9punkt - Die Debattenrundschau

Gründe für einen verhaltenen Optimismus

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
24.03.2017. Haben Trumps Leute das Land an den russischen Geheimdienst verraten, fragt die New York Times. In der SZ erzählt der russische Hacker Kris Kaspersky kurz vor seinem Tod, warum das russische Hackermilieu heute dem Vaterland dient. Annekathrin Kohout untersucht in ihrem Blog, was der Kampf gegen moderne Kunst und der gegen populäre Kultur gemeinsam haben. Im TagesAnzeiger hebt der Historiker Ian Kershaw das Kinn.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 24.03.2017 finden Sie hier

Politik

New York Times-Autor Nicholas Kristof geht den Gerüchten nach, dass Trumps Leute und der russische Geheimdienst kooperierten, um Hillary Clinton zu schaden, die aber auch er bisher nicht völlig erhärten kann, und schließt: "Die Frage ist heute nicht, ob Trump gelogen hat, oder ob die Geheimdienste undichte Stellen haben oder Trump abhörten, die kritische Frage is so monumental wie einfach: Gab es Verrat?"

Tim Neshitov erzählt in der SZ von seinem Treffen mit dem russischen Hacker Nikolai Lichatschow alias Kris Kaspersky, kurz bevor der im Februar bei einem Fallschirmabsprung in Florida starb. Kaspersky war nach Amerika geflohen, weil er nicht für den russischen Geheimdienst arbeiten wollte: "'Spätestens ab 2008 musste man sich entscheiden, für wen man arbeitet', so Kaspersky, er selbst habe auf der Couch in seinem Dorf gelegen und sei nur noch depressiv gewesen. 'Einen Kumpel von mir haben sie in ein dunkles Loch eingesperrt. Er konnte weder stehen noch sitzen, kein Essen, kein Wasser. Irgendwann hat er der Heimat Ja gesagt.' ... 'Das ganze russische Hackermilieu ist nicht mehr, was es war. Die Grenzen zwischen den Kriminellen und den Patriotischen verschwinden. Man muss die Leute zu nichts mehr zwingen, sie dienen von alleine dem Vaterland.'"
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Ideen

Die Bloggerin Annekathrin Kohout untersucht auf ihrem eigenen Blog und beim Merkur (hier) ein Youtube-Video über "popular Culture" des neurechten Autors Paul Joseph Watson, der Trump nahesteht und zwei kulturpessimistische Diskurse verschränke: den gegen moderne Kunst und den gegen populäre Kultur: "Watson changiert zwischen diesen beiden Traditionen des Kulturpessimismus. Das ist verwirrend, weil sie sich in ihren groben Varianten in ihren Motivationen widersprechen. Während die einen den 'Untergang' der westlichen Zivilisation an der Hochkultur ablesen, mit der Motivation, Kritik an einer sich immer weiter isolierenden Elite zu formulieren, sehen die anderen in der populären Kultur Anzeichen für den Kulturverfall und wollen damit nicht zuletzt gerade ihr eigenes Elitebewusstsein schärfen."
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Stichwörter: Kulturpessimismus

Gesellschaft

Von den Zuständen der 30er Jahren sind wir doch weit entfernt, meint der britische Historiker Ian Kershaw im Interview mit dem TagesAnzeiger. Also: chin up und auf das Postive setzen! "Es gibt Bereiche, in denen wir in den vergangenen Jahrzehnten gewaltige Fortschritte gemacht und viel größere Toleranz gelernt haben. Denken Sie nur an unser gewachsenes Bewusstsein für Frauendiskriminierung, Rassismus oder für Behinderte. Vor den 60er-Jahren hätte man auch nicht gedacht, dass die Homosexuellenehe möglich wäre. Es gibt also Gründe für einen verhaltenen Optimismus, dass sich die Werte eines liberalen Europa auf Dauer durchsetzen werden."
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Geschichte


Anna Dasovic: "And he knew that someone who had witnessed these things might be too stunned to speak", Video, 2016

In der NZZ berichtet Gabriele Hoffmann von der Ausstellung "Post-Peace", die eigentlich in Istanbul gezeigt werden sollte und nach einer kurzfristigen Absage nun im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart zu sehen ist: "Zur ehrlichen Bestandsaufnahme von Post-Peace in Europa gehören Fragen zu Kolonialismus und Faschismus, wie sie in dieser Ausstellung von Künstlern auf gedanklich und technisch unterschiedlichen Wegen beantwortet werden... Die niederländische Künstlerin Anna Dasovic wiederum ist in einer vielteiligen filmischen Arbeit verschiedenen Formen der Erinnerung an den Holocaust nachgegangen. Besonders eindringlich ist ihr Filmprojekt, das mit Aufnahmen von 1945 zeigt, wie Bewohner aus Weimar von amerikanischen Soldaten gezwungen werden, das KZ Buchenwald zu besuchen."
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Stichwörter: Kolonialismus, Faschismus