9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Politik

2113 Presseschau-Absätze - Seite 4 von 212

9punkt - Die Debattenrundschau vom 08.03.2024 - Politik

Nachdem der Staat Nicaragua Deutschland vorgeworfen hat, es leiste Beihilfe zu israelischen Kriegsverbrechen sowie zu einem israelischen Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen, muss sich Deutschland nun vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verantworten. Die Erfolgsaussicht der Klage dürfte allerdings mäßig sein, erfährt Ronen Steinke in der SZ von dem deutsch-britischen Völkerrechtler Stefan Talmon: "Für den Vorwurf des Völkermords brauche es den klaren Beleg einer entsprechenden Absicht, und auch sonst seien die Hürden sehr hoch. 'Ganz sicher' werde der IGH nicht dem Wunsch Nicaraguas entsprechen, Deutschland zu verbieten, generell weiter Waffen an Israel zu liefern, meint Krajewski. 'Denn es bleibt ja dabei, dass Israel grundsätzlich ein Selbstverteidigungsrecht hat.' Aber: In der Zwischenzeit biete der Gerichtssaal eine große Bühne, um politischen Druck aufzubauen auf Deutschland und andere Unterstützer Israels."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.03.2024 - Politik

Dass es bisher kein Abkommen zwischen Israel und der Hamas über die Freilassung der Geiseln und eine Feuerpause gibt, überrascht den Islamwissenschaftler und Ex-BND-Mitarbeiter Gerhard Conrad im Tagesspiegel-Gespräch nicht: Bei der Hamas gehöre es "zum guten Ton, zur Demonstration der Selbstbehauptung, Termine verstreichen zu lassen." Conrad befürchtet allerdings, "dass die Hamas unter ihrem abgetauchten Gaza-Chef Jahia Sinwar kein Interesse an einem Deal hat, sondern auf dauerhafte Eskalation gerade während des emotional besonders heiklen Fastenmonats setzt. Sinwar könnte hier einfach sehen wollen, ob Israel das Eskalationsrisiko, insbesondere die zu befürchtenden weiteren schweren Opfer an Menschenleben in Rafah, tatsächlich in Kauf nimmt. Er könnte darauf spekulieren, dass sich Israel damit international weiter isoliert und zugleich eine Ausweitung der Gewalt im Westjordanland und Jerusalem provoziert, oder aber einknickt. (…) Ich nenne das negative Eskalationsdominanz. Diese schließt den Hinweis mit ein, man scheue nicht einmal den eigenen Untergang, der aber mit dem Tod der Geiseln und maximalen Opfern unter der Zivilbevölkerung in Gaza verbunden wäre."

In Gaza sollen am Donnerstag mehr als 100 Palästinenser ums Leben gekommen sein, viele davon mutmaßlich durch die israelische Armee - Biden und Macron verurteilten den Vorfall, während in Berlin lieber über die Vorkommnisse auf der Berlinale diskutiert wurde, behauptet Bernd Dörries, der sich in der SZ fragt, ob sich die "Diskussion manchmal gar nicht um Israel und die Palästinenser dreht, sondern ein deutsches Selbstgespräch ist, bei dem oft vergessen wird, dass in Gaza tatsächlich jeden Tag Menschen sterben." Warum schweigen die meisten deutschen Politiker zu Israels Kriegsführung? "Womöglich auch, weil sie sich sonst schwierigen Fragen stellen müssten. Etwa dieser, ob am Donnerstagmorgen auch mit deutschen Waffen auf Zivilisten geschossen wurde? Oder dieser: Als Israel dem Hilfswerk UNRWA vorwarf, zwölf seiner Mitarbeiter seien am Terror der Hamas beteiligt gewesen, stellte Berlin alle Zahlungen an das UNRWA vorläufig ein, bis eine Untersuchung erfolgt ist. Eine ähnliche Untersuchung fordert Baerbock nach den jüngsten Vorfällen auch von Israel. Warum sagt Berlin nun nicht auch, wir stellen alle Waffenlieferungen ein, bis ein ausführlicher Bericht vorliegt?"

