Vor fünfzig Jahren wurde die japanische Botschaft in Kuwait von Mitgliedern der "Volksfront zur Befreiung Palästinas" gestürmt, gleichzeitig nahmen Mitglieder der Japanischen Roten Armee auf einer Anlage des Shell-Konzerns auf einer Insel vor Singapur fünf Geiseln. Auch die
Japanische Rote Armee hat Dutzende Israelis auf dem Gewissen,
erinnert Arno Widmann in der
FR. Und betont: "Es
gab linken Antisemitismus." Er selbst engagierte sich Ende der sechziger Jahre, so schreibt er, bei der maoistischen Minipartei KPD/ML - bis er ein
Schlüsselerlebnis hatte: "Zu dieser Episode gehört auch, dass die RAF im Jahr darauf gegründet wurde und dass die Frankfurter KPD/ML bald danach sich selbst zerschlug. Allerdings klingelte am 6. oder 7. September 1972 ein Genosse
an meiner Wohnungstür und fragte, ob ich nicht jemanden für ein paar Tage unterbringen könnte. Ich wehrte erschrocken ab. Begründete die Ablehnung aber nicht politisch, sondern mit der Anwesenheit meiner Ehefrau und meines Kindes. Es ging offensichtlich darum, jemandem Unterschlupf zu gewähren, der - wie auch immer - verwickelt war in den Anschlag auf die
israelische Olympiamannschaft bei den Olympischen Spielen in München. Das Gespräch dauerte keine zwei Minuten. Aber mir wurde klar, wie falsch ich mich positioniert hatte. Wie sonst konnte er auf die Idee kommen, ausgerechnet bei mir zu klingeln."
Mit Schrecken und Traurigkeit kommen
Haya Schulmann und
Michael Waidner, beide Professoren für Sicherheit in der Informationstechnologie, in der
FAZ auf die
deutsche Gleichgültigkeit nach den Hamas-Pogromen vom 7. Oktober zurück. Anders als bei Muslimen, denen in den extremen Diskursen der AfD die Ausweisung droht, oder im Fall der Ukraine gab es gegenüber Israel und Juden in Deutschland keine breiteren Bekundungen von Solidarität, statt dessen Demonstrationen, "klein und leise pro Israel, groß und laut pro Palästina. Der Eindruck entstand, es gehe um einen Konflikt zwischen Israel und Palästina, nicht um den Kampf Israels gegen die Terrororganisation Hamas und ihre Verbündeten. Der einst breite Konsens darüber,
was Terror ist, scheint verloren. Der Hamas ist es gelungen, die
Realität zu verdrehen und aus legitimer Selbstverteidigung gegen den Hamas-Terror einen ungerechtfertigten Angriff auf die Bevölkerung Gazas zu machen."
Harvard-Präsidentin
Claudine Gay ist zwar zurückgetreten (unsere
Resümees). Aber
Lawrence H. Summers, ehemaliger Präsident der Harvard-Universität,
bekennt in einem längeren Twitter-Post, dass sein Vertrauen in die Leitung der Uni beschädigt bleibt. Was ihn stört, ist nicht, dass propalästinensischen Stimmen an der Uni viel Raum gegeben wird. "Ich stelle fest, dass der intellektuelle Erbe Edward Saids,
Rashid Khalidi, der von vielen als antisemitisch angesehen wird, seit dem 7. Oktober
zweimal eingeladen wurde, an der Universität zu sprechen. Natürlich sollte es jedem freistehen, zu sprechen oder Redner einzuladen. Ich stelle auch mit Enttäuschung, aber nicht wirklich mit Überraschung fest, dass Harvard meines Wissens nach keine Redner wie Dennis Ross oder Bret Stephens eingeladen hat, die
pro-israelische Positionen vertreten." Und natürlich "gab es keine öffentliche Diskussion über die frühere
Zusammenarbeit von Harvard mit von den Nazis kontrollierten deutschen Universitäten, über
Quoten für Juden oder über die jüngste Diskriminierung israelischer Studenten."
Die Literaturwissenschaftlerin und Journalistin
Rachel Salamander hat die
Moses-Mendelssohn-Medaille in München erhalten. In ihrer Rede zur Preisverleihung, die in der
SZ abgedruckt ist, thematisiert sie die Folgen des 7. Oktober und die neuerlichen, beziehungsweise nie verschwundenen Gefahren, denen jüdisches Leben ausgesetzt ist: "Der 7. Oktober 2023 hat unmissverständlich klargemacht, dass es
wieder keine jüdische Generation gibt ohne Verfolgung und Vernichtung." Vieles, was in der Vergangenheit überwunden schien, sei heute wieder an der Tagesordnung: "Ist heute die Rede von Juden, so meist nurmehr noch im Kontext von Antisemitismus, KZ oder Krieg. Vor nicht allzu langer Zeit sah das noch ganz anders aus. Da rühmte man ihren Geist, ihre Weltläufigkeit, ihren Witz und ihre so großartigen Beiträge zur deutschen Kultur. Heute scheiden sich im pluralen Kulturmilieu an ihnen die Geister. Juden und Israel sind zum
Zankapfel einer sich moralisch überlegen fühlenden Avantgarde geworden. Einladungen, Ausladungen, Entzweiungen, Cancel Culture, ein Kampf der offenen Briefe mit garantierter Medienaufmerksamkeit. Auf der Strecke bleibt die zivilisierte gegenseitige Anerkennung. Das Gespräch der Verschiedenen, das mir am Herzen lag, ist Vergangenheit."