Magazinrundschau - Archiv

Die Weltwoche

110 Presseschau-Absätze - Seite 4 von 11

Magazinrundschau vom 06.11.2007 - Weltwoche

"Hören wir auf, Blocher zu überhöhen, die Schweiz wird ihn überleben", meint Peer Teuwsen in der Blocher sonst eher zugetanen Weltwoche. "Die Schweizer waren nie bekannt dafür, die Menschen zu verherrlichen, denen sie die Macht in die Hände legen. Im Falle Christoph Blochers passiert genau dies. Gottesdienst oder Exorzismus. Ein Land in seiner geistigen Geiselhaft. Alle Konflikte werden auf seine Person projiziert. Das hat keiner verdient. Was läuft falsch? Es kann nur einen Grund geben: Schwache Naturen brauchen starke Figuren. Es ist ein Zeichen von Hilflosigkeit, wenn so viele Menschen einem autoritären Charakter hinterherlaufen oder in ihm das Böse schlechthin sehen."

Weitere Artikel: Rolf Degen denkt über die Bedeutung des Intelligenzquotienten nach und stellt fest: Erfolg hat man auch mit einem kleinen. Frank Vanhecke, Präsident der nationalseparatistischen Vlaams Belang, erklärt im Interview: "Belgien bedeutet mir nichts. Meine Kinder betrachten sich als flämisch und europäisch, Belgien bedeutet ihnen gar nichts."

Magazinrundschau vom 30.10.2007 - Weltwoche

"Als die Bomben hochgingen, saß ich zusammen mit zwei Bhutto-Leibwächtern auf der Führerkabine eines Lastwagens, 50 Meter hinter Benazirs Caravan." Urs Gehriger war auch in dem Krankenhaus, in das die Verletzten und Toten gebracht wurden, und er war bei der Pressekonferenz, die Benazir Bhutto 17 Stunden nach dem Attentat hielt: "'War es nicht leichtsinnig, den Prozessionszug entgegen allen Warnungen durchzuführen?', will ein Journalist wissen. 'Tragen Sie nicht sogar Mitschuld für den Tod von über hundert Menschen?' Bhutto ist sich weder eines Fehlers noch einer Schuld bewusst. 'Warum waren die Lichter aus?', fragt sie stattdessen. 'Wir hätten die Attentäter gefasst, aber wir konnten nichts sehen.' Sie selbst und jeder, der im Umzug vorne dabei war, weiß, dass diese Behauptung absurd ist. Bhutto brauchte den Umzug, um ihren Machtanspruch zu markieren. (...) Je länger Bhutto spricht, desto deutlicher wird, wie stark sie die destruktive Realität in diesem zerrissenen Land bereits eingeholt hat. Ihre Ideale kommen westlicher Gesinnung am nächsten, doch in paradoxer Weise gleicht ihr Jargon dem ihrer Erzfeinde, den Islamisten: Die Verehrung ihres Vaters als 'Märtyrer', ihre morbide Todesbereitschaft, die Bereitschaft auch, ihr Fußvolk als Kanonenfutter gegen die Feinde einzusetzen."

Beatrice Schlag berichtet von einer Fehde zwischen dem Verlag und der Witwe Raymond Carvers. Letztere "will die 17 Geschichten aus 'Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden' unter dem Titel 'Beginners' nochmals veröffentlichen - diesmal auf der Grundlage von Carvers Originalmanuskripten. Der Verlag läuft Sturm gegen das Projekt. 'Lieber würde ich Ray wieder aus der Erde buddeln', sagt Knopf-Vizechef Gary Fisketjon, der Carvers letzter Lektor war. 'Ich verstehe nicht, was Tess daran für ein Interesse hat, außer sie wolle die Literaturgeschichte neu schreiben. Ich bin entsetzt.' Tess Gallagher antwortet, die neue Version des Carver-Buches solle lediglich das Vermächtnis ihres verstorbenen Mannes wiederherstellen: 'Ich freu mich auf die Zeit, wenn ein begeisterter Leser nicht mehr auf mich zukommt und fragt: Hat Gordon Lish wirklich alle Carver-Storys geschrieben?'"

