Magazinrundschau - Archiv

Elet es Irodalom

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Magazinrundschau vom 22.02.2022 - Elet es Irodalom

Der in Siebenbürgen lebende Dichter László Szűcs berichtet in Élet és Irodalom über die kollektive Kündigung der Redaktion des transsilvanisch-ungarischen Onlineportals Transindex, nachdem die Eigentümerin, die RMDSZ - eine Partei der ungarischen Minderheit in Rumänien und Verbündete bzw. Satellitenorganisation der ungarischen Regierungspartei Fidesz - wohl aufgrund der ritischen Berichterstattung die Einstellung des Portals in Aussicht gestellt haben soll. Damit verhielt sich die Redaktion von Transindex ähnlich wie zuvor Index bei ihrer anstehenden Veräußerung. Die Redaktion von Index gründete damals unter dem Namen Telex ein neues Online-Portal, die Redaktion von Transindex will nun unter dem Namen Transtelex weitermachen und mit Telex aus Ungarn kooperieren. "Die gemeinsame Kündigung kam unterwartet und wurde damit begründete, dass die Arbeit bei Transindex gänzlich unmöglich geworden sei und die Redaktion die Aufgabe, welche Voraussetzung für jede freie Presse wäre, nicht mehr ausüben könne. Den auslösenden Impuls für den Abschied sieht die Redaktion darin, dass sich der Mehrheitseigentümer für den Verkauf der Zeitung entschied (...) und sie mit der kollektiven Kündigung der Veräußerung auf dem politischen Markt zuvorkommen wollte, aber auch einer etwaigen Auflösung, wie dies zuvor mit anderen Organen passierte."

Magazinrundschau vom 15.02.2022 - Elet es Irodalom

Im Interview mit Andrea Lovász spricht der Dichter, Schriftsteller, Redakteur und Publizist Dénes Krusovszky u.a. über die Rolle der Schriftsteller in der Öffentlichkeit: "Ich betrachte mich in erster Linie als Dichter und Schriftsteller, wobei ich das öffentliche Schreiben oder das Schreiben über öffentliche Themen nicht streng getrennt von der Belletristik betrachte. In der ungarischen Literatur ist es Tradition, dass Autoren gleichzeitig Schriftsteller und öffentliche Intellektuellen sind, womit ich mich recht gut identifizieren kann. ... Es gibt Autoren, die ihre Bücher publizieren, doch die Kritik nicht mehr lesen, der Kontext des ganzen interessiert sie überhaupt nicht. Unter Kontext verstehe ich hier ganz banal ein Land oder die ungarische Gesellschaft. Ich sehe mich nicht als Ausnahme und bin genauso Teil der Suppe wie ein Ingenieur oder ein Sozialarbeiter. Meine Instrumente, aber auch meine Möglichkeiten, sind vielleicht andere und ich möchte diese Instrumente soweit wie möglich verantwortungsvoll und konsequent nutzen. So gesehen hängt es auch von mir ab, in was für einem Land meine Kinder leben werden und man sollte das nicht bagatellisieren, andererseits sollte man sich die Rolle des Schriftstellers auch nicht dogmatisch vorstellen."

Magazinrundschau vom 25.01.2022 - Elet es Irodalom

Der Ökonom István Csillag nimmt mit einem Aufsatz an der seit längerer Zeit anhaltenden Debatte teil, wie nach einem eventuellen Sieg der vereinten Opposition bei den kommenden Parlamentswahlen (am 3. April), das System Orbans durch eine neue Verfassung abgelöst werden kann. "Die Wiederherstellung der rechtstaatlichen Verfassung darf kein 'kaukasischer Kreidenkreis' sein, die Opposition darf der autoritären Orbán-Regierung nicht nacheifern und wie Orban das Land entzweien. Sie kann selbst dann den für die neue Verfassungsgebung benötigten Frieden nicht garantieren, wenn sie eine Zweidrittelmehrheit erlangt. Mit dem Sieg der Opposition ist lediglich das Erlangen der Regierungswerkzeuge und die Neutralisierung des Orbán-Systems möglich, was allerdings nicht konfliktfrei sein wird. Man kann nicht davon ausgehen, dass der Lautsprecher die nächste Haltestelle ansagt, wo dann die Fahnenträger des Orbán-Systems aussteigen und die bisher Unterdrückten einsteigen."

