9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Wissenschaft

282 Presseschau-Absätze - Seite 6 von 29

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.02.2022 - Wissenschaft

Früher folgte der Lebenslauf dem Leben, heute ist es oft umgekehrt - jedenfalls bei Akademikern. Das lernt Andreas Bernard (SZ) aus einer Untersuchung der Soziologen Julian Hamann und Wolfgang Kaltenbrunner, die achtzig Lebensläufe, die zwischen 1950 und 2010 für Bewerbungen auf Professuren in Germanistik und Geschichte eingereicht wurden, analysiert haben. So waren akademische Lebensläufe "bis in die Siebzigerjahre" Erzählungen, die "organische Entwicklungen beschrieben". Danach setzte sich mehr und mehr die Listenform durch, die zunächst einer Demokratisierung der Bildung geschuldet war, später jedoch vor allem die Karrierefähigkeit der Bewerber inszenierten sollte: "Im strotzenden CV von heute, in dem sich Erfolg an Erfolg reiht, ... sind zwar die Privilegien früherer Herkunftsgeschichten in den Hintergrund geraten, aber erkauft wird diese Egalisierung durch die stählerne Konkurrenz von Anwärtern, die nicht nur ihre Veröffentlichungen in möglichst hochbewerteten Journalen und ihre im Lauf des Berufslebens angebotenen Seminare minutiös auflisten müssen, sondern auch die Summen der erfolgreich beantragten Drittmittel - eine Kategorie akademischer Begabung, die, wie Hamann und Kaltenbrunner erwähnen, bis in die Achtzigerjahre hinein in den Lebensläufen unbekannt war."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 03.02.2022 - Wissenschaft

Die NZZ bringt ein episches Interview mit dem Hamburger Physikprofessor Roland Wiesendanger, der die These wiederholt, dass das Covid-Virus aus einem Labor in Wuhan stammt - Wiesendanger war dafür im letzten Jahr als Verschwörungstheoriker angegriffen worden, bevor seine Thesen - ohne letzten Beweis - überprüft wurden. Entscheidend sei bei dem Virus eine "Furin-Spaltstelle", die vor dem Ausbruch von Covid nie bei Coronaviren gefunden worden sei und die für eine Manipulation spreche. Zu seinem Interviewer Marcel Gyr sagt Wiesendanger: "In unmittelbarer Nähe des weltweiten Zentrums für die Forschung mit Coronaviren, da, wo nachweislich Chimären, also künstliche Hybriden, geschaffen wurden, die besser an menschliche Zellrezeptoren andocken können, und da, wo man vorhatte, in ein Coronavirus eine Furin-Spaltstelle einzubauen . . . genau hier bricht Sars-CoV-2 aus, ein Virus mit der außergewöhnlichen Eigenschaft, über eine Furin-Spaltstelle zu verfügen."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.01.2022 - Wissenschaft

Auch der Psychiater Borwin Bandelow macht in der Welt den Aberglauben in Deutschland mit dafür verantwortlich, dass es so viele Impfgegner gibt: "So können in Deutschland homöopathische Zubereitungen ohne wissenschaftliche Untersuchungen auf den Markt gebracht und zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Während für 'richtige' Arzneimittel klinische Doppelblindstudien gefordert werden, trifft das für Homöopathika nicht zu. Kein Hersteller der alternativen Mittel hat jemals solche Studien vorgelegt. Warum sollten sie auch? Die Millionen verdienen sie auch ohne einen solchen Nachweis. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 550 Millionen Euro mit solchen Präparaten umgesetzt. Es sind zum Teil die gleichen Menschen, die auf die ungeprüften Kügelchen schwören, aber von den Impfstoffherstellern noch mehr Langzeitdaten verlangen."
Stichwörter: Impfgegner, Bandelow, Borwin