9punkt - Die Debattenrundschau vom 02.03.2024 - Politik

Die deutsche Iran- und Nahostpolitik sei mitverantwortlich für den 7. Oktober, meint der Politologe Stephan Grigat in der taz, denn die Mordaktionen der Hamas "waren nur durch jahrelange Unterstützung aus Teheran möglich, und die Voraussetzung für diese Unterstützung waren unter anderem die Milliardengeschäfte deutscher Unternehmen mit dem iranischen Regime, die in den vergangenen Jahrzehnten von ausnahmslos allen deutschen Parteien und Regierungen gefördert wurden." Und: "Die Weigerung der Bundesregierung, die iranischen Revolutionsgarden auf jene Terrorliste zu setzen, auf die sie schon seit Jahrzehnten gehören, lässt dem Regime weiterhin freie Hand - auch nach dem 7. Oktober. Das iranische Regime ist immer noch mit Zentren, Moscheen und Kulturvereinigungen in Deutschland präsent. Die Vernichtungsaktion vom 7. Oktober wurde in sämtlichen Medien des Regimes als vorbildliche Tat gepriesen - aber zu keinem Augenblick wurde in Deutschland erwogen, zumindest den Botschafter eines solchen Regimes aus dem Land zu werfen und neue umfassende Sanktionen zu verhängen, die den ökonomischen Lebensnerv Irans treffen und letztlich auf den Sturz des Regimes zielen müssten. Solange es zu keiner 180-Grad-Wende in der deutschen Politik gegenüber dem Holocaustleugner-Regime in Iran kommt, ist das ganze Gerede von der Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson genauso hohle Rhetorik wie die formelhaften Beschwörungen eines 'Nie wieder' und 'Wehret den Anfängen'."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 01.03.2024 - Politik

Der 7. Oktober war wie eine Holocaust-Erfahrung, sagt der Dramatiker Joshua Sobol im Gespräch mit Grete Götze in der FAZ, "auch wenn es viel weniger Menschen betroffen hat. Aber es hatte es den Geruch davon". In sehr deutlichen Worten besteht er auf dem Recht Israels auf Selbstverteidgung gegen eine faschistische Truppe, die alle Juden auslöschen will: "Ihre Ideologie kann man nicht zerstören. Aber sie haben einen Krieg begonnen, dann muss man bereit sein, eine Antwort zu bekommen, mit einer großen Zerstörung rechnen. Leider haben das viele Zivilisten mit dem Leben bezahlt. Aber es gibt auch eine kollektive Verantwortung auf Seiten der Palästinenser. Die Massen haben gejubelt, als die vergewaltigten Frauen in den Gazastreifen gebracht wurden. Vor dem Krieg waren die meisten dort Hamas-Anhänger. Jetzt verstehen sie vielleicht, dass sie ein System unterstützt haben, dass ihrem Schicksal gegenüber gleichgültig ist." Sobol hofft, dass der Krieg innerhalb von zwei Monaten endet. Dann hofft er, dass Netanjahu gekippt wird: "Der Ärger der Menschen zwischen 20 und 45 ist so groß, dass sie sagen werden: 'Schluss mit Netanjahu'. Es wird Neuwahlen geben."

"Am 7. Oktober 2023 erreichte Israels Politik ihren Tiefpunkt", schreibt Jakob Hessing, 1944 im Versteck eines KZ-Außenlagers als Sohn ostjüdischer Eltern geborener Germanist, der im Tagesspiegel indes nachzeichnet, wie Netanjahus Machtpolitik ihn zunehmend blind machte: "Er glaubte schon, seine kleine Diktatur errichten zu können, und sah nicht mehr, was vor seinen Augen geschah. Man hätte vielleicht erwarten können, dass der Schock des 7. Oktober auch bei ihm zu einem anderen Verhalten führen würde. Wer Netanjahu kannte, machte sich da keine Illusionen, aber selbst die Skeptiker waren überrascht, mit welcher Kaltblütigkeit er sofort die Situation zu seinen Gunsten wendete. Seit Ausbruch des Krieges zieht Netanjahu alle Register der Manipulation, die für ihn immer bezeichnend waren. Jede Verantwortung für die Katastrophe, die über Israel hereingebrochen ist, lehnt er ab und schiebt sie dem Militär zu…"

