9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Wissenschaft

282 Presseschau-Absätze - Seite 7 von 29

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.07.2021 - Wissenschaft

Die Wissenschaften dürfen sich nicht den Mund verbieten lassen, auch nicht von woken Wissenschaftlern oder Studenten, mahnt Bernhard Kempen, Jurist und Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, in der FAZ. Studenten haben Rechte, aber subjektive Empfindlichkeiten gehören nicht dazu, auch Trigger-Warnungen auszusprechen sei nicht Aufgabe einer Universität, stellt Kempen klar: "Die Universität ist kein geschützter Raum, ganz im Gegenteil, sie ist eine Risikozone. In ihr besteht fortwährend die Gefahr, dass ein Student mit der Ausübung der Wissenschaftsfreiheit durch andere konfrontiert wird. In ihr bewahrheitet sich ganz besonders, dass das Wesen der grundrechtlichen Freiheit in einer Zumutung liegt: in der Zumutung, den Freiheitsgebrauch der anderen Grundrechtsträger ertragen zu müssen."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.07.2021 - Wissenschaft

Einfach weitermachen wie vorher, aufbauen und die Böden wieder versiegeln, das geht eigentlich nicht nach den Überschwemmungen, lernt Gerhard Matzig, der für die SZ mit der Bauingenieurin Lamia Messari-Becker telefoniert hat: "Das Wissen um die Bodenbewirtschaftung verdampft - und Messari-Becker sagt: 'Es gibt kein kollektives Katastrophengedächtnis. Wir müssen baulich und räumlich auf Naturkatastrophen und den Klimawandel reagieren. Wir müssen lernen, uns anzupassen.' Stattdessen gibt es jetzt die Forderung, in den betroffenen Gebieten alles so schnell wie möglich 'wieder aufzubauen'. Damit es bald wieder so ist wie 'vorher'. Es ist exakt dieses Vorher, das uns das nächste Nachher beschreibt."

Als Wissenschaftler kann man nur depressiv werden, meint im Interview mit der SZ der Autor Toralf Staud, wenn man sieht, wie wenig die Warnungen vor den Folgen des Klimawandels ankommen: "Ich wundere mich beim Gang durch die Stadt jeden zweiten Tag darüber, dass wieder irgendein Gebäude mit riesigen Fensterflächen fertig wird. Das wird ja 2050 noch stehen, und da werden sich dann in jedem Sommer die Innenräume total aufheizen. Oder in Brandenburg, all die Häuser, die nahe am Rand der Kiefernwälder stehen, obwohl klar ist, dass es häufiger Waldbrände geben wird. Ich stolpere darüber, dass in Tiefgaragen Notstromaggregate stehen und in Wissenschaftsinstituten und Behörden die Serverräume im Keller liegen, obwohl völlig klar ist, dass da bei Hochwasser das Wasser reinlaufen wird und dann die Netze ausfallen."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 20.07.2021 - Wissenschaft

Aus Extremwetterereignissen wie dem Hochwasser an der Ahr und Wupper müssen auch wissenschaftliche Konsequenzen gezogen werden. Vor allem fehlt es an einer interdisziplinären Klimageschichte, schreiben die Umwelthistoriker Martin Bauch und Adam Izdebski und der Ökologe Hans-Rudolf Bork in der FAZ: "Von einer Institutionalisierung an Universitäten und Forschungseinrichtungen ist die Klimageschichte weit entfernt. In der verschränkten Expertise von Geistes- und Naturwissenschaften liegt ein ungleich höheres Erkenntnispotenzial im Blick auf die Extreme der Vergangenheit und deren Bedeutung für die Zukunft als in einzeldisziplinärer Betrachtung. Weil Gesellschaften und Umwelt integrierte sozio-ökologische Systeme sind, braucht ihre Erforschung auch geeignete institutionelle Verankerung, wie etwa das Social-Ecological Synthesis Center in Maryland, das die entsprechende Grundlagenforschung mit Stakeholdern und der Öffentlichkeit verbindet."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 19.07.2021 - Wissenschaft