Weitere Artikel: Alix Sharkey porträtiert Roberto Cavalli, den Designer für weiße Rockstars. Marek A. Cichocki, Direktor des EuropäischenZentrums Natolin, eines konservativen polnischen Think-Tanks, und Berater des polnischen Präsidenten Lech Kaczinski, kommentiert den Wahlausgang in Polen: "Die polnische Demokratie ist gesünder und stabiler geworden." Und Güzin Kar weiß, warum immer ältere Männer sind, die über den Feminismus jammern: "Weil sie das neue Gebiss testen müssen, und es geht am besten mit Wörtern, in denen F und S vorkommen. Darum schimpfen sie über den Feminiffmuff..."

Magazinrundschau vom 23.10.2007 - Weltwoche

Die Weltwoche druckt einen kritischen Kommentar des Schweizer Journalisten Roger Schawinski ab: zur Weltwoche, ihrem Chefredakteur, dem Blocher-Verehrer Roger Köppel, und anderen Schweizer Journalisten. Die Weltwoche sei "das mit Abstand spannendste Presseerzeugnis der Deutschschweiz" und das liege nicht zuletzt an Köppel. "In keinem der anderen großen Blätter findet sich zurzeit eine Persönlichkeit, die sich nur im Entferntesten mit ihm messen kann. In den von Managern und Publizistischen Leitern geführten Verlagshäusern sind andere Eigenschaften gefragt, und deshalb ragt dort - anders als in der jüngeren Vergangenheit - niemand aus dem taktierenden Mittelmaß heraus. Damit hat Köppel leichtes Spiel, ständig die Themenführerschaft an sich zu reißen. Das ist fatal. Denn Roger Köppel nutzt eiskalt einen zweiten Vorteil: Indem er sich auf die Seite Blochers geschlagen hat, profitiert er von ähnlichen Reflexen wie die, welche die SVP zur dominierenden Partei gemacht haben."

Bild-Chefredakteur Kai Diekmann erläutert im Interview mit Roger Köppel seine These über die "linke Verständnisfolklore", diesen "Totalitarismus der Anständigen", die uns um unsere Zukunft bringen sollen (sein Buch dazu erscheint übermorgen). "Die Deutschen haben die Neigung, alles 200-prozentig zu machen. Nach dem universalen Hass der NS-Ideologie herrscht nun schon seit Jahren das universale Verständnis für alles und jeden. Diese Gutmenschenattitüde sorgt allerdings in vielen Bereichen, sei es Straf-, Asyl- oder Schulrecht, für verheerende Ergebnisse. Auch hier ist gut gemeint eben oftmals das Gegenteil von gut."

Magazinrundschau vom 16.10.2007 - Weltwoche

Im Interview mit Michael Miersch spricht der Agrarwissenschaftler und Nobelpreisträger Norman Borlaug über den noch immer nicht beseitigten Hunger in der Welt, die notwendigen Agrarreformen und die Gentechnik: "Mutter Natur ist Gentechnikerin. Sie hat nur Jahrtausende und länger gebraucht, um die Kreuzungen durchzuführen. Es ist nichts Unnatürliches dabei, wenn man Gene zwischen taxonomischen Gruppen, zwischen verschiedenen biologischen Einheiten, bewegt. Nach zehn Jahren kom­merziellem Anbau von gentechnisch ver­änderten Pflanzen gibt es keinen nachgewiesenen Schadensfall, der durch diese Technologie hervorgerufen wurde. Das ist ein erstaunlicher Sicherheitsrekord, speziell für eine neue Technologie. Stellen Sie sich vor, in den ersten zehn Jahren der Fliegerei hätte es keine Unfälle gegeben. Das Problem ist, dass die Reichen und Verwöhnten eine Null-Risiko-Gesellschaft wollen. Aber es gibt kein Null-Risiko in der biologischen Welt. Wir sollten aufhören, so überängstlich zu sein."