9punkt - Die Debattenrundschau vom 24.12.2021 - Wissenschaft

In einem sehr langen Interview mit der SZ bekräftigt Christian Drosten seine Kritik an Teilen der Medien und hält fest, dass es die von Bild und Co so gern behaupteten großen Differenzen nicht gibt: "Es entstand nur der Eindruck durch False-Balance-Mechanismen und Mutmaßungen in einzelnen Medien, wo gezielt Antagonisten aufgebaut wurden. Das hält sich leider bis heute und nimmt teils absurde Züge an. Gerade eben wurde wieder das Bild von der 'Scharfmacherfraktion' um Drosten gezeichnet, die abgestimmt darauf aus ist, der Politik ihre Sichtweise aufzudrängen. Das sind Fantasiegeschichten. Mit der Realität hat das nichts zu tun." Außerdem meint er, die Briten könnten es wegen ihrer guten Impfquote schaffen, nach dem Herbst nächsten Jahres in die endemische Phase einzutreten. "In Deutschland wird es viel schwieriger werden - wegen der großen Impflücken in der älteren Bevölkerung. Das Boostern ist wichtig, aber es gibt auch noch viel zu viele gar nicht geimpfte Menschen über 60 Jahre, die die Infektion bisher nicht durchgemacht haben. Wenn wir das Virus jetzt durchlaufen lassen, werden wir viele Tote haben und volle Intensivstationen. Davor darf man nicht die Augen verschließen, deshalb handelt ja auch die Politik."
Stichwörter: Corona, Drosten, Christian

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.11.2021 - Wissenschaft

Die mRNA-Impfstoffe wie Biontech und Moderna sind eine wissenschaftliche Revolution, erklärt Andrian Kreye in der SZ. Um das zu verstehen, empfiehlt er das Erklärvideo des Vaccine Makers Project, einem Projekt des Kinderkrankenhauses in Philadelphia: "Dem kann man visuell schon mal ganz gut folgen. Die entscheidende Botschaft aber verkündet die freundlich-sachliche Frauenstimme bei Sekunde 45. Der Botenstoff des Vakzins dringt weder in den Zellkern des Menschen ein, noch verändert er das Erbgut. Er bleibt nicht einmal allzu lange im Körper, auch wenn die Wirkung bleibt. Die mRNA des Impfstoffs funktioniert eher wie ein Ausbilder, der die Abwehrzellen des Menschen darin trainiert, mit dem neuen Virus fertigzuwerden. Sie ist ein Botenstoff, der die Proteine anspricht, also jene Bausteine des Körpers, die alle biologischen Prozesse vollziehen. Das klingt wie eine Art Entwicklungshilfe für den Organismus. Ist es auch. Die Beherrschung dieser Proteine ist seit vielen Jahren eines der großen Ziele der Forschung. Die Wissenschaftler manipulieren das Erbgut des Menschen also nicht, sie verstehen es nur."

Vorne auf der Seite 3 der SZ erklären Michael Bauchmüller und Vera Schroeder, dass nach allen wissenschaftlichen Studien der mRNA-Impfstoff von Moderna, der jetzt erst mal bevorzugt verimpft werden soll, mindestens genauso gut und wirksam ist wie der von Biontech.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 17.11.2021 - Wissenschaft

Es gibt etwa 600 Millionen weniger Vögel in Europa als noch vor vier Jahrzehnten, berichtet Enno Schöningh unter Bezug auf verschiedene Berichte in der taz. Besonders schlimm haben die Spatzen gelitten, deren Bestand um 247 Millionen zurückgegangen sei. "Der Spatz verschwindet sogar sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Das Forschungsteam vermutet, dass der Rückgang des städtischen Bestands auf Nahrungsmangel, Luftverschmutzung und Krankheiten wie Vogelmalaria zurückzuführen ist. Dies sei aber noch nicht abschließend geklärt. Außerdem beschneide die 'stärkere Verbauung und Flächenversiegelung' den städtischen Lebensraum der Spatzen und verhindere Nistmöglichkeiten, sagt Magnus Wessel, Experte für Naturschutzpolitik und -koordination beim Naturschutzverband BUND. 'Es braucht mehr kleinteilige Strukturen, mehr Brachen und mehr Randstreifen, die Vögeln als Refugium dienen können.'"
Stichwörter: Spatzen

