Efeu - Die Kulturrundschau

Liebe, Sex und gesellschaftlicher Kommentar

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27.12.2014. Weder als religiöse Botschaft, noch als politischen Kommentar möge man seinen Bibelfilm "Exodus" verstehen, erklärt Ridley Scott in der Berliner Zeitung. In der taz verwahrt sich Nairy Baghramian gegen das Etikett der "iranischen Künstlerin", und Johan Simons erinnert sich an seine Begegnung mit Siegfried Lenz. Jungle World bejubelt den antimanieristischen Pop von Baxter Dury. Und die FAZ hofft bei Sean Scullys durch China tourender Ausstellung auf Subversion durch Abstraktion.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.12.2014 finden Sie hier

Kunst

Für die taz trifft sich Katrin Bettina Müller mit der Künstlerin Nairy Baghramian, die gerade in Berlin und in Mönchengladbach ausgestellt wird. Das Etikett "iranische Künstlerin" weist sie explizit zurück: ""Ich lebe nicht dort, ich arbeite nicht unter den politischen Umständen, die dort gelten. Dieser Irrtum geht zulasten der Künstler, die dort leben. ... Früher spielte bei Künstlern oft eine Rolle, bei wem man studiert hat, welche Meisterklasse; heute geht es darum, wo man herkommt. So erzeugt der Kunstmarkt eine Fiktion von Globalität, dass die Welt sich erweitert hat. Daran glaube ich nicht."

Anne Reimers porträtiert in der FAZ den Künstler Sean Scully, den ersten westlichen Künstler, der in China mit einer tourenden Ausstellung geehrt wird. Was Reimers durchaus freut: "Abstrakte Kunst erscheint auf den ersten Blick als vergleichsweise unverfänglicher Import aus Europa, doch der Kunst von Sean Scully haftet eine Sturheit und eine Freiheit an, die man im chinesischen Kontext auch als subtil subversiv lesen kann." (Bild: "Wall of Light Blue Yellow Blue" aus dem Jahr 2010.)

Marcel Bleuler (Freitag) porträtiert den Transgender-Künstler Wu Tsang aus Los Angeles, dem in Zürich gerade die erste europäische Ausstellung gewidmet ist. Bei ihren Reisen durch Asien gruselt sich Sabine Vogel (Berliner Zeitung) im Genozid-Museum in Kambodscha. Außerdem beklagt die taz in diesem Jahr verstorbene Künstlerinnen und Künstler, darunter die Fotografin Camille Lepage (hier) und den Hamburger Graffiti-Sprayer Oz (hier).
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Film

Eine religiöse Botschaft hat er - dem weihnachtlichen Starttermin zum Trotz - mit seiner Neuverfilmung des biblischen "Exodus" nicht überbringen wollen, stellt Ridley Scott im Gespräch mit Patrick Heidmann in der Berliner Zeitung klar. Ebenso wenig möchte er den Film jedoch als Kommentar zur aktuellen politischen Lage im nahen Osten verstanden wissen: ""Exodus" erzählt eine 5000 Jahre alte Geschichte, und ich bin nicht der erste, der sie erzählt. Damals ist Moses mit 400000 Menschen ins gelobte Land gekommen; und es wäre unklug gewesen, so viele Arbeitskräfte abzulehnen. Und auch heute haben die Juden in Israel ein Zuhause gefunden. Aber ich werde hier nicht weiter darauf eingehen. Um die heutige Situation geht es in meinem Film nicht. Und ich bin auch nicht Oliver Stone!"

Besprochen wird "Exodus" in der FR und NZZ, für die FR spricht außerdem Ulrich Lössl mit Scott. In der NZZ führt der Autor Patrick Straumann durch die einschlägigsten Fahrstuhlszenen der Filmgeschichte. Im Freitag empfiehlt Fabian Tietke die Filmreihe "Beyond the Maps - African Resistance against Colonial Power" im Berliner fsk-Kino. David Steinitz (SZ) trifft sich mit Eddie Redmayne, der in "Die Entdeckung der Unendlichkeit" (hier die Kritik der Berliner Zeitung) Stephen Hawking spielt. Gina Thomas (FAZ) gratuliert der Schauspielerin Maggie Smith zum 80. Geburtstag.

Besprochen werden Susanna Salonens "Patong Girl" (Tagesspiegel) und Didi Hallervordens neuer Film "Honig im Kopf" (FR).
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Musik

Wer sonst macht heute solche Musik, wenn nicht der ewige Insider-Tipp Baxter Dury, jubelt Michael Saager in der Jungle World: "Herzerfrischend antimanieristisch, nahezu spröde instrumentiert, gesangstechnisch sympathisch limitiert: "It"s a Pleasure" ignoriert den ins große theatralische Drama vernarrten Zeitgeist konsequent, die Songs wirken deshalb überraschend beschwingt und ungewohnt." Schwerstens hingerissen ist er auch vom dazugehörigen Video, außerdem kann man das Album bei der Spex streamen.