Als "krankes Spektakel" bezeichnet Beatrice Schlag die Aufregung um Britney Spears, vor allem aber die Häme, die über der gestürzten Ikone ausgegossen wird: "Warum ist es ein Fest, auf eine Frau einzuhacken, die so offensichtlich am Boden ist? Britney Spears hat, von einer maßlos ehrgeizigen Mutter getrieben, in Fernsehstudios gearbeitet, während andere eine Jugend hatten. Jetzt taumelt sie, noch keine 26, vor den Augen der Welt von einer Katastrophe in die nächste, privat und beruflich. Was gibt es da noch niederzumachen?"

Magazinrundschau vom 25.09.2007 - Weltwoche

Manche Wissenschaftler sagen, im Jahr 2040 werde es im Sommer kein Eis mehr am Nordpol geben. Den Dänen Björn Lomborg schreckt das im Interview nicht: "Das könnte ein Problem sein, aber es wird auch einen Boom bedeuten. Es wird ein Problem für Eisbären und viele andere Lebewesen. Man muss aber auch sagen, dass die Biodiversität damit reicher wird. Es wird mehr Schmetterlinge, mehr Vögel geben. Ja, wir werden weniger Bären sehen. Aber es wird ein Glück sein für Grönland. Man wird dort plötzlich selbst Lebensmittel herstellen können, man wird neue, kürzere Schiffsrouten öffnen können. Ich hätte auch lieber eine Arktis mit viel Eis, wie wir sie kannten. Aber zu sagen, mit der Eisschmelze käme die Katastrophe über die Gegend, ist einfach nicht richtig."

Angriffslustig nimmt Weltwoche-Bundeshaus-Chef Urs Paul Engeler die Uniformisierung der Schweizer Medien aufs Korn: "Was der tägliche Mainstream ist, möchte ich an einem Beispiel erklären. Fast auf den Tag genau vor 23 Monaten hatte ich einen Auftritt vor PR-Leuten und schlenderte nach Vortrag und Fragerunde an einem Kiosk vorbei. Die Schlagzeilen und Haupttitel, mit denen alle Zeitungen von Blick über Tages-Anzeiger, NZZ, Aargauer Zeitung, Berner Zeitung, Basler Zeitung, St. Galler Tagblatt bis Le Temps und Neue Luzerner Zeitung warben, haben mich derart beeindruckt, dass ich sie mir sofort notiert habe. Sie lauteten:
'Es braucht 50000 Krippenplätze'
'Es fehlen 50000 Krippenplätze'
'50000 Plätze in Krippen fehlen'
'Der Beweis: Es fehlen 50000 Plätze für Kinder'
'Gesucht: 50000 neue Krippenplätze'
'Il manque 50000 places en garderie'
'50000 Kinder ohne Krippenplatz'
'In der Schweiz fehlen 50000 Krippenplätze'."
Es versteht sich, dass einzig die Weltwoche sich dem entgegensetzt: "Nicht aus Besserwisserei, sondern aus der Sorge um die Tradition einer echten offenen Gesellschaft."

Außerdem stellt Julian Schütt die autobiografischen Aufzeichnungen von Marguerite Duras vor. "Marguerite Duras pervertierte die humanistischen Ideale in den 1940er Jahren, doch das Ungeheuerlichste ist, dass ihr das als Autorin nicht geschadet hat. Vielmehr ist ihre Prosa, was sich in den nun erscheinenden 'Heften aus Kriegszeiten' bestätigt, immer dann faszinierend, wenn Duras moralisch unkorrekt, mit ausgeprägtem Sinn für Schamlosigkeit schreibt, wenn sie ihre ganze Bosheit hergibt, wenn sie statt Zeilen Striemen auf dem Papier hinterlässt."