9punkt - Die Debattenrundschau vom 13.11.2021 - Wissenschaft

Mal was ganz anderes: Wolfgang Stieler erklärt dem geneigten Publikum bei heise.de, was "Metamaterialien" sind, Materialien, die komplex sind und sich paradox verhalten. Die ersten kommen zur Anwendung, etwa in den "Phononic Vibes". Ein "Spin-off der Polytechnischen Universität Mailand hat hochwirksame akustische Metamaterialien entwickelt, die in dünnen transparenten Schallschutzwänden oder Absorbern neben Schienen zum Einsatz kommen... Die Materialien enthalten ein periodisches Gitter mechanischer Resonatoren. Das Zusammenspiel von Trägermaterial und Resonatoren sorgt dafür, dass Schallwellen bestimmter Frequenzen sich in dem Material nicht ausbreiten können - sie werden gefangen." Der Effekt wird hier demonstriert, völlig zurecht mit der "Carmina burana", ab Sekunde 26 mit Ton (beziehungsweise ohne).
Stichwörter: Metamaterialien

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.10.2021 - Wissenschaft

Wie sollen deutsche Sinologen mit den Konfuzius-Instituten umgehen, über die China immer wieder versucht, kulturellen Einfluss zu gewinnen und ein positives Bild von China zu verbreiten? Eine Frage, die nach mehreren Zensurfällen immer dringlicher diskutiert wird, berichtet Lea Sahay in der SZ. Zumal es noch ein anderes Problem gibt: "Wie die Fürsprecher der Kooperationen mit der Volksrepublik betonen, fehlt es in Deutschland an China-Kompetenz. Die von Peking gesponserten Institute gelten als wichtige Bildungsträger - vor allem weil sie meist die einzigen Anbieter in einer Region sind. Dass es an den seit Langem geforderten Alternativen mangelt, ist nicht nur ein Finanzierungsproblem. Die Kommunistische Partei hat den Zugang zum Land in den letzten Jahren immer weiter beschränkt. Visa werden seltener ausgestellt, Bildungsreisen ohne chinesische Partner sind kaum noch möglich."
Stichwörter: China, Konfuzius-Institute

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.09.2021 - Wissenschaft

Der Philosoph Peter Boghossian hat nach zehn Jahren an der Portland State University, gekündigt, weil sie ihm zu illiberal geworden sei und dort ein Klima der ideologischen Konformität und der Angst herrsche: "Angst davor, seine Meinung zu äußern, Angst davor, als Rassist bezeichnet zu werden", erklärt er im Interview mit der Welt. "Ich habe einen kritischen Artikel im Chronicle of Higher Education veröffentlicht, woraufhin man in einer Fakultätssitzung die Entscheidung traf, dass Kritik an der 'Critical Race Theory' einer Belästigung von Wissenschaftlern gleichkommt. Doch Kritik an Ideen ist keine Belästigung, das habe ich auch öffentlich kundgetan. Tatsächlich ist es nicht nur keine Belästigung, es ist unser Job. Als Wissenschaftler wird man dafür bezahlt, zu lehren, zu veröffentlichen und sich mit Ideen auseinanderzusetzen. Doch so wird man daran gehindert, diese Orthodoxie in Frage zu stellen. Stellt man eine Frage, gilt das als Mikro-Aggression. Stellt man einen Grundsatz der 'Critical Race Theory' in Frage, ist man ein Belästiger oder ein Rassist. Es wurde also ein auf bizarre Weise perfektes Vorgehen implementiert, um zu verhindern, dass diese Ideen kritisiert werden."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 07.09.2021 - Wissenschaft

In der NZZ stellt Urs Hafner das neue Open-Access-Journal Histories vor. "Histories kommt fast schon Science-mäßig daher: international, englisch und 'open access' (kostenlos abrufbar), mit Peer-Review (Prüfung der Beiträge durch anonyme Gutachter) und Autorgebühren. Wer in Histories publiziert, muss tausend Franken bezahlen. Die Redaktion arbeitet schnell und zuverlässig: Zwei bis drei Monate nach Einreichen des Manuskripts wird dieses publiziert. Bei der Konkurrenz, der altehrwürdigen Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte (gegründet 1873) und dem 1994 lancierten Reformjournal Traverse, dauert dieser Prozess ein bis zwei Jahre. Das ist zu lange." Für einigen Argwohn sorgt allerdings die Tatsache, dass Histories Teil des Unternehmens MDPI (Multidisciplinary Digital Publishing Institute) ist, das wiederum dem Chinesen Shu-Kun Lin gehört.