Andreas Bernard

Komplizen des Erkennungsdienstes

Das Selbst in der digitalen Kultur
Cover: Komplizen des Erkennungsdienstes
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017
ISBN 9783103973013
Gebunden, 240 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

In seinem Buch geht es Andreas Bernard um das Selbst in der digitalen Kultur. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass auffällig viele Verfahren der Selbstpräsentation und Selbsterkenntnis in der digitalen Kultur auf Methoden zurückgehen, die in der Kriminologie, Psychologie und Psychiatrie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erdacht wurden: Das Format des "Profils", in den Sozialen Netzwerken heute unbestrittener Ort der Selbstdarstellung, entstand als "psychiatrisches Profil" von Internierten oder als "Täterprofil" von Serienmördern. Die Selbstortung auf dem Smartphone, ohne die kein Pokémon-Go-Spiel und keine Registrierung bei Uber, Yelp oder Lieferando möglich wäre, nutzt eine Technologie, die bis vor zehn Jahren hauptsächlich im Zusammenhang mit der elektronischen Fußfessel bekannt war. Und die Vermessungen der "Quantified Self"-Bewegung zeichnen Körperströme auf, die einst die Entwicklung des Lügendetektors voranbrachten. Andreas Bernard geht der Frage nach, warum Geräte und Verfahren, die bis vor kurzem Verbrecher und Wahnsinnige dingfest machen sollten, heute als Vehikel der Selbstermächtigung gelten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.12.2017

Rezensentin Marie Schmidt lernt in dieser, wie sie findet, sehr lesenswerten und "aufregenden" Studie des Journalisten und Kulturwissenschaftlers Andreas Bernard, wie wir uns selbst zu "Komplizen des Erkennungsdienstes" machen. Der moderne Mensch verhalte sich durch die Preisgabe von Daten, etwa Fotos, Statusmeldungen, Kontakten oder Kommentaren im Netz, zu sich selbst wie der Polizist zum Delinquenten, erfährt die Kritikerin. Mit großem Interesse liest sie darüber hinaus nicht nur, dass jene "Profilierung" in sozialen Netzwerken aus der Kriminologie und den Humanwissenschaften, etwa der Anthropometrik und Psychophysik des 19. Jahrhunderts, stammt, sondern Schmidt lernt auch einiges über den Wertewandel der letzten Jahrzehnte: Wurde vor dreißig Jahren noch gegen Volkszählungen protestiert, werde die "Verdatung" des Menschen heute gemeinhin akzeptiert. Gern hätte die Rezensentin allerdings auch etwas über "nichtpolizeiliche" Formen der Selbstpräsentation wie Stammbücher, Poesielalben, Vorgärten oder Moden erfahren.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.09.2017

Jens-Christian Rabe lernt bei Andreas Bernard, dass 1984 ein Kinderbuch gewesen ist verglichen mit der Realität, in der das Verspechen der Freiheit und Selbstentfaltung direkt in die totale Überwachung und Profilierung führt, die einst nur Schwerverbrecher betraf, heute aber jeden digitalen User. Lobenswert am Buch des Lüneburger Kulturwissenschaftlers findet Rabe den darin skizzierten dritten Weg zwischen progressivem und depressivem Umgang mit der technologischen Entwicklung und der Frage, was es heute heißt, ein Individuum zu sein. Besonders hat Rabe Bernards Orwell-Lektüre beeindruckt, die Refugien bedeute, an die die Medien nicht heranreichten.
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