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Suchwort: "Welt"
Rubrik: Tagtigall - 64 Artikel - Seite 1 von 5
Tagtigall 21.02.2024 […]
Oh, weißt Du, das ist das Leben.
(2012)
Ihre Gedichte sind oft ungebunden, skizzenhaft, tastend. Durch die Datierung wirken sie wie Notate oder Notationen, Kunden von einer eigenen, der Erb'schen Welt. "meine lunatische dichterin" so die Dichterfreundin Friederike Mayröcker einmal, Nico Bleutge sprach vom "Nirvanageflirr" ihrer Dichtung, und Monika Rinck, merkte an, dass Erbs Texte die Qualität haben […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 20.12.2023 […] Silben, Worte, Halbsätze spinnen Fäden des Hörens, Denkens und Sehens über Zeilen hinweg, gehalten werden sie von jenem Luft-Weißraum, auf dem sie schweben.
Larry Eigner, dem die Welt nicht sehr zugänglich war, war sich der Welt, in der er lebte und die ihn umgab, immer bewusst. In den 1960ern engagierte er sich neben der Dichtung auch für die Rechte der Behinderten. Er habe zwar nie in den Slums gelebt […] das Tippen mit zwei Fingern war ihm mühsam - in Filmeinspielungen konnte man an dem Abend in Hudson zusehen, wie die Buchstaben aus der Schreibmaschine einzeln auf das Papier fallen. Er holte sich die Welt aufs Papier und durchwanderte sie.
Es stimmt, dass Poesie keinen "Gesellschaftsvertrag mit der Wirklichkeit" (Adorno) hat, doch sie hat die Kraft, sich mit allen Sinnen der Wirklichkeit […] Atom-Spione Ethel und Julius Rosenberg.
Jetzt ist alles vorbei damit, beginnt Eigner. Der Punkt am Ende der Zeile verstärkt die Aussage; die Trauer, die Endgültigkeit. Alle "you"s dieser Welt konnten nun, so schreibt er, erkennen, was das Ganze bedeutete, Eisenhowers Ablehnungen der telegrafischen Gnadengesuche mit dem Hinweis auf Kongress und Gesetz.
Charles Bernstein, der language poet […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 11.08.2023 […] geringen Mantel
der Worte.
Doch drunter berge sich
die warme, lichte Welt.
Was ist Reichtum?
Was ist Luxus?
Für mich eins:
Einen geringen Mantel trag ich
und dieser Mantel ist keinem gleich.
(Ü. Ludwig Hartinger)
Was genau ist ein "geringer" Mantel? Können Worte tatsächlich ein Mantel sein? Und was wäre dann die warme lichte Welt? Viele Fragen. Und dennoch geht eine große Faszination von diesen kargen […] dem Gedicht in wenigen Zeilen, Sehnsucht, Demut und Stolz zu verbinden - die Sehnsucht des Dichters nach dem ganz eigenen Wort; ferner die Demut des Dichters, der weiß, dass Sprache die "warme lichte Welt" nur ungenügend transportiert; und außerdem den Stolz des Dichters, der im Schreiben erfährt, welchen Reichtum er mit seiner Sprache erschaffen kann.
Tomaj, der Ort, in dem Kosovel seine Kindheit […] Minderheit angesehen, in manchen Regionen bis zu 60 Prozent der Bevölkerung stellten. 30 Prozent der Bewohner von Triest waren um 1910 slowenischsprachig. Ob Kosovel damals, als er von der "warmen lichten Welt" sprach, das Zweiwortgedicht "M'illumino d'immenso" ("Ich erleuchte mich durch Unermessliches", übersetzte Ingeborg Bachmann) des Triester Dichters Guiseppe Ungaretti kannte?
So arm die Slowenen gewesen […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 12.12.2022 […] Bandes: ich föhne mir meine wimpern, meint man plötzlich, die halbfetten Zeilen seien vielleicht Wimpern, und die Gedichte als Ganzes seien Augen, durch welche das lyrische Ich die Welt aufnimmt und gleichzeitig gegen die Welt, so wie sie ist, revoltiert. Ob bei dem Satz "ich föhne mir meine Wimpern" auch André Hellers "Der Atem Gottes trocknet Dir den Nagellack" im Spiel war, bleibt unbekannt.
Die […] Schreibmaschine in Bewegung. Wie konnte man den Ingredienzen der Wörter, den einzelnen Buchstaben, Neues entlocken? Zeichen für Zeichen entstanden Wörter, Muster und Ordnungssysteme, die eine eigene Welt mit je verschiedenen Eigengesetzen zu schaffen suchten. Kurz vor dem 11. Plenum 1965 hatte sie ihre erste Ausstellung in einer Lyrikgalerie. 1972 dann in Wroclaw. Damals entstand u.a. "NEVER STOP SEARCHING […] irgendwo ein Stein schon für den, der sie einst ausspricht.
Ein schwacher Trost: So unfertig, ja fehlbar, ein Gedicht sein mag, ist es doch fraglos, also "unfehlbar" etwas Gemachtes, etwas, das in die Welt gekommen ist. Denn auch jedes Scheitern basiert auf einem Tun, und es ist der Nachwelt aufgegeben, welche Schätze, welche Ablagerungen dereinst daraus erwachsen werden. Die Passage vom wachsenden Stein […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 02.08.2022 […] den weg zu versperren
dabei hat er gar keine brust
(Aus dem Russischen von Andreas Tretner)
Staub? Ja, ja: Alltägliche Rituale wie Hausarbeiten haben immer auch die Funktion, die zerfallende Welt intakt halten zu wollen. Auf den Bildern des kriegszerstörten Kölns meiner Herkunft war ein Staub allgegenwärtig, wie er sich in diesem Gedicht findet, auch nachdem Panzer und Spähwagen längst abgezogen […] dass der Mann "he" neben der Frau "she" fast unvollständig wirkt. Adam aus der Rippe Evas? Und das ist nicht nur im Englischen der Fall, sondern, wie ich irgendwo erfuhr, in mindestens 15 Sprachen der Welt; darunter auch im Russischen. Anders im Deutschen, wo "sie" und "er" nur das (im Weiblichen stumme) "e" verbindet. Zudem ist das Pronomen "sie" nie eindeutig, es verkörpert neben dem weiblichen Singular […] Liliane Lijn, "Lein" gesprochen, ist ein Pseudonym. Ihre Eltern waren russische Juden, vor den Pogromen über Antwerpen in die USA geflohen, wo Liliane 1939, vier Monate nach der Ankunft der Mutter zur Welt kam. Welche Sprachen sprach sie? Russisch? Jiddisch? Englisch? Jedenfalls machte sie sich die Kulturbrüche, in die hinein sie aufwuchs, zu ihrem Kunstelexir - in Abstraktionen und Dekonstruktionen. […] Von
Marie Luise Knott