Magazinrundschau - Archiv

Nepszabadsag

215 Presseschau-Absätze - Seite 5 von 22

Magazinrundschau vom 04.11.2014 - Nepszabadsag

Im Gegensatz zu vielen anderen Gesetzesverschärfungen, die Ungarn zu einem populistischen Regime im demokratischen Europa machten, hat die zunächst angekündigte und dann wieder einkassierte Internetsteuer auch europaweit Aufsehen erregt. György Konrád analysiert im Interview mit Ildikó Csuhaj die neuen Proteste und das Konfliktmanagement des ungarischen Regierungschefs: "Die Menschen können nicht beliebig oft betrogen werden, und west-europäische oder amerikanische Verhandlungspartner sind auch nicht so einfältig, wie Viktor Orban über sie denkt... Im Fall der Internetsteuers kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er den Wunsch der Deutschen Telekom sehr ernst nahm. Doch er musste auch die vielen jungen demonstrierenden Menschen ernst nehmen, denn als gerissener Politiker sah er, dass von unterschiedlichen Seiten Gefahr droht und der Raum, in dem er sich bewegt, immer unübersichtlicher für ihn wird."

Magazinrundschau vom 07.10.2014 - Nepszabadsag

Letzte Woche fand die Anhörung des designierten EU-Kommissars für Bildung und Kultur, Tibor Navracsics, vor dem Europäischen Parlament statt. Navracsics hatte hatte in seiner Zeit als Justizminister unter Victor Orban die Kompetenzen der Gerichte und die Freiheit der Medien kräftig beschnitten (mehr hier). Balázs Pócs kritisiert in seinem Kommentar die Tatenlosigkeit der EU gegenüber der ungarischen Politik der vergangenen Jahre: ""Sie werden ihn ausspucken!", orakelten viele vor der Anhörung Navracsics". Er wird "gegrillt" werden. Dann kam die Prüfung, die so lau ausfiel, dass man darüber nachdenken musste, wer hier eigentlich vor den Mitgliedern der Kommission für Bildung und Kultur des Europäischen Parlaments stand... Kämpferische Atmosphäre? Fehlanzeige. Tibor Navracsics musste allerdings über eine Reihe von Taten Rechenschaft ablegen, bei denen die Europäischen Union selbst tatenlos zugesehen hatte."

Magazinrundschau vom 30.09.2014 - Nepszabadsag

Nach seinem Riesenerfolg mit "Der weiße König" - der Roman wurde in 28 Sprachen übersetzt, brauchte György Dragomán neun Jahre, um einen neuen Roman vorzulegen, "Máglya" (Scheiterhaufen, Magvető Verlag, Budapest 2014). Es ist eine Fortsetzung des "Weißen Königs", Teil einer "losen Trilogie". Im Interview mit Sándor Zsigmond Papp erklärt Dragomán: "Ich beging den Fehler, an mehreren Texten parallel zu arbeiten. An diesem Buch, am dritten Teil der Trilogie, sowie an Novellen für zwei Bände. Jetzt werden aber alle schön fertig. (...) Irgendwo, wenn auch nur sehr entfernt, ist hier die Geschichte meiner Familie enthalten, die Geheimnisse um meine jüdische Großmutter und die antisemitische Urgroßmutter, das stürmische Leben meiner Eltern während der Diktatur, das persönliche Trauma der Auswanderung, die Trauer um den Verlust meines Vaters und meine erste Liebe, stark verwoben mit dem Erlebnis der Wende. Aus all dem entstand irgendwie diese Welt, in deren Mitte die pubertierende Emma versucht zu erfahren, wer sie in Wirklichkeit ist."

Magazinrundschau vom 16.09.2014 - Nepszabadsag

Letzte Woche hat die umstrittene Ungarische Kunst-Akademie (MMA) György Szegö als neuen Direktor der Budapester Kunsthalle vorgestellt. Szegö präsentierte seine Pläne für die Zukunft des Hauses und löste damit gleich Proteste aus. Nach seinen Ausführungen soll künftig die "erhabene" Kunst gegenüber der "kritischen" den Vorzug erhalten. Religionskritik wird nicht mehr toleriert. Im Interview mit Lajos Csordás erklärt Szegö seine Politik: "Die (ungarische) Künstlerszene versuchte nach der Wende, in den westlichen Kunstkanon zu gelangen. Das war über Österreich hinaus nicht erfolgreich. Nach 25 Jahren müssen wir das einsehen und etwas anderes versuchen. Die Blase der vom Markt diktierten Qualität scheint jetzt zu platzen. Von der Peripherie aus kann ich das ohnehin nicht beeinflussen. Darum fiel wohl auch die Entscheidung der MMA auf mich. Die Presse stellt dies als Entzug der Freiheit dar, doch es geht nur darum, den bisher gültigen Tendenzen weniger Raum zu geben." Mehr zur "Orbanisierung der ungarischen Kultur" beim Deutschlandfunk.