Magazinrundschau vom 18.09.2007 - Weltwoche

"Ich halte nicht viel vom Denken, denn durch das Denken wird unser Dasein unendlich verkompliziert", sagt die große Schauspielerin Hanna Schygulla in einem Interview mit Andre Müller, in dem es auch ums Altern, Rainer Werner Fassbinder und die völlige Überflüssigkeit von Verzweiflung geht: "Ich brauche - diese Vergötterung des Weltschmerzes nicht. Mich nervt dieses Rumgesabbere, dieses ewige Verneinen und Kritisieren. Wenn die Verzweiflung der Nährboden der Kunst ist, dann pfeife ich auf die Kunst. Wenn Sie sich vorgenommen haben, mich so lange zu fragen, bis ich gestehe, dass ich verzweifelt bin, dann sind Sie an die Falsche geraten... Der Fassbinder hat auch immer gesagt, die Verzweiflung sei die einzige Wahrheit, die er anerkenne. Da sind Sie also in einer Tradition. Das ist absolut nichts Originelles, sondern unser ganzer abendländischer Kladderadatsch. Das ödet mich an. Können Sie sich nicht vorstellen, Herr Müller, dass jemand in einem anderen Kräftequadrat als dem Ihrigen existiert?"

Aus dem Irak berichtet Urs Gehriger vom Aufstand der Stämme im Irak gegen al Qaida: "Auslöser war ein Streit um eine Frau. Um in einer Region Fuß zu fassen, hat al-Qaida sich angewöhnt, die eigenen Führer mit Frauen aus den führenden lokalen Stämmen zu verheiraten. So tat sie es in Somalia, Indonesien und besonders erfolgreich in Pakistan und Afghanistan. Damit knüpfte sie eine Verbindung mit der traditionellen Gesellschaft, mit der Zeit wurde al-Qaida Teil der sozialen Landschaft, was ihr erlaubte, lokale Leute und Politik zu manipulieren. Im Irak jedoch verfing al-Qaidas Heiratstaktik nicht... Als ein Scheich in der Provinz Anbar sich weigerte, seine Tochter mit einem Al-Qaida-Kommandanten zu verheiraten, töteten die Terroristen den Scheich. Dies verpflichtete den Stamm zur Blutrache. Die Terroristen wiederum antworteten mit immenser Brutalität, töteten die Kinder eines prominenten Stammesführers. Dies war das Fanal für den Aufstand."

Magazinrundschau vom 11.09.2007 - Weltwoche

Für besonders schlaue Leser listet Mathias Plüss einige ungelöste Rätsel der Wissenschaft auf. Gesucht wird zum Beispiel der Beweis für die Collatz-Vermutung. "1937 veröffentlichte der deutsche Mathematiker Lothar Collatz ein Problem, das bis heute ungelöst ist. Man nehme eine beliebige natürliche Zahl. Wenn sie gerade ist, teile man sie durch 2; wenn sie ungerade ist, multipliziere man sie mit 3 und zähle 1 dazu. Mit dem erhaltenen Resultat verfahre man genauso (durch 2 oder mal 3 plus 1) und so weiter. Die Vermutung von Collatz: Früher oder später landet man immer bei 1."

Magazinrundschau vom 14.08.2007 - Weltwoche

Andre Müller erinnert sich in einem sehr schönen Text an ein Interview mit Ingmar Bergman im Juni 1976 in München. Der Meister stellte plötzlich eine Gegenfrage: "'Ich bin Regisseur, warum sind Sie Journalist?' 'Das kann ich jetzt nicht...', murmelte ich. 'Warum denn nicht?', fragte er. (...) Die verstörende Kunst Ingmar Bergmans hat mich für das meiste, was das Kino sonst zu bieten hat, untauglich gemacht. Das hätte ich ihm gerne gesagt, vielleicht sogar vorgeworfen, als er im Juni 1976 so unscheinbar in einer grauen Wolljacke über dem buntgemusterten Hemd vor mir saß. Er aber stellte mir diese Kinderfrage: Warum? 'Ich habe zu meinem Beruf ein gestörtes Verhältnis', sagte ich. 'Ja, warum denn?', insistierte er. 'Ich würde', antwortete ich, 'manchmal, anstatt zu fragen, lieber über mich etwas sagen.' Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, war er mir peinlich. Bergman aber, dieser Menschenfischer, reagierte begeistert: 'Ach so, ja, etwas Persönliches? Sie wollen kreativ sein? Dann sind wir ja nicht so weit weg voneinander. Sehr schön!'" (Das Interview nachlesen kann man auf Andre Müllers Homepage)