Im Iran stehen Wahlen zum Parlament und zum sogenannten Expertenrat an, der gegebenenfalls einen Nachfolger für Ajatollah Chamenei wählen müsste. Das Regime der Mullahs sitzt leider Gottes fest im Sattel, sagt der Konfliktforscher Tareq Sydiq im Gespräch mit Jannis Hagmann von der taz: "Statt durch Wahlen ein Ventil zu schaffen, durch das Unzufriedenheit artikuliert werden kann, setzt das Regime auf Repression. Es hat vom Versuch Abschied genommen, Massenlegitimation herzustellen und ist von vornherein auf gesellschaftliche Widerstände eingestellt. Auch 2022 war man gut vorbereitet." Mit Blick auf den 7. Oktober sieht Sydiq das Regime als Gewinner: "Während die Hamas für das Massaker einen hohen Preis zahlt, kann Iran einen Propagandaerfolg für sich verbuchen, ohne viel zu verlieren. Auch wurde die Annäherung von Israel und Saudi-Arabien ausgebremst, was für das Regime eine gute Nachricht ist. Außenpolitisch profitiert es also. Allerdings ist das Eskalationsrisiko in der Region real und da hat auch der Iran einiges zu verlieren."

Während China einer Wiederwahl Trumps entgegenfiebert, fürchten die anderen asiatischen Länder Trump II, glaubt Alexander Görlach in der Welt, denn: Es gibt eben keine "asiatische Nato": Richtig ist, dass von Vietnam bis Japan alle Staaten in der unmittelbaren Nähe eines immer kriegsbereiter auftretenden China ihre bereits seit Jahrzehnten bestehenden Bündnisse und Allianzen mit Washington in den drei Jahren, die US-Präsident Biden regiert, verstärkt haben. Neben der Inselnation Taiwan sind vor allem die Philippinen in der akuten Schusslinie Pekings. Die Kommunistische Partei Chinas möchte sich den Westausleger des Pazifiks unter den Nagel reißen. Doch dieser Teil des Weltmeeres steht unter der Direktion Manilas. Chinas Präsident Xi Jinping hat eine künstliche Insel aufschütten lassen und militarisiert. Von dort aus provoziert seine Marine, die unter seiner Ägide zur größten der Welt aufgerüstet wurde, die philippinische und bedroht gleichzeitig die Güter, die durch diesen Teil des Pazifiks transportiert werden."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 28.02.2024 - Politik

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In einem Essay in der SZ lassen der israelische Soziologe Natan Sznaider und der Schriftsteller Navid Kermani die Stimme der Vernunft sprechen - die in der gegenwärtigen Debatte im Nahostkonflikt oft schmerzlich fehlt. Jahrelang sind die beiden Intellektuellen befreundet und gleichzeitig im Disput über Israel und Palästina (einen Teil ihrer Korrespondenz haben sie in einem gemeinsamen Buch veröffentlicht). Jetzt sind sie sich einig: Was her muss ist ein Friedensplan, und dazu braucht es Hilfe von Außen: "Wir sind uns sicher: Den allermeisten Menschen in Gaza und der Westbank ist bewusst, dass Israel nicht militärisch besiegt werden kann, weder von der Hamas noch von der Hisbollah und schon gar nicht von Iran. Selbst diejenigen, die den 7. Oktober mit welchen Begründungen auch immer rechtfertigten oder gar begrüßten, haben erfahren, welches Unheil damit über sie selbst gekommen ist. Umgekehrt, auf der israelischen Seite, wissen die meisten Menschen längst, dass sich die beiden Kriegsziele widersprechen: Man wird die Geiseln nicht befreien können, während man gleichzeitig die Geiselnehmer vernichten will. Noch entscheiden sich viele Israelis für das eine oder das andere. Aber könnte die Pflicht des Staates Israel, die Geiseln zu befreien, nicht Teil eines größeren Plans werden, den Krieg zu beenden, die Golfstaaten miteinzubinden, Iran als Hauptsponsor der Hamas endlich mit härteren Sanktionen zu belegen, die schon bestehenden Verträge mit Ägypten und Jordanien zu bewahren und auch aus der Eskalationsspirale im Verhältnis zu Libanon herauszufinden?"