Magazinrundschau vom 02.09.2014 - Nepszabadsag

Vergangene Woche erschien in Ungarn "Letzte Einkehr", der wohl letzte Band von Imre Kertész, mit Tagebuchaufzeichnungen zwischen 2001 und 2009 und bisher unveröffentlichten Romanfragmenten. Der Literaturwissenschaftler György Vári stellt das Buch vor: "Aus den Roman- und Erzählungsfragmenten strömt der Mut des Pessimismus wie saubere Höhenluft. Die Möglichkeit, dass Wirklichkeit und Fiktion ineinander rutschen, lässt ahnen, dass vielleicht wirklich nur die fiktiven Figuren leben. Und der Schriftsteller selbst, die repräsentative Rolle mit dem Namen Imre Kertész, nur ausgedacht ist. Ein Fremder, dessen Geschichte - Auschwitz - mit seiner Person in keiner Beziehung stand. Der in seinem ganzen Leben nach der genauen Bestimmung seines Selbst und seiner Position suchte, nur damit der Erfolg und das Alter, der letzte Verrat des Körpers, aus ihm erneut einen Fremden machte. Sein wahres Thema ist das Glücklichsein: die unerwartete Schönheit unserer weltlichen Fremdheit, die zeitliche Begrenzung von allen und ihre letzte Aufhellung im Schatten des Todes."

Magazinrundschau vom 19.08.2014 - Nepszabadsag

Vergangene Woche wurde bekannt, dass Nobelpreisträger Imre Kertész zum Nationalfeiertag am 20. August mit dem staatlichen Sankt-Stephan-Orden ausgezeichnet werden soll. Es entbrannte umgehend eine Kontroverse über das Vorhaben. Freunde Kertész" rätselten darüber, ob er die Auszeichnung annimmt, nicht wenige rieten ihm davon ab. Andere waren verblüfft, dass die gegenwärtige Regierung ausgerechnet den Schriftsteller auszeichnet, der sie so oft kritisiert hatte. Wir zitieren aus dem Editorial der Wochenendausgabe von Népszabadság: "Hier das Lebenswerk, hier der Schriftsteller mit seinem Nobelpreis, gegen den der höchste staatliche Orden wie ein Schulterklopfen erscheint. Er soll die Größe des Ausgezeichneten preisen. Eine Größe, mit der jene Offiziellen, die jetzt den Orden übereichen wollen, bisher haderten. Wie sehr? So sehr, dass sie Kertész in unermesslicher Frechheit und zynischer Heuchelei jenen Orden geben, den damals Hermann Göring bekam... Es ist gleich, ob er ihn annimmt - soll er nur, niemand soll etwas Schlechtes sagen... Für ihn ist es gleich - und für uns kann es auch gleich sein. Er ist unser Schriftsteller, der Schriftsteller seiner Leser."
Stichwörter: Kertesz, Imre

Magazinrundschau vom 29.07.2014 - Nepszabadsag

Das ungarische Denkmal für die Opfer der deutschen Besatzung wurde vor einer Woche still und heimlich aufgestellt. Auf eine offizielle Einweihung wurde verzichtet. Lediglich eine Presseerklärung des Ministerpräsidenten verkündete, dass mit der Aufstellung des Denkmals eine Pflicht gegenüber der Nation erfüllt sei. Das Denkmal wurde kritisiert, weil es den ungarischen Opfermythos verklärt. Ákos Tóth resümiert in der Wochenendausgabe von Népszabadság: "Das Denkmal wurde nicht einmal eingeweiht. (...) Nicht einmal zufällig erschien ein Würdenträger. Auch der Auftraggeber, also der Ministerpräsident, war nirgends zu sehen, er hat sich das große Werk am Freiheitsplatz noch nicht angesehen, es sei denn, hat sich in der Nacht herangeschlichen. (...) Für die Zeit nach den Absperrungen wurde die Umgebung mit Kameras ausgestattet. So beschützen sie das Denkmal der Opfer vor den Opfern und ihren Nachfahren. Doch die Kameras werden nicht nur die Proteste festgehalten, sondern auch die Opfer selbst, wie sie sich ihrem Denkmal annähern, um es anzuschauen. Nicht ein Zucken ihres Gesichts wird ein Geheimnis bleiben." Auch die Presse berichtete.
Stichwörter: Ungarn