Ein amerikanisches Indie-Label erkundet mit einer Compilation die von Native Americans in den 60ern eingespielte Rock- und Folkmusik, berichtet Dorian Lynskey im Freitag (eine begeisterte Besprechung gab es zuvor auch schon auf Pitchfork). Im Freitag erklärt Benedikt Bentler, wie ihn Udo Jürgens zum Punkrock brachte. Eine ausführliche Würdigung von Udo Jürgens schreibt außerdem Alain Claude Sulzer in der NZZ. Eric Pfeil erzählt im Poptagebuch des Rolling Stone Schlagzeuger-Anekdoten. In der Berliner Zeitung gratuliert Thorsten Keller Annie Lennox zum 60. Geburtstag. Neu im Logbuch Suhrkamp: Die 14. Folge von Thomas Meineckes Clip-Schule. Franziska Buhre von der taz gewinnt bei den montäglichen Berliner Jazzkeller-Auftritten des Omniversal Earkestra (mehr) ihre "Freude an rollenden Bläsersätzen, druckvollem Drive und Stücken mit echten Anliegen zurück". Hier ein Live-Video:



Besprochen werden eine Aufnahme von Bachs "Brandenburgischen Konzerten" durch das Freiburger Barockorchester (Zeit) und das Comeback-Album "Black Messiah" von D"Angelo ("Liebe, Sex und gesellschaftlicher Kommentar erscheinen hier als Kontinuum", applaudiert Jonathan Fischer in der FAZ).
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Architektur

Im Freitag führt Lennart Laberenz durch neue Le-Corbusier-Literatur.

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Stichwörter: Le Corbusier

Literatur

Jetzt online nachgereicht von der FAZ: Ein Porträt des Digital-Poeten Kenneth Goldsmith und Reinhard Pabsts Bericht von seinem Besuch in Bad Ems, wo er den Spuren von Botho Strauß nachgegangen ist. Bernhard Blöchl berichtet online auf der SZ von seiner Begegnung mit "Brenner"-Autor Wolf Haas. In der SZ führt Thomas Steinfeld durch Leben und Werk Astrid Lindgrens, die in Schweden und Dänemark gerade mit einem neuen Dokumentarfilm und einer neuen Biografie geehrt wurde. Für die Welt spricht Clara Ott mit David Nicholls über seinen neuen Roman "Drei auf Reisen". Die taz bringt die Kurzgeschichte von Gerasimos Bekas, mit der der Autor beim Open Mike 2014 den taz-Publikumspreis gewonnen hat. In der NZZ gratuliert Martin Zingg dem Schweizer Schriftsteller Markus Werner zum Siebzigsten. Außerdem veröffentlicht die FAZ einen 1862 anonym erstveröffentlichten, vom Germanisten Gerd Eversberg entdeckten und in keiner Werkausgabe dokumentierten Text "Das Nummerträumen" von Theodor Storm, in dem sich der Autor mit Glaube und Aberglaube auseinandersetzt.

Besprochen werden Isaak Babels "Mein Taubenschlag - Sämtliche Erzählungen" (Jungle World), James Salters "Jäger" (Zeit), Liao Yiwus "Gott ist rot" (FAZ), Pedro Rieras und Nacho Casanovas Comic "Intisars Auto - aus dem Leben einer jungen Frau im Jemen" (Tagesspiegel), Anthony Horowitz" Sherlock-Holmes-Krimi "Der Fall Moriarty" (FR), eine Neuausgabe von Erich Maria Remarques "Im Westen Nichts Neues" (FR), Richard McGuires Comic "Hier" (SZ) und Bodo Kirchhoffs "Verlangen und Melancholie" (FAZ).
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Religion

Für den Tagesspiegel besucht Bernhard Schulz eine Ausstellung im Schnuetgen-Museum Köln über die Heiligen Drei Könige und staunt dabei über den "Bestand an Objekten des vermeintlich dunklen und kunstlosen frühen Mittelalters".

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Bühne

In der taz erinnert sich Regisseur Johan Simons im Gespräch mit Felix Zimmermann an seine Begegnung mit dem wenig später verstorbenen Siegfried Lenz, dessen "Deutschstunde" er gerade auf die Bühne gebracht hat: "Er schwebte schon ein bisschen, natürlich - aber so alte Menschen, die schweben. ... Die Paradoxie aus weiter Landschaft und geistiger Enge war ein wichtiges Thema, das ich vom Gespräch mit ihm mitgenommen habe. Das Bühnenbild hat viel damit zu tun."

Andreas Fanizadeh (taz) beobachtet Schorsch Kamerun beim Proben in Minsk, interessiert sich im Großen und Ganzen dann aber doch eher für Architektur und Geschichte der weißrussischen Hauptstadt. Der Pianist András Schiff denkt in einem (leider noch nicht online verfügbaren) Essay in der NZZ über das deutsche Theater nach. Besprochen wird Manfred Thierry Muglers im Friedrichstadtpalast Berlin aufgeführtes Varieté-Stück "The Wyld" (taz).
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