Nachdem die israelische Regierung mehreren UNRWA-Mitarbeitern in Gaza eine Beteiligung am Massaker des 7. Oktober vorgeworfen hat, steht das Palästinenser-Hilfswerk vor dem Aus, berichtet ein Autorenteam in der taz: 18 Geberländer haben ihre Zahlungen eingestellt. Ein Ende der Organisation hätte allerdings weitreichende Folgen für die Palästinenser, räumt der Anwalt Daniel Seidemann, der für die Nichtregierungsorganisation Terrestrial Jerusalem den israelischen Siedlungsbau beobachtet und in der Vergangenheit mehrere US-Regierungen seit Präsident Bill Clinton zu Friedensgesprächen beraten hat, ein. Er "schätzt, dass ein Verbot von UNRWA in Jerusalem eine gefährliche Versorgungslücke reißen würde. 'Israelische Gerichte haben mehrfach bestätigt, dass die Stadt bereits innerhalb des arabischen Ostjerusalems nicht genügend Schulen baut.' Insgesamt sind rund 200.000 Palästinenser in der Stadt als Flüchtlinge mit Anspruch auf UNRWA-Leistungen registriert, die Organisation betreibt nach eigenen Angaben zehn Schulen und vier Gesundheitszentren. In Exklaven wie Shu'afat und Kufr Akab hat die Stadt zwar in den vergangenen Jahren mehr investiert, dennoch würden dort ohne UNRWA noch immer kaum öffentliche Dienstleistungen existieren, sagt Seidemann. 'Und niemand, auch nicht Israel, wäre in der Lage, sie in absehbarer Zeit zu ersetzen.'"

David Pfeifer besucht für die SZ eine jüdische Gemeinde in Indonesien, ein Land, das "als eines der judenfeindlichsten der Welt" gilt: 74 Prozent der Indonesier haben dem Pew Research Center in Washington zufolge eine negative Sicht auf Juden, weiß Pfeifer, dabei gibt es hier nur sehr, sehr wenige. Rabbi Yaakov Baruch hat in seiner Gemeinde ein selbstfinanziertes, sehr kleines Museum über den Holocaust geöffnet, die Ursachen des Antisemitismus führt er auf Bildungsmangel zurück, erzählt Pfeifer: "2022 musste der Rabbi heftig kämpfen, um sein Museum behalten zu können. Dann kam auch noch die Pandemie, es waren fast keine Besucher mehr da. Bis heute sind es wenige, oft nur einer am Tag. Aber irgendwie gelang es ihm, den Ulema-Rat davon zu überzeugen, dass es nicht schaden würde, wenn die Menschen in Indonesien etwas über die jüdische Geschichte lernen. Am Ende hätte die Behörde nur noch interessiert, ob der Staat Israel das Museum finanzieren würde, sagt der Rabbi. Aber er habe es selbst finanziert, er habe Spenden von Juden überall auf der Welt zusammengekratzt. Und es steht ja auf seinem Privatgrund. Ob man es sehen wolle, fragt er, 'es ist immerhin das einzige Holocaust-Museum in ganz Südostasien'.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.02.2024 - Politik

Chinas Wirtschaft ist eingebrochen, vor allem der Immobiliensektor schwächelt: 2021 stand fast ein Viertel aller Wohnung leer, schreibt der Volkswirtschaftler Beat Hotz-Hart in der NZZ. Ein neues Wachstumsmodell braucht mehr Binnenkonsum, was in China allerdings schwer durchzusetzen ist, fährt er fort, denn: "Eine höhere Konsumquote setzt einen Rückgang der Sparquote voraus, die in China traditionell sehr hoch ist. Gespart wird zum Beispiel, um sich eine Wohnung kaufen zu können. Man spart, um sich gegen die vielen Risiken des Lebens wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, aber auch Alter und Gebrechlichkeit abzusichern. Böte der Staat durch höhere Renten und bessere Sozialleistungen ein gewisses Schutzniveau, dürfte die Sparquote sinken. Der Aufbau solcher Systeme braucht aber Zeit, Geld und Vertrauen der Öffentlichkeit in diese Leistungen. Die Kommunistische Partei Chinas hat mit dem 'gemeinsamen Wohlstandsprogramm' Anstrengungen in diese Richtung unternommen. Dieses wurde jedoch weitgehend wieder zurückgezogen, obwohl es aufgrund der Alterung der Gesellschaft und der Schwächung des Familienverbunds dringend nötig wäre. Xi Jinping wendet sich gegen Formen der sozialen Wohlfahrt, diese sei eine populistische Politik, verursache hohe Sozialausgaben und schaffe faule Menschen, die keinen Beitrag zur Wirtschaft leisten würden."