Magazinrundschau vom 04.01.2022 - Elet es Irodalom

Péter Nádas spricht im Interview mit Csaba Károlyi und anderen über gelungenes Erzählen von sich selbst: "Ob jemand Glaube hat oder nicht, ist ebenso persönlich wie die Frage, wie und mit wem er Liebe macht. Das ist ihm und jener Person überlassen, mit der er sich vereint. Spiritualität ist lediglich in eine Richtung offen, ansonsten ist sie geschlossen, darum bezeichnen wir sie als intim. Ohne Gott kann das Bekenntnis nicht abgelegt werden. Ich sage nicht, dass der andere Glaube haben soll, doch wenn er keinen hat, dann gibt es keinen Vermittler. Wenn es keinen Vermittler gibt, dann gibt es nichts aus der Spiritualität zu vermitteln. Es gibt kein Medium. Dann bleibt nur das Individuum, ich erklimpere, wie ich morgens aufstehe, wie ich den Kaffee koche und jetzt erzähle ich es euch, meine Lieben, die ich euch ja nicht kenne, ansonsten scheiße ich auf euch, ihr interessiert mich nicht, sondern nur ich - und das wäre die individuelle Erzählung. Aber so interessiert es mich nicht. Mich interessiert meine eigene Person lediglich als Beispielsammlung. Ich bin mir die nächstgelegene Beispielsammlung. Ich kann sie jederzeit aufschlagen wie ein Lexikon. In der Beispielsammlung sehe ich nicht nur mich selbst. Mein Ich-Inhalt ist sehr klein, aber das habe ich bereits anderswo erzählt."
Stichwörter: Nadas, Peter

Magazinrundschau vom 14.12.2021 - Elet es Irodalom

Nach Ansicht des Verfassungsrechtler Dániel Deák wird eine Veränderung nach den Wahlen weder legal noch legitim sein, wenn die eventuell erfolgreiche, jedoch nur über eine einfache Mehrheit verfügende demokratische Opposition eine neue Ordnung einführen möchte, dies aber ohne Einhaltung der von der alten Ordnung geltenden Regeln. Deáks Aufsatz ist der nächste Beitrag in der seit Wochen geführten Debatte, ob die Opposition im Falle eines Sieges bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr die drohende Unregierbarkeit des Landes durch einfache Gesetzgebung - und damit durch Missachtung des gegenwärtigen, durch die aktuelle Regierung veränderten Grundgesetzes - abwenden dürfe. "In den oppositionellen Debatten über das Anstehende, wird oft das Argument laut, dass die durch eine einfache Mehrheit an die Macht gekommene Opposition aus einer Situation der juristischen Falle nur dann entkommen kann, wenn sie auf das juristische Problem eine politische Antwort gibt. Doch ein Einschreiten mit politischen Mitteln wäre die Verletzung all dessen, was wir unter konsolidierten Umständen vom Recht denken können. (…) Die Opposition kann auch ohne Zweidrittel-Mehrheit einiges tun und dabei die Sympathie des demokratischen In- und Auslands hinter sich wissen. (…) Das aktuell gültige Grundgesetz hat in den wenigsten Fällen kategorische Verordnungen. Die akademische Freiheit oder die Autonomie der Universitäten werden ja nicht verboten, nur werden sie nicht verfassungsrechtlich geschützt; doch jene Freiheiten können durch die geeigneten Bürger ausgeübt, die Autonomie kann ebenfalls hergestellt werden. Das Hochschulgesetz beispielsweise kann freilich mit einfacher Mehrheit verändert werden."

