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Suchwort: "Roman"
Rubrik: Wo Wir Nicht Sind - 12 Artikel
Wo wir nicht sind 02.03.2023 […] Hunden bevölkertes Farmland verlegt. Es liest sich ein bisschen wie George Orwells "Farm der Tiere", ist aber keine Parabel, sondern ganz nah an den historischen Tatsachen entlang geschrieben.
Der Roman beginnt mit der großen Kundgebung am Unabhängigkeitstag, an dem der Vater der Nation das Volk mit seinen berühmten endlosen Reden beglückt. Das Alte Pferd ist schon ein wenig vergesslich und senil geworden […] er der Opposition hielt. Gukurahundi wird der frühe Regen genannt, der vor dem Frühling die Spreu wegspült. Destiny reist dorthin, um das Dorf ihrer Familie zu besuchen, Bulawayo, heißt es. In dem Roman erfahren wir, dass Bulawayo so viel bedeutet wie der Ort, an dem getötet wird. Die Autorin hat sich selbst nach ihrem Herkunftsort benannt. Geboren wurde sie 1981 als Elizabeth Zandile Tshele, NoViolet […] Groll gegen die Kolonialisten aus den verarmten Dörfern Simbabwes an die Macht kämpften und schließlich voller Selbstherrlichkeit und Habgier blutige Geschichte schrieben.
NoViolet Bulawayo: Glory. Roman. Aus dem Amerikanischen von Jan Schönherr. Suhrkamp, Berlin 2023, 460 Seiten, 25 Euro (Bestellen) […] Von
Thekla Dannenberg
Wo wir nicht sind 21.11.2022 […] Heldin schildert, deren humanistische Wandlung vor immer neue Prüfungen gestellt wird. Mitunter gerät der Roman, der seine Leser sehr eng führt, an die Grenze zum Trivialen: "Meine durch innere Einkehr und Liebe entspannten Züge wurden anmutig und zart."
Seine Kraft zieht Marie Vieux-Chauvets Roman aus dem scharfen Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit Haitis, deren Klassen sich durch Neid und […] konnten: Jetzt sind wir dran!
Ihr Thema hat Marie Vieux-Chauvet in "Töchter Haitis" schon ganz gefunden, auch wenn der Roman noch nicht ganz die Kraft ihrer großen Romantrilogie "Amour, Colère, Folie" von 1968 hat. Mit dieser wurde sie zur Legende der modernen haitianischen Literatur. Der Roman war ein Angriff auf Haitis Diktator François Duvalier, den berüchtigten Papa Doc, unter dem der Noirisme zum Macoutisme […] Teint, krausem Haar und Gesichtszügen.
Von dieser Tragik einer Gesellschaft, die im Grunde genommen seit zweihundert Jahren im Selbsthass gefangen bleibt, erzählt Marie Vieux-Chauvet in ihrem ersten Roman "Töchter Haitis" von 1954. Die 1906 geborene Schriftstellerin ist eine Ikone der haitianischen Literatur, als Frau hatte sie sich in einer patriarchalen Gesellschaft Rang verschafft, als Tochter aus […] Von
Thekla Dannenberg
Wo wir nicht sind 14.09.2022 […] kann in Madschdi eine Gegenfigur sehen zu dem berühmten Mustafa Saîd in Tajjib Salichs Roman "Zeit der Nordwanderung". Zeitgleich mit Aboulelas Erzählungen hat der Lenos Verlag den sudanesischen Klassiker neu aufgelegt. Man muss diesen von tiefer Menschlichkeit und noch größerer Verzweiflung durchdrungenen Roman gelesen haben, ein Meisterwerk der arabischen Literatur. E ist frappierend, wie sich die […] die Diskurse verschoben haben, der Kontrast zu Aboulelas auf Englisch verfassten Geschichten könnte nicht größer sein.
Mit der "Zeit der Nordwanderung" schuf Salich 1966 einen verstörenden Roman über das Aufeinanderprallen von europäischer Moderne und afrikanischer Tradition, von kolonialer Grausamkeit und antikolonialer Gewalt. Es ist die Geschichte des Mustafa Saîd, der sich im Dorf des namenlosen […] e, als bestiege ich den Rücken eines preußischen Militärmarschs."
Salich schreibt mit herrlich bildhaftem Witz, doch er erzählt eine Tragödie. In ihrem Nachwort spricht Regina Karachouli, die den Roman exzellent übersetzt hat, von Mustafa Saîds "antikolonialem Sexkrieg", was ebenfalls ziemlich lustig ist, aber vielleicht die Verlorenheit und Verzweiflung verdrängt, die Mustafa Saîds Eskapaden eigentlich […] Von
Thekla Dannenberg
Wo wir nicht sind 23.05.2022 […] unausgewogen der Roman zum Teil auch sein mag, sein Furor gegen selbstsüchtige Eliten, gegen ihre Indifferenz und pompöse Impotenz ist überwältigend. Der zornige Wole Soyinka begehrt mit diesem Roman noch einmal auf gegen die mächtigen und reichen Dynastien, die sich das Land zur Beute machen und die Kinder der Revolution verschlingen.
Wole Soyinka: Die glücklichsten Menschen der Welt. Roman. Aus dem Englischen […] legt Soyinka, mittlerweile 88 Jahre alt, nach dreißig Jahren noch einen Roman vor, es ist überhaupt erst sein dritter. "Die Glücklichsten Menschen der Welt" ist, wie der Titel ahnen lässt, eine scharfe Satire auf das heutige Nigeria. Es ist ein unbändiges Buch, scharfsinnig und beißend, aber auch überbordend und unmäßig.