Argentiniens Präsident Javier Milei streicht der Kultur die Subventionen, was für viele Institutionen das Aus bedeuten könnte, berichtet Tobias Käufer in der Welt: "Argentiniens Kulturszene, so heißt es ... aus dem Milei-Lager, sei eng mit dem linksperonistischen Lager verbunden. Im Gegenzug für staatliche Subventionen gäbe es aus Reihen der Kultur Kritik an libertären oder konservativen Politikvorstellungen. Milei spricht von einem staatlichen geförderten Propagandaapparat, den sich der Peronismus geschaffen habe. Das sei nicht der Fall, widerspricht Theaterdirektor Javier Margulis im Gespräch mit Welt. 'Im Allgemeinen ist die unabhängige Kultur links, aber es ist nicht wahr, dass sie peronistisch ist.' Er kenne viele Theater, die damit nichts zu tun hätten. In den Theater- und Schauspielverbänden gäbe Schauspieler aller politischen Richtungen, die arbeiten und sich engagieren: 'Sie sind nicht alle Peronisten.'"

9punkt - Die Debattenrundschau vom 26.02.2024 - Politik

"Alle Appelle zum Innehalten richten sich ausschließlich an Israel, das am 7. Oktober vergangenen Jahres Opfer eines mörderischen Angriffs geworden ist", konstatiert Thomas Schmid in der Welt, und dabei "wird Israel immer entschiedener vom Opfer zum Täter umgedeutet". Die israelische Kriegsführung lässt sich gewiss kritisieren, so Schmid. Aber die Kritik an Israel sei bigott, weil sie sich weigere zu "kontextualisieren": "Die Hamas kämpft nicht für einen eigenen Staat neben dem jüdischen, sie will erklärtermaßen und mit Unterstützung des Irans den Staat Israel auslöschen. Israel kann daher nur überleben, wenn es sich konsequent verteidigt. Und spätestens seit dem 7. Oktober 2023 ist klar, dass es zwischen Israel und den Palästinensern keine Besserung geben kann, solange die Hamas ein handlungs- und kampffähiger Akteur ist. Die Vernichtung der Hamas mag kein realistisches Ziel sein, ein legitimes ist es in jedem Fall."
Stichwörter: 7. Oktober, Hamas

9punkt - Die Debattenrundschau vom 23.02.2024 - Politik

Gestern feierte die Zeit die megalomanen Bauprojekte des saudischen Prinzen Mohammed bin Salman (unser Resümee). Heute äußert Richard Herzinger in seiner Perlentaucher-Kolumne Zweifel, ob die arabischen Despotien etwa als Garantiemacht für einen Palästinenserstaat taugen, denn "im Zeichen ihrer 'Modernisierungs'-Offensive hat die neue Despotengeneration das Interesse am Schicksal der Palästinenser gänzlich verloren. Weil in ihren Gesellschaften jedoch nach wie vor ein extremer Hass gegen Israel grassiert, sind die arabischen Führer weiterhin zu Lippenbekenntnissen für die palästinensische Sache gezwungen. In Wahrheit gilt sie ihnen aber nur noch als Ballast, der ihren glamourösen Aufstieg zu globalen Playern behindert."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.02.2024 - Politik

Die "Association of Rape Crisis Centers" in Israel hat einen neuen Bericht über sexuelle Gewalt am 7. Oktober herausgebracht, aus dem James Reynolds in der Daily Mail ausführlich zitiert. "In einem Überblick über die Ergebnisse heißt es: Die Hamas-Terroristen setzten sadistische Praktiken ein, um den Grad der Erniedrigung und des Terrors, der mit sexueller Gewalt einhergeht, zu verstärken. Viele der Opfer von Sexualverbrechen wurden gefesselt aufgefunden. Die Genitalien sowohl von Frauen als auch von Männern wurden brutal verstümmelt, und manchmal wurden Waffen in sie eingeführt. Die Terroristen begnügten sich nicht mit Schusswaffen, sie verstümmelten auch Geschlechtsorgane und andere Körperteile mit Messern. In den Zeugenaussagen wurde unter anderem berichtet, dass Hamas-Bewaffnete wiederholt auf eine verletzte Frau einstachen, während sie sie vergewaltigten; dass den Opfern Nägel, Granaten und Messer in ihre Geschlechtsorgane eingeführt wurden; und dass Überlebende, die vor dem Festival flohen, Mädchen sahen, 'deren Schambein einfach gebrochen war, weil sie so oft vergewaltigt wurden'." Hier die New York Times zum Thema.

