In der
taz kommt Ilija Trojanow nochmal auf die inzwischen zurückgezogene Berliner
Antidiskriminierungsklausel zurück, die er für eine Einschränkung der
Meinungsfreiheit hält: "Sollte es eine solche Definition von Staats wegen überhaupt geben? Das Grundgesetz vertraut auf die
Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamstes Mittel gegen Menschenverachtung. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Urteilen zum Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) festgestellt, dass die gesellschaftliche Willensbildung sich 'staatsfrei', ergo ohne 'lenkende und
steuernde Einflussnahme des Staates' und somit 'von unten nach oben und nicht umgekehrt' zu gestalten habe. Mit Denkverboten lässt sich keine humanere, tolerantere Gesellschaft aufbauen. Das bürokratische Einhegen des Diskurses läuft auf eine
Entmündigung der Gesellschaft hinaus."
Chialos Klausel war falsch in der Form, niemand darf
zu einem Bekenntnis genötigt werden, kommentiert Claudius Seidl, der in der
FAZ Chialos Ansinnen trotzdem richtig findet: "Überall dort, wo Künstler sich in den Dienst der einfachheitshalber postkolonial genannten Sache stellen, erklären sie, dass der
Begriff der Kunst überwunden werden müsse, weil dieser Begriff nur die geistige und ästhetische Hegemonie des Westens perpetuiere und die Künstler gewissermaßen zu dessen
Hofmohren mache. Kaum einer, der sich nicht mindestens als '
Künstler und Aktivist' vorstellt. Kaum einer, der nicht trotzdem den Schutzraum der Kunst für sich beansprucht, jenen Raum, in dem die Kunst mehrdeutig, schwer verständlich, rätselhaft und sinnlos sein darf. Aktivismus zielt aber auf Eindeutigkeit und Verständlichkeit.
Aktivismus provoziert Zustimmung oder Gegnerschaft - und dass der Kultursenator einen Aktivismus, der Israel als
Apartheidstaat und
Siedlerkolonie verleumdet, das Gebiet vom Jordan bis zum Mittelmeer von den Juden befreien und den Terror der Hamas als Befreiungskampf feiern will, dass Chialo also diesen antisemitischen Aktivismus nicht mit Steuergeld fördern möchte, ist nichts, was man ihm vorwerfen müsste."
Die gefeierte Performance-Künstlerin und Musikerin
Laurie Anderson soll die Pina Bausch-Professur an der Folkwang Universität der Künste erhalten. Selbstverständlich hat sie sich
in deutlichster Weise pro BDS geäußert,
weiß Thomas Wessel von den
Ruhrbaronen, dem Blog, das die Debatten um
Achille Mbembe, die
Documenta, aber auch
Sharon Dodua Otoo maßgeblich mit angestoßen hatte. Otoo hatte sich nicht nur von ihren früheren Äußerungen distanziert, sondern sich im Blick auf den 7. Oktober auch wirklich damit auseinandergesetzt. Ähnliches schlägt Wessel für Anderson vor. Anderson hatte 2021 zusammen mit Bonaventure Ndikung, Annie Ernaux und 1.100 anderen Prominenten den
"Letter against Apartheid" unterzeichnet, darin heißt es "Israel ist die kolonisierende Macht. Palästina ist kolonisiert. Das ist kein Konflikt: das ist Apartheid." Es ist übrigens
durchaus von Belang, die antiisraelischen Engagements von Künstlern zu prüfen, denn sie prägen den Betrieb, meint Wessel: "Auf der letzten Documenta, der Ausstellung für zeitgenössische Kunst im Sommer 2022, hat sich gezeigt, wie effektiv diese kaum merkliche Form des Antisemitismus ist. Pro-israelische Künstler werden
bereits bei der Programmplanung ausgesiebt, unmerklich fallen sie durchs Netz der Netzwerker."
Warum darf eine "Israelhasserin" auf einem Klimakongress in Hamburg auf großer Bühne sprechen,
fragt Frederik Schindler in der
Welt. Die Einladung der Klimaaktivistin
Zamzam Ibrahim, die BDS-Unterstützerin ist und das Existenzrecht Israels verneint, muss vom Senat unbedingt zurück gezogen werden, fordert Schindler: "Die Hamburger Kulturbehörde schließt sich zwar der Kritik an den antisemitischen Äußerungen Ibrahims an, verweist aber darauf, dass es sich um eine Veranstaltung zu einem anderen Thema handele und die Veranstalter zugesagt hätten, keinen Judenhass zu dulden. Die Behörde des Senators Carsten Brosda (SPD) übersieht dabei, dass Zamzam Ibrahim beide Themen miteinander verbindet. Klimagerechtigkeit sei der 'globale Ruf nach dem Ende der Zerstörung', was 'perfekt zu den
Erfahrungen der Palästinenser' passe, sagte die Aktivistin dem Auslandssender des iranischen Antisemiten-Regimes."