Weiteres: Einen wahrscheinlich hilflosen Aufschrei des Protests stößt Thomas Widmer gegen den "Terror auf dem Trottoir" aus, gegen Radfahrer, die sich um keine Ampel oder Verkehrsregel scheren, aber immer eine Miene "seelischer Verletztheit" zur Schau tragen. James Hamilton-Paterson schreibt einen Nachruf auf den Regenwald. Hugh Hewitt unterhält sich mit dem amerikanischen Journalisten John F. Burns über die Lage im Irak. Urs Gehriger und Sami Yousafzai liefern Hintergründiges zur Entführung der Südkoreaner in Afghanistan.

Magazinrundschau vom 31.07.2007 - Weltwoche

In einem ausführlichen Interview mit Peer Teuwsen blickt der schwerkranke Schriftsteller Walter Kempowski auf sein Leben zurück, auf Krieg und Gefängnis, und natürlich auf sein Tagebucharchiv, seine Sammlung von Menschen: "Ich kann mir nichts darunter vorstellen, wenn man sagt, drei oder vier Millionen Menschen seien vergast worden. Aber wenn ich höre, wie ein SS-Mann in Dachau den armen Pastor Schneider gequält hat, Dinge, die längst vergessen sind, die aber zu Buche stehen - dann kann man sich ein Bild machen von den ungeheuerlichen Grausamkeiten. Allein die Idee, ein ganzes Volk auszurotten, der reine Wahnsinn. Und ich selbst saß zu dieser Zeit in der Wohnstube auf dem Teppich und spielte mit kleinen Autos." Und er beklagt auch, dass er in Deutschland nicht "konservativ und liberal" sein darf: "Man darf ja auch heute nicht seine Meinung sagen in Deutschland. Versuchen Sie das doch mal! Ein Schritt vom Wege, und Sie sind erledigt. Ein fröhliches Dahinplappern ist verboten. Selbst Ihnen gegenüber, verehrter Herr Teuwsen, muss ich mich vorsehen. Das ist doch erbärmlich. Ist das in der Schweiz auch so schlimm?"

Weiteres: "Frauen sind linker, ökologischer und staatsgläubiger als Männer", bilanziert Philipp Gut 36 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts in der Schweiz. Und zum anstehenden Nationalfeiertag am 1. August erzählt Peter Hartmann eine Geschichte der Urschweiz, nämlich die vom Untergang des Freistaat Gersau.

Magazinrundschau vom 24.07.2007 - Weltwoche

Mit einer gewissen Gottergebenheit beobachtet Eugen Sorg die Rückkehr der Religion nach Europa: "Um die wöchentlichen Papstaudienzen bemühen sich so viele Gläubige, unter ihnen viel Jungvolk, wie lange nicht mehr. Besucherrekorde verzeichnen auch das Grab des polnischen Vorgängers und Wunderwallfahrtsorte wie Lourdes, das Budget des Heiligen Stuhls verbucht Rekordüberschüsse, die Einnahmen aus den kirchlichen Kollekten haben sich verdoppelt... Vielleicht wird das postmoderne Europa als kurze, einmalige Episode der sorglosen Freigeisterei und der frivolen Gottabgewandtheit in die Geschichte eingehen. Zum einen aus demografischen Gründen: Religiöse Milieus produzieren reichlich Nachwuchs, während reiche, agnostische Gesellschaftsgruppen wie die Europäer zu Überalterung neigen. Zum anderen weil Skepsis und Ironie die vorzüglichen Sezierbestecke des Intellekts sind, aber das Herz der meisten nicht erwärmen können. Genauso wenig, wie die Theorie des Urknalls oder die Entdeckung der Eiweissmoleküle das Bedürfnis nach Sinn befriedigen, eine kollektive Identität stiften und die Angst vor dem Tod nehmen kann."

Hans-Ulrich Wehler lobt die "hervorragende" Geschichte der Wirtschaft im Dritten Reich von Adam Tooze.