"Wir haben erwartet, dass Frauenorganisationen nach solchen Berichten ihre Stimme erheben", sagt die israelische Oppositionspolitikerin Shelly Tal Meron im Gespräch mit Erica Zingher in der taz. "Aber alle waren still. Ich habe Briefe an UN Women und andere Frauenrechtsorganisationen geschrieben. Sie haben nicht geantwortet. Wir leben im Jahr 2024. Frauen sollte geglaubt werden." Die Politikerin sagt auch, dass sie sich eine Ablösung Benjamin Netanjahus wünscht: "Der Premierminister will Premierminister bleiben. Er wird alles in seiner Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass das israelische Volk ihn und seine Regierung ablöst. Deshalb hält er auch an Extremisten in seiner Regierung fest. Er weiß, dass er sie braucht, um an der Macht zu bleiben."

Ebenfalls in der taz schildert Jannis Hagmann die Lage in Gaza. "Ein Problem, das sich Hilfsteams in Gaza stellt: Je schlimmer die Lage, desto schwieriger wird es, Güter zu verteilen. Von 'Crowd-Dynamiken' spricht Sebastian Jünemann von der Berliner Organisation Cadus, der selbst bis Freitag in Gaza war. 'Wenn es Lebensmittel gibt, versuchen die Leute sofort, gewaltsam an die Lieferungen zu kommen.'" Die Hilfsorganisationen fordern eine sofortige Waffenruhe und eine weitere Finanzierung der mit der Hamas zusammenarbeitenden UNRWA.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.02.2024 - Politik

Auch klassische Konservative, die keine Trump-Anhänger sind, werden Trump aller Voraussicht nach wählen, befürchtet Frauke Steffens in der FAZ: "Diese Wähler entscheiden nach dem, was in ihrem Interesse liegt - dass ein Republikaner Präsident wird und die Politik umsetzt, die sie richtig finden: von einer restriktiven Einwanderungspolitik über niedrigere Steuern bis hin zum Abbau von Umweltschutzauflagen. All das hatte Trump in seiner ersten Amtszeit begonnen. Manche dieser Wähler hätten auch andere Kandidatinnen wie die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley unterstützt, glauben aber, dass Trump die besten Chancen hat, ihre politischen Ziele umzusetzen. Diese decken sich mit vielem, was Republikaner in den letzten Jahrzehnten stets vertreten haben: 'law and order' etwa oder das Recht der Bundesstaaten, eigene Gesetze zu machen - was unter dem Stichwort 'states' rights' stets auch ein Mittel war, rassistische Regelungen in Kraft zu lassen."

Samuel Misteli weist in der NZZ auf den immer größer werdenden Einfluss der Arabischen Emirate auf die politische und wirtschaftliche Situation afrikanischer Länder hin:"Die VAE investieren in Afrika viele Milliarden Dollar." Zunächst einmal sind diese Investitionen in vielen Ländern sehr wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung, so Misteli, "und doch sind die Emirate ein destabilisierender Faktor in Afrika. Ihr geopolitischer Ehrgeiz hat auch einige der brutalsten Konflikte auf dem Kontinent befeuert. Manchmal mit Methoden, die jenen Russlands ähneln. Das beste Beispiel ist eine der größten humanitären Krisen der Welt. Seit bald einem Jahr findet im Sudan, Afrikas drittgrösstem Land, ein Krieg statt, der wenig Beachtung findet. Die Armee des Landes kämpft mit den Rapid Support Forces (RSF), einer reichen und mächtigen Miliz, die ihren Ursprung im Genozid von Darfur Anfang der nuller Jahre hat. Die Kriegsparteien haben die Hauptstadt Khartum zerstört, Tausende Personen getötet. Über zehn Millionen Menschen sind vertrieben - mehr als in jedem anderen Land."