≡
Stichwort
Literaturbetrieb
Rubrik: Essay - 8 Artikel
Essay 07.07.2008 […] mit betont autoritärer Rhetorik auch tut, schon früh jene antiautoritäre Poetik sich zu eigen gemacht hat; ein Schriftsteller also, der seine Präsenz bekanntermaßen durch beharrliche Absenz vom Literaturbetrieb markiert, macht sich zum Fürsprecher des poeta otiosus, eines Außenseiters ohne Ambition und ohne Wirkungskraft, eines Autors, der den Akt des Schreibens - angeblich - nicht durchsetzt, vielmehr […] Joseph Beuys' sanftes Diktum, wonach "jeder ein Künstler" sei, war implizit zu verstehen als Absage an jegliches originell und exemplarisch sein wollende Künstlertum.
4
Im zeitgenössischen Literaturbetrieb sind solche Konzepte, ob elitär oder populär ausgeformt, nicht mehr gefragt. Zur Funktion Autor gehören heute, nebst regelmäßiger Textlieferung, Auftritte in Literaturhäusern und Buchhandlungen […] Schreiben leben zu können und durch das Schreiben sich einen Namen zu machen, der in der Folge metonymisch das Werk repräsentiert: "Walser lesen", "der frühe Grass", "ein neuer Handke". Auch der Literaturbetrieb untersteht - heute mehr denn je - der Lenkung durch die unsichtbare Hand des freien Markts, und das Wechselspiel zwischen Nachfrage und Angebot hat sich schon immer zu Gunsten konventionellen […] Von
Felix Philipp Ingold
Essay 20.03.2008 […] und dann dong, und ich stehe auf. Ich gehe zum Fenster und blicke durch die Jalousien nach draußen", usw.
Die erstaunliche Karriere des Clemens Meyer ist symptomatisch für einen hyperaktiven Literaturbetrieb, in dem schlagzeilenfähige Exotik wichtiger ist als die Literatur. "Da wäre der fettsüchtige Lehrer, der sich in einer verpönten Liebe zu einem elfjährigen Mädchen verzehrt; der alte Mann, der […] hrlich-Image geschehen.
Das Preisgeld und sein Bier seien ihm gegönnt. Clemens Meyer ist nichts vorzuwerfen, außer vielleicht die Blauäugigkeit, mit der er sich die Vereinnahmung durch einen Literaturbetrieb gefallen lässt, der ihn als Exoten dazu benutzt, die eigene Spießigkeit zu feiern. Die Jury attestiert Clemens Meyer "sprachliche Eleganz", doch im Buch finden sich reihenweise Sätze wie dieser: […] auch sonst viele Wendungen wiederholt, weil ihm keine anderen einfallen. Die Zeit brach in Jubel aus: "Hut ab! Der Mann kann was. Solche Erzähler braucht das Land."
Dies sind Symptome für einen Literaturbetrieb, der sich von der Literatur entfremdet hat. Schlüsselreiz-Leser fragen nicht nach dem Wie des Erzählens. Man nippt an der Simulation des wahren Lebens. In diesem Sinn ist Clemens Meyer eine bequeme […] Von
Sieglinde Geisel