Magazinrundschau vom 30.11.2021 - Elet es Irodalom

Seit mehreren Wochen diskutiert die ungarische Opposition, wie sie überhaupt das Land regieren könnte, da Viktor Orban und seine Fidesz-Partei mit einem Grundgesetz dafür gesorgt haben, dass etliche Gesetze, aber auch die personelle Zusammensetzung von Behörden und Institutionen nur mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden können. Was könnte eine künftige Mehrheit tun: Es bei der Eliminierung einzelne Paragraphen belassen oder das gesamte Grundgesetz aufheben? Der Jurist und Ökonom Péter Róna argumentiert, dass das aktuelle Grundgesetz weder historisch noch rechtlich eine Verfassung darstellt, und schreibt: "Es könnte sein, dass der Neoabsolutismus von Viktor Orbán eine Antwort auf die Modernisierungskrise der ungarischen Gesellschaft war wie die absolutistischen Monarchien eine Antwort auf den westeuropäischen Feudalismus waren. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied: Während die absolutistischen Herrscher die Autonomie der Zivilgesellschaft, die auf Regeln aufbauende Bürokratie, die Entwicklung der Technologien und die gesellschaftliche Mobilität vorantrieben (noblesse de robe), betrachtet Orbán die Aufhebung der Zivilgesellschaft, die Zerschlagung der öffentlichen Verwaltung und das Einfrieren der gesellschaftlichen Mobilität als seine Mission, also in ihrer Gänze den Aufbau einer Machtkonstruktion östlichen Typs, bei der die übertriebene Idee der nationalen Souveränität den gesellschaftlichen Fortschritt verhindert. Die Überwindung dieser Konstruktion ist der bevorstehende politische und historische Spieleinsatz. Die große Frage ist somit, ob die ungarische Gesellschaft soweit ist, dass sie eine vertragliche Einrichtung gegenüber der Macht einfordert, ob sie überhaupt eine ehrliche Verfassung will, oder ob sie ihre eigene Tilgung aus der Kontrolle der Macht akzeptiert. Wenn sie bereit ist, dann wird es den Vertrag in Form einer neuen Verfassung geben. Wenn nicht, dann ist alles gleich."

Magazinrundschau vom 23.11.2021 - Elet es Irodalom

Der junge Politologe Ábris Béndek plädiert für ein Nachdenken über und eine Erneuerung des Westens: "Alles scheint solange irrational, solange es entgegen der durch jahrelange, manchmal jahrzehntelange Arbeit niedergelegten gedanklichen Paradigmen steht. Die Idee des 'liberalen Westens' ist jedoch genauso ein Paradigma - ein narrativer Rahmen, der die Außenwelt als irrational und unwahrscheinlich erscheinen lässt. Die politische Aristokratie, die Europa zwischen den zwei Weltkriegen entgleisen ließ, verlor mit ihrem statischen Vertrauen auf alte liberale Instinkte den Frieden. Jener Elite, die ihre Entscheidungen auf die am 'Ende der Geschichte' entstehende Einheit von Geopolitik und Globalisierung baute, gibt der verlorene Krieg in Afghanistan vielleicht eine neue Gelegenheit, ihre Denkweise neu zu gestalten. Es gibt keine Garantien im Hinblick auf die 'westliche Welt'. Wie auch nichts garantiert wird in Verbindung mit dem liberalen Westen. (…) Vielleicht haben wir es nicht eindringlich erkannt, welche ungeheuerliche Formen der Gesellschaftsorganisation im Zuge großer Veränderungen ermöglicht werden können und wie schwach wir ihnen gegenüber sind ohne eine Verpflichtung zum Pluralismus und den ihn ermöglichenden Institutionen."