Der Berliner Hirnforscher John-Dylan Haynes erzählt Daniela Wakonigg von hpd.de über ein Experiment. Er bittet Probanden sich gedanklich zu entscheiden, ob sie die linke oder rechte Hand heben wollen. Offenbar lässt sich diese Entscheidung irgendwie auslesen  - aber die Probanden möchten das nicht hören: "Diese falsche Intuition hängt damit zusammen, dass Menschen zum Dualismus neigen. Wir neigen eigentlich immer dazu zu glauben, dass der Geist und der Körper trennbar sind und dass man mit dem Gehirn den Geist nicht vollständig erklären kann. Das Bild der modernen Hirnforschung ist dagegen ein anderes, nämlich dass egal wie komplex und egal wie subtil Gedanken sind, dass alle zumindest prinzipiell ausgelesen werden könnten, weil sie im Trägermedium des Gehirns codiert sind. Das heißt aber noch nicht, dass wir heute alle Gedanken wirklich praktisch auslesen könnten. Wenn man also wirklich von einer Trennung ausgeht, hat man noch ein paar Rückzugspositionen."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 08.07.2021 - Wissenschaft

Vor einiger Zeit hat sich ein "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit" gegründet, um gegen Dogmatisierungstendenzen in den Geisteswissenschften zu protestieren (unsere Resümees). Nun gibt es eine Gegengründung unter fast gleichem Namen, berichtet Mathias Brodkorb in der FAZ: "Beide Netzwerke trennen ideologisch Welten. Während dem eigentlichen, als eher konservativ geltenden Netzwerk Hochschullehrer fast aller Disziplinen und Weltanschauungen angehören, speisen sich die Mitglieder der Nachfolgeorganisation vor allem aus der Medienwissenschaft, den Gender Studies und der Rassismusforschung und dürften daher überwiegend dem linken Milieu verpflichtet sein. Und während in dem einen Netzwerk immer wieder sehr viel von 'Wahrheit' die Rede ist, die der Freiheit bedürfe, geht es in dem anderen um 'Macht' und deren 'Aushandlungsprozesse'." Zu den Gründern des neuen Netzwerks gehört Yasemin Karakasoglu, deren Name einst durch einen Brandbrief gegen Necla Kelek in der Zeit bekannt wurde (unsere Resümees).

9punkt - Die Debattenrundschau vom 28.06.2021 - Wissenschaft

In der SZ fragt sich Nicolas Freund, was er von den Ufos halten soll, die angeblich überall gesichtet wurden. "Fakt ist: Die amerikanische Armee und der nüchterne Barack Obama haben die Existenz von Ufos offiziell bestätigt. Radarsysteme, Kameras und gut ausgebildete Navy-Piloten berichten seit Jahren von Sichtungen unbekannter Flugobjekte oder UAP, Unidentified Aerial Phenomena (etwa: unbekannte Luftraumphänomene), wie die Dinger inzwischen genannt werden, weil das Wort Ufo leider zu sehr von den Spinnern vereinnahmt worden ist. Irgendwas ist da oben. ... Nur: Wer sagt eigentlich, dass irgendein Zusammenhang besteht zwischen verwackelten Infrarotvideos und außerirdischem Leben, für das es - wir erinnern uns - nach wie vor keinerlei Beweise gibt?"
Stichwörter: Ufos, Obama, Barack

9punkt - Die Debattenrundschau vom 25.06.2021 - Wissenschaft

Die Philosophen Tobias Rosefeldt, Thomas Grundmann und Geert Keil nehmen in der FAZ Stellung zum Streit um #IchBinHanna, also den Protest des akademischen Mittelbaus gegen die vielen befristeten Stellen. Die müssten gar nicht sein, meinen sie, wenn man die Leute nicht ins Rattenrennen zur Habilitation schicken würde, das nur ein Viertel der Anwärter überlebt: "So wird es in fast allen anderen Ländern mit starken Wissenschaftssystemen gemacht. Die Vereinigten Staaten, England, Frankreich, die skandinavischen Länder: sie alle kommen ohne die Schnapsidee einer zehnjährigen zweiten Qualifikationsphase ohne Möglichkeit der Entfristung aus. Das Beispiel der amerikanischen und englischen Spitzenuniversitäten zeigt, dass dies ohne Qualitätsverluste möglich ist."
Stichwörter: #ichbinhanna

