuf, erfährt der Kritiker hier auch.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 17.02.2023

Rezensent Dirk Fuhrig empfiehlt Giuliano da Empolis Roman über Strukturen, Ideologie, Macht und Masse im Kreml. Mit einer etwas dürftigen Rahmenhandlung, in der sich eine Insiderfigur seine Kenntnisse über den Moskauer Machtapparat von der Seele redet, wie Fuhrig einräumt, entwirft der Autor eine Art Psychogramm Putins und damit einen Kommentar zur aktuellen Weltlage. Ironisch und leicht entfaltet sich die Politparabel laut Fuhrig und wirkt nur manchmal wie eine Kompilation politischer Analysen zum System Putin.