Magazinrundschau vom 22.07.2014 - Nepszabadsag

Der Filmregisseur György Pálfi gewann bei den letzten Filmfestspielen von Karlsbad gleich drei Auszeichnungen für seinen neuen Film "Szabadesés" (Freier Fall). Seit mehreren Jahren arbeitet er auch an einem historischen Film, aber Verhandlungen mit dem vom ehemaligen Hollywood-Produzenten Andy Vajna geführten Nationalen Filmfonds geraten immer wieder ins Stocken. Im Interview mit dem Filmkritiker Géza Csákvári sprach der Regisseur unter anderem über das Filmfördersystem in Ungarn, welches nunmehr seit drei Jahren etabliert ist. "Wir hätten keine Chance gehabt, vom Filmfonds für meinen letzten Film Geld zu bekommen. Das System ist langsam und schwerfällig: Wir wären heute soweit, dass das Drehbuch der Entscheidungskommission vorliegt. Dabei sind wir mit dem Film längst fertig und bekommen Preise dafür. (…) Durch Vajna hält ein in den USA sozialisierter "Großunternehmer" das ungarische Kino in der Hand. Er versteht viel von Innovation der Industrie, von Kasse. (...) Durch seine Machtposition kann er für sich Rechte beanspruchen, die dem ungarischen Film, den er nicht kennt, nicht gut tun. Er kennt die Position des ungarischen Films in der europäischen Filmkultur nicht."

Magazinrundschau vom 24.06.2014 - Nepszabadsag

Ende des Monats wird in Berlin Iván Fischers Oper "Die rote Färse" aufgeführt. Die Handlung beruht auf einem wahren Vorfall im Ungarn des 19. Jahrhunderts: Damals waren in dem Dorf Tiszaeszlár zwei Juden des Ritualmords an einem 14-jährigen Mädchen beschuldigt worden. Doch über die Handlung möchte Fischer gar nicht reden, die Musik drückt viel mehr aus, sagt er im Gespräch mit Judit Csáki: "Sicherlich denke ich, dass die beschämende Ritualmord-Beschuldigung von Tiszaeszlár alles ausdrückt, was dieses Land seit einem Jahrhundert zerstört, doch darüber viel zu reden ist sinnlos, denn das Böse ist hier offensichtlich. (...) Nebeneinander existieren unterschiedliche Musikrichtungen, Volksmusik und die chassidische Liederwelt, aber es musste auch zeitlos sein und auch um die Zukunft gehen, wie die Geschichte selbst. So nahm ich auch Elemente vom Rap und Blues mit auf."

Magazinrundschau vom 17.06.2014 - Nepszabadsag

Am vergangenen Mittwoch wurde in Ungarn ein Gesetz zur Besteuerung von Werbeeinnahmen von Medienunternehmen verabschiedet. Das Gesetz (mehr hier) betrifft in erster Linie den größten Privatsender des Landes, RTL Klub, ein Tochterunternehmen der deutschen Bertelsmann AG. Seit der Verabschiedung des Gesetzes sind die Nachrichtensendungen von RTL Klub zunehmend kritischer gegenüber der Regierungspolitik geworden. Miklós Hargitai kommentiert die Veränderungen in der Berichterstattung von RTL Klub: "Die ungarischen Medien sind von Interessensverhältnissen durchwoben ... Sie waren nachsichtiger mit der Regierung, weil es sich auszahlte und jetzt wurden sie bissiger, weil es sich nicht mehr lohnt zu schweigen. Dass es um ihren Mut zurück zu erlangen einer selektiven und diskriminierenden Werbesteuer bedurfte, erhöht nicht ihren Ruhm, doch Selbstzensur ist so etwas wie Koma: Es ist nie zu spät aufzuwachen."