9punkt - Die Debattenrundschau vom 23.06.2021 - Wissenschaft

Im Gespräch mit der NZZ erklärt der Harvard-Astronom Avi Loeb, warum er außerirdisches Leben für nicht unwahrscheinlich hält. Dass es sich nie gezeigt hat, spricht nicht dagegen, meint er, wir sind einfach nicht interessant für die da draußen: "Wir haben erst in den letzten hundert Jahren Technologien entwickelt, die für solche Zivilisationen interessant sein könnten - Technologien, die zeigen würden, dass auch wir eine intelligente Lebensform sein könnten, bei der sich ein Besuch lohnen würde. In der gesamten Geschichte der Menschheit lassen sich Beispiele finden, wie wir beim Versuch, uns gegenüber anderen überlegen zu fühlen, eine Menge Ressourcen für zerstörerische Aktionen vergeudet haben. Das ist kein Zeichen von Intelligenz. Ein Zeichen für die Intelligenz einer Zivilisation ist für mich, dass sie von den Prinzipien der Wissenschaft geleitet ist, dass sie evidenzbasiertes Wissen teilt und in Richtung einer besseren Zukunft zusammenarbeitet. Das haben wir noch nicht erreicht, und allein schon das macht uns nicht ausreichend interessant für außerirdische Zivilisationen. Wir müssen nach ihnen Ausschau halten, nicht umgekehrt."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 17.06.2021 - Wissenschaft

Die Coronakrise war immerhin dazu gut, dass sie in der Gesellschaft - etwa an den Bühnen, jetzt an den Unis - strukturelle Ungerechtigkeiten in den Vordergrund rückte, die alle bisher stillschweigend ignorierten, die einen, weil sie profitierten, die anderen, weil sie sich nicht wehren konnten. Die taz greift heute die Protestbewegung #IchBinHanna (unser Resümee) des akademischen Mittelbaus auf, der gegen seinen prekären Status protestiert. Ralf Pauli kommentiert: "Von den prekären Arbeitsbedingungen an Hochschulen weiß der Bund schon lange - und dennoch ändert er kaum etwas daran. Im Gegenteil: Mit den Milliardenzuschüssen, die er über die Exzellenzstrategie und andere Förderprogramme verteilt, kettet er Hochschuljobs an Förderlaufzeiten. Dass die Unis solche Drittmittel gerade deshalb gerne nehmen, ist kein Geheimnis: Sie stärken ihr Profil, ohne dauerhafte Personalkosten zu verursachen." Nicole Opitz hat für die taz mit drei Wissenschaftlerinnen über das Thema gesprochen.

In der SZ nimmt Gustav Seibt die "Marktlügen" des Systems unter die Lupe: "Wenn nach Jahren der 'Qualifikation' schon statistisch nur ein Bruchteil der dann hochspezialisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überhaupt Aussicht auf eine Festanstellung hat, dann nimmt das System eine große Zahl gebrochener Erwerbsbiografien kalt lächelnd in Kauf. In den noch überschaubaren persönlichen Nahverhältnissen der Universitäten die Rekrutierung des Nachwuchses mit einem solchen Scheinwettbewerb zu organisieren, führt auch in der Sache nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen. Es befördert Duckmäuserei und Anpassung. Das Humboldt-Mantra von Einsamkeit und Freiheit, seit den Bologna-Reformen absichtsvoll verlassen, hatte seinen Sinn. Angst ums Fortkommen ist Unfreiheit, sie nötigt zum Wohlverhalten gegenüber Vorgesetzten und der Gruppe."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 15.06.2021 - Wissenschaft

Wer planbaren Berufsweg, Festanstellung und Eigenheim wünscht, sollte keine Karriere als Akademiker anstreben, bescheidet in der SZ Marlene Knobloch jungen Menschen, die unter dem Hashtag  "#ichbinhanna" gerade an ihrer prekären Situation als wissenschaftliche Mitarbeiter in befristeten Stellen verzweifeln. Gewiss, das System hat auch seine ausbeuterischen Seiten, aber die Karriere als Wissenschaftler war schon immer eine höchst unsichere Angelegenheit. Und nicht nur dort: "Künstler networken von Ausstellung zu Ausstellung, Verlagen ging es schon mal besser, Schriftsteller, in den Feuilletons gefeiert, mit prekärem Einkommen, ziehen freiwillig monatelang nach Rottweil, um dort als Stadtschreiber zu arbeiten. Liest man die Bitterkeit der jungen Akademiker, scheint ein befristeter Arbeitsvertrag mit Mitte 30 ein Zeugnis des Scheiterns zu sein, des Nicht-geschafft-Habens. Aber seit wann müssen wir mit 35 das Karriereziel erreicht haben? Was soll dieser Wohlstandsdruck?"