Magazinrundschau vom 16.11.2021 - Elet es Irodalom

Der Philosoph Mihály Szilágyi-Gál reagiert auf die Wörter des Ministerialkommissars für Kultur (Direktor des Literaturmuseums und Beauftragter für ungarische Popmusik) Szilárd Demeter, der in einem vor kurzem veröffentlichten Interview u.a. feststellte, dass achtzig Prozent der ungarischen Literatur entsorgt werden könne, dass der Schriftsteller Lajos Parti Nagy "Scheiße" schreibe und dass er, Demeter, Theater in Gänze hasse (mehr dazu auf Englisch hier). "Der Staat selbst ist ebenfalls Darsteller, denn durch seine Institutionen, seine Symbole, seine Feiertage, seine Denkmäler im öffentlichen Raum 'spricht' er - zeigt ein Gesicht, eine kollektive Idee von Selbstbestimmung. Repräsentanten des Staates können Denkmäler bekränzen, sich an nationale Helden, an gewonnene oder verlorene Kriege erinnern. Doch der öffentliche Vortrag des Staates darf niemals der private Vortrag des staatlichen Repräsentanten sein. (…) Dass einer unserer anerkanntesten Schriftsteller 'Scheißstücke schreibt', oder dass achtzig Prozent der ungarischen Literatur in die 'Mülltonne gehören', sind Sätze, die ein Mensch nicht einmal in einer Kneipe sagt. Für einen Kulturpolitiker sind sie tabu. Aber auch ansonsten, denn wo bleibt hier das überlegte Urteil, der Gedanke, die analytische Bewertung?"

Magazinrundschau vom 02.11.2021 - Elet es Irodalom

Der Literaturhistoriker István Margócsy würdigt den Lyriker István Kemény, der seinen sechzigsten Geburtstag feiert: "Der junge (und spätere) Kemény fragt radikal nach der eigenen Subjektivität und der Legitimität des Sprechers, er spricht im Singular der ersten Person und aus dieser Position stellt er seine Fragen, skizziert seine Träume und malt seine Wunder. (…) Kemény schuf den Übergang von  der ironischen Sprache der Neoavantgarde zur melancholisch satirischen Lyriksprache der Postmoderne - und es ist kein Zufall, dass die Dichter und Dichtergruppen der folgenden Jahre ihn als ein beinahe kultisches Vorbild betrachten. Wenn es um die Jahrtausendwende einen 'Paradigmenwechsel' in der Lyrik in Ungarn gab (und es gab ihn ganz offensichtlich), dann war dessen wichtigster Initiator István Kemény, denn er war auch derjenige, der in die moralischen Fragestellungen der Postmoderne die Dilemmata des Blicks auf die Geschichte mit einbrachte."

Magazinrundschau vom 26.10.2021 - Elet es Irodalom

Was würde es für die ungarische Zivilgesellschaft bedeuten, würde die Opposition bei den Wahlen siegen? Der Schriftsteller, Dichter und Literaturhistoriker Gábor Schein versucht sich das vorzustellen: "Jeden Oppositionspartei behauptet, die Integration sei ein vorrangiges Ziel, damit bestimmte Gruppen, darunter auch der bedeutende Anteil der Roma-Bevölkerung, die aufgrund ihrer Diskriminierung aus der politischen Gemeinschaft exkludiert wurden, erneut und zunehmend zum entscheidungsfähigen Teil der Gesellschaft werden. Das ist nicht zuletzt eine kulturelle Frage. (…) Die Aufgabe ist in ihrer Komplexität äußert schwierig und dringend. Unter den direkten Zielen müssen gleichzeitig Punkte wie die Entwicklung der lokalen Gemeinden, die Erwachsenenbildung, die Verbesserung der gesellschaftlichen Kompetenzen, sozialpsychologischen Entwicklungen, aber auch die Entwicklung der Institutionen und die Wiederherstellung ihrer fachbezogenen Unabhängigkeit beachtet werden. (…) Neben engagierten, exzellenten Experten, braucht es Geld und politischen Willen, damit die Opposition weiß, was sie den lokalen Gemeinden anbieten will. Beispiele zeigen, dass ohne dies das Land sich nach den ersten Enttäuschungen die Diktatur zurückwünschen kann."