Außer Atem: Das Berlinale Blog

'The Boda Boda Thieves' und 'The Siren of Fason Fani' im Forum

Von Thekla Dannenberg
12.02.2015. Motorraddiebe in Uganda - "The Boda Boda Thieves" des Regiekollektivs Yes! That's Us - und der Niedergang der Baumwollspinnereien in Burkina Faso - "The Siren of Faso Fani" von Michel K. Zongo - im Forum.


In Cannes lief Abderrahmane Sissakos "Timbuktu" (unsere Kritik) im vorigen Jahr im Wettbewerb, hier kam der Film über Malis von Islamisten besetzte Wüstenstadt nur mit Mühe und Not in die Programmkinos. Um das afrikanische Kino sieht es also wahrscheinlich nicht so schlecht aus, wie es hierzulande mitunter den Anschein haben kann. Also nichts wie rein in die wenigen afrikanischen Filme, die auf den Festivals laufen! Abgesehen von Filmen aus dem stets produktiven Südafrika (dazu morgen mehr) gibt es im Forum zwei Beiträge aus Uganda und Burkina Faso (dessen Fespaco-Festival in Ouagadougou nach wie vor das Herz des afrikanischen Filmschaffens bildet).

"Abaabi ba boda boda" ist eine Produktion des ugandischen Regiekollektivs "Yes! That"s Us", zu dem sich Donald Mugisha, Rogers Wadada, Alex Ireeta und Senkaaba "Xenson" Samson zusammengefunden haben. Das dieser Film den vielen deutschen Geldgebern, vom Goethe Institut bis zum Auswärtigen Amt, sympathisch war, versteht man sofort: Mit liebevollem Blick und gutgelaunten Afro-Beats fängt er das quirlige Leben in Kampala ein und verneigt sich zugleich vor Vittorio de Sicas "Fahrraddieben".

Erzählt wird die Geschichte des 15-jährigen Abel, der auf keinen Fall so ein unergiebiges, demütigendes Leben fristen will wie seine Eltern: Die Mutter klopft Steine im Staub der Kiesgruben, der Vater fährt ein Motorradtaxi, ein so genanntes Boda Boda. "Abel ist eigentlich ein guter Junge, das Problem sind die schlechten Einflüsse", weiß der Vater und so kommt es auch: Als der Vater bei einem Unfall verletzt wird, übernimmt Abel das Motorrad und lässt sich mit einer Gang ein, die für ihre Raubzüge ein paar PS braucht. Natürlich klauen die schweren Jungs Abel das Motorrad, die Familie steht ohne Lebensgrundlage dar, und zusammen mit der Mutter macht sich Abel auf die Suche, ohne sie in die Geschichte einzuweihen. Die Rat- und Hilflosigkeit dringt einem wie afrikanischer Staub in alle Poren.

Nicht nur in der Handlung lehnt sich der Film, auch erklärtermaßen, an de Sica an, sondern auch in der Intention, die Geschichte eines einzelnen als exemplarische zu erzählen. Ganz zum Schluss, wenn ein Tag mit Abel und seiner Mutter auf den Märkten und Schrottplätzen der Stadt, in korrupten und nachlässigen Polizeiwachen und mit den hitzigsten Temperamenten an einem vorbeigezogen sind, ganz zum Schluss werden wir auf dem Hof der Polizei eine ganze Armada gestohlener Motorräder sehen. Aber rhythmisch und ästhetisch funktioniert der Film natürlich ganz anders. "Abaabi ba boda boda" ist viel verspielter in seinen Bildern, gefälliger auch, mitunter blickt er mit großer Zärtlichkeit auf seine Darsteller, vor allem die von Prossy Rukundo gespielte Mutter. Von der toughen Coolness der Kleingangster zeigt sich die Kamera ganz wie Abel geradezu geblendet. Vor allem aber versprüht der Film mitunter eine Lebenslust, die man bei de Sica niemals gefunden hätte.



Michel Zongos Dokumentation "La sirène de Faso Fani" ist dagegen eine etwas quälende Angelegenheit. Der Filmemacher erzählt darin vom Niedergang der Baumwollspinnereien in Burkina Faso am Beispiel der titelgebenden Fabrik Faso Fani, die der Provinzstadt Koudougou einst Struktur, Kraft und bescheidenen Wohlstand brachte. Im Jahr 2001 wurde sie geschlossen. Dem Textil und der Industrie gibt der Film wenig Raum, in seinem Mittelpunkt stehen die alten Männer des Ortes, die seitdem kein neues Auskommen und keine Perspektive gefunden haben. Sie sitzen vor ihrer Hütte, unterm Baum oder in einem Komitee und klagen über die Strukturanpassungsprogramme des IWF, die den afrikanischen Ländern wirtschaftlich das Genick gebrochen haben. Dynamik kommt so natürlich nicht auf.

Während des ganzes Films sieht man jedoch an jeder zweiten Ecke der Stadt Frauen vor kleinen Webstühlen sitzen und Stoffe in traditionellen Mustern und wunderbaren Farben weben. Zum Teil sind es Frauen, die von Gelegenheitsaufträgen leben, manche haben sich zu Kooperativen zusammengeschlossen, Madame Sondo hat sogar ein regelrechtes Unternehmen aufgebaut. Über dieses heutige Leben und Arbeiten hätte man viel lieber mehr erfahren, über die Märkte und die Konkurrenz mit chinesischen Stoffen und Garnen. Vor allem springt einem die totale Abwesenheit junger Männer ins Auge. In Koudougou scheint es nur Frauen und alte Männer zu geben. Vielleicht sind die jungen Männer alle auf den Kakaoplantagen in der Elfenbeiküste, wie die Wanderarbeiter, die Zongo vor drei Jahren in seinem Film "Espoir Voyage" porträtierte und die dabei für deutlich mehr Vitalität gesorgt haben.

Yes! That"s Us: "Abaabi ba boda boda - The Boda Boda Thieves". Mit Hassan "Spike" Insingoma, Prossy Rukundo, Saul Mwesigwa und anderen. Uganda / Südafrika / Kenia / Deutschland 2015, 85 Minuten. (Vorführtermine)

Michel K. Zongo: "La sirène de Faso Fani - The Siren of Faso Fani". Frankreich / Burkina Faso / Deutschland / Katar 2015, 89 Minuten. (Vorführtermine)