Ina Hartwig

Wer war Ingeborg Bachmann?

Eine Biografie in Bruchstücken
Cover: Wer war Ingeborg Bachmann?
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017
ISBN 9783100023032
Gebunden, 320 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Ingeborg Bachmann ist ein Mythos der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur. Die divenhaften Auftritte und die frühe Berühmtheit, die Beziehungen mit Paul Celan und Max Frisch und nicht zuletzt ihr rätselhafter, tragischer Tod sorgen für ein glamouröses Bild. Ina Hartwig schaut hinter die Fassade und entdeckt in zahlreichen Gesprächen mit Zeitzeugen wie Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser oder Henry Kissinger eine andere Persönlichkeit: Ingeborg Bachmann als politisch denkende Intellektuelle und Medienprofi, als Dichterin, die trotz all ihrer Gefährdungen überrascht mit Witz und lebenspraktischer Klugheit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.01.2018

Ina Hartwigs Versuch, sich Ingeborg Bachmann zu nähern, besticht laut Steffen Martus durch seine Beiläufigkeit. Zufällige Begegnungen führen zu Meinungen und Erinnerungen, führen zu überraschenden Wendungen und Fragen, aber nicht unbedingt zu Antworten, erklärt Martus das Vorgehen der Autorin. Ob Hartwig in Rom den letzten Spuren der Bachmann nachgeht oder nach ihrer Berliner Wohnung sucht, die Autorin springt von Szene zu Szene, so Martus. Sogar der Blick in die seelischen Abgründe Bachmanns bekommt so laut Rezensent etwas Leichtes. Wer Bachmann war, tablettensüchtige Diva oder kühle Strategin, kann Hartwig trotz Feingefühls beim Zerlegen der Selbstinszenierungen der Dichterin nicht erklären, meint Martus. Vor allem für die Lyrikerin Bachmann interessiert sich das Buch herzlich wenig, so der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.01.2018

Nach eingehender Lektüre unterschiedlicher Werke von und über Ingeborg Bachmann muss Rezensent Franz Haas feststellen: Ina Hartwig hat nicht viel Neues zu bieten. Immerhin zum Verhältnis zwischen Henry Kissinger und Bachmann kann ihm die Literaturkritikerin ein paar unbekannte Details verraten. Dennoch: Hartwigs Ansatz, verschiedene Mythen um Bachmann zu "entzaubern", scheint dem Kritiker zwar verdienstvoll - der Mischung aus aufgeschnappten Zeitzeugenberichten und Psychologisierungen der Autorin kann Haas hingegen nur wenig abgewinnen. Da Bachmanns Nachlass immer noch nicht vollständig zugänglich ist, will der Rezensent dies allerdings nicht nur der Biografin ankreiden.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 06.01.2018

Richard Kämmerlings sieht mit Ina Hartwig die versierte Hermeneutin am Werk, wenn die Autorin Ingeborg Bachmann als intellektuell wie sexuell souveräne Frau zeichnet, deren Lebenshunger einen zerstörerischen Keim in sich trug. Nüchtern, so Kämmerlings, konstatiert die Biografin gegen alle Mystifikationen die Tabletten- und Alkoholsucht der Bachmann. Dass Hartwig sich formal an das Chaotische diese Lebens "anschmiegt", scheint dem Rezensenten weniger gut zu gefallen. Recht spekulativ, wenngleich auch spannend, findet er, geraten Hartwigs Ausführungen. Wenn die Autorin sich dazu aufschwingt, Bachmann eine promiskuitive, "pasolinihafte" Seite anzudichten, ist für Kämmerlings die Grenze zur Kolportage überschritten. Wer Bachmann wirklich war, kann ihm die Autorin indes nicht beantworten.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.12.2017

Wie schreibt man über eine Dichterin, deren umfassende Biografie vor gerade mal vier Jahren von Andrea Stoll veröffentlicht wurde, ohne nur bereits bekanntes Terrain abzuschreiten, fragt sich Rezensent Stephan Wackwitz. Ina Hartwig tut dies, indem sie sich die Frage "Wer war Ingeborg Bachmann?" im gleichnamigen Buch in essayistischer Form widmet und nicht eine auf die andere Lebensstation in chronologischer Reihenfolge abgeht. Das Biografische tritt hier also in den Hintergrund, wird sensibel interpretiert und mit den Eindrücken eigener Begegnungen aufgearbeitet, erzählt der Rezensent, der das höchst gelungen findet: Die entschieden als solche konzipierten Fragmente ergeben für ihn eine intelligente und stellenweise geradezu beeindruckende psychoanalytische Arbeit, welche die Stärken der Methode untermale.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.12.2017

Kristina Maidt-Zinke vermisst einen Exkurs zu Ingeborg Bachmanns Dichtungen in Ina Hartwigs Biografie. Abgesehen davon aber scheint sie begeistert von Hartwigs Leistung, ohne Raunen, dafür mit Kennerschaft ein "vielfach gebrochenes" Porträt der Schriftstellerin zu zeichnen. Dass Hartwig für Insider schreibt, vieles voraussetzt, erkennt die Rezensentin zwar rasch, Sog entwickelt das Buch allerdings nicht zuletzt durch die journalistisch geschulte, erzählende Schreibe der Autorin, meint sie. Boulevardeskes, Subjektives hat darin Platz, Zeitzeugen-Aussagen und weniger hard facts, so Maidt-Zinke. Neben dem Bild Bachmanns entsteht daraus laut Rezensentin auch ein Panorama der 50er bis 70er Jahre. Dass Hartwig die dunklen Seiten der Dichterin nicht voyeuristisch ausschlachtet, rechnet ihr die Rezensentin hoch an.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.11.2017

Mit Ina Hartwig und Helmut Böttiger haben gleich zwei Literaturkritiker Ingeborg-Bachmann-Bücher vorgelegt, und die hier rezensierende Schriftstellerin Eva Menasse nutzt die Gelegenheit, auch mal eine Hymne zu schreiben. Während ihr beide Bücher wenig hagiografisch, angenehm nüchtern und wissenschaftlich erscheinen, lobt die Kritikerin insbesondere Hartwig für ihren enormen Rechercheaufwand. Anhand von Gesprächen mit Zeitzeugen, Freunden und Bekannten kann Hartwig nicht nur mit den gängigen Klischees der "Schmerzensfrau" aufräumen, so die Kritikerin, neue Blickwinkel eröffnen und Zweifel beseitigen - Kissinger etwa verneinte Hartwigs Frage nach einer Affäre mit Bachmann nicht, erfahren wir - sondern Menasse freut sich auch über das ein oder andere Bonmot: "Sie trank wie eine Bäuerin, saß aber da in Chiffonkleidern", verrät etwa Peter Härtling. Dass sich die Autorin Bachmann ganz ohne Scheu nähert, dabei ihren eigenen subjektiven Zugang stets mitreflektiert, hat der Rezensentin gut gefallen.