Der Roman führt uns in ein Land, das sich den Neid aller Nachbarn zugezogen hat […] fundamentalistischer Gewalt zu behandeln. Komme, was da wolle: Militärputsch, Staatszerfall oder Bankrott. Kighare ist Idealist und das moralische Zentrum des Romans.
Mit Kighares Erscheinen wechselt der Roman seine Stoßrichtung. Wir begegnen dem Arzt im vornehmen Club des Hilltop Manor, in dem kolonialer Prunk und englische Nobilität in schönster Hassliebe gepflegt werden. "Manners maketh man", prangt über […] Von
Thekla Dannenberg
Wo wir nicht sind 20.04.2022 […] Diop erzählt in seinem Roman "Reise ohne Wiederkehr" die Geschichte eines solchen Aufklärers. Diop selbst ist in Paris geboren und im Senegal aufgewachsen, er lehrt Literatur an der Universität Pau. Diop sieht nicht nur das Verbindende inmitten einer Geschichte von Krieg, Ausbeutung, Versklavung und Grausamkeit, er sucht es auch. Sein Roman wurde als erster französischer Roman mit dem internationalen […] erzählt sehr frei die Geschichte des Botanikers Michel Adanson, der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Senegal aufbrach, um dort die Bäume und Pflanzen der afrikanischen Westküste zu erforschen. Der Roman beginnt mit dem Tod des vereinsamten und misanthropischen Gelehrten, der sich vor dem Leben in seine wissenschaftliche Arbeit geflüchtet hatte, aber seiner Tochter Aglaia auf sehr eigene Art nahestand […] indem sie aus einem Salzwasserbottich den zarten Schimmer des Meeres entweichen lässt. Aber Vorsicht: Die Fische in diesem Bottich sind auch das Futter für die Boa.
David Diop: Reise ohne Wiederkehr. Roman. Aus dem Französischen von Andreas Jandl. Aufbau Verlag, Berlin 2022, 236 Seiten, 22 Euro (Bestellen)
David Graeber, David Wengrow: Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit. Klett-Cotta, Stuttgart […] Von
Thekla Dannenberg
Wo wir nicht sind 09.12.2021 […] In María José Ferradas Roman "Kramp" muss sich M., die achtjährige Ich-Erzählerin, ihre eigene Welt zurechtzimmern: Ihre schöne Mutter ist in Traurigkeit versunken, ihr Vater ein Vertreter für Eisenwaren eben jener Marke Kramp, die Solidität verheißt: Ein Haus, das auf Kramp baut, sei erdbebensicher, lernt M., während sie mit ihrem Vater über die Dörfer tingelt, um Hämmer, Schrauben und Fuchsschwänze […] die sich an den Stellen niederlassen, an denen das Leben eine andere Richtung nimmt. Deutlicher sind Anklänge an Peter Bogdanovichs tragikomisches road movie "Paper Moon", aber auch an Harper Lees Roman "Wer die Nachtigall stört", beides Werke, die in den siebziger Jahren prägend waren, auch wenn sie mittlerweile vielleicht ein bisschen aus der Zeit fallen. Im Falle von "Kramp" wird sich allerdings […] ist voll entfaltet, sein Drive, seine Ironie und diese unübertroffene Fähigkeit, das große Welttheater aufzuspannen, indem er seine Helden nach Liebe und Lyrik suchen lässt.
Aber Ferradas stiller Roman ist auch ein Gegenstück zu der krachenden Revolte, die das brave Land hinter den Anden erschüttert hat. Im chilenischen Original ist "Kramp" 2017 erschienen, man merkt ihm die Samthandschuhe an, mit […] Von
Thekla Dannenberg
Wo wir nicht sind 02.11.2021 […] Traditionen beraubte und ihnen zugleich immense Reichtümer ermöglichte. Sie mussten in wenigen Jahren einen Wandel vollziehen, für den die europäische Länder selbst Jahrhunderte gebraucht hatten. In ihrem Roman "Die Tage kommen und gehen" erzählt die französisch-kamerunische Autorin Hemley Boum von dieser Generation, von ihren Ambitionen, Idealen - und ihrem großen, tragischen Scheitern. "Vielleicht war die […] zeichnet eine Perspektive, die tiefer reicht als jeder noch so kundige journalistische Bericht über das Versagen von Behörden oder Militärs.
Hemley Boum lässt es in ihrem drei Generationen umspannenden Roman nicht an dramatischen Wendungen und schicksalhaften Begegnungen fehlen. Sie schlägt ihren großen Bogen elegant auf. Doch die weite Perspektive, die sie wählt, lässt wenig intensive Erzählmomente zu […] Boum allein schon, dass der verdienstvolle Peter Hammer Verlag auf die inzwischen fast schon obligatorische schwarze Frauensilhouette auf dem Cover verzichtet.
Hemley Boum: Die Tage kommen und gehen. Roman. Aus dem Französischen von Gudrun und Otto Honke. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2021, 368 Seiten, 26 Euro. (Bestellen) […] Von
Thekla Dannenberg
Wo wir nicht sind 13.07.2021 […] gebracht wird, einen Roman über die Morde zu schreiben. Dieser Schriftsteller, der auch der Erzähler des Romans ist, sieht dem Schriftsteller Juan Gabriel Vásquez verblüffend ähnlich. So vertraut erscheinen einem nur Menschen, würde Vásquez sagen, "die einander täuschen wollen".
Mit seinen Erzählungen "Lieder für die Feuersbrunst" knüpft Vásquez thematisch und literarisch an seinen Roman an. Auch sie erkunden […] politischen Verbrechen und Drogenkriegen. Auch die Erfahrung des Exils ist in seiner Literatur präsent, das prekäre Leben in Paris und Barcelona.
Seine Erzählungen kreisen wie auch schon sein großer Roman "Die Gestalt der Ruinen" um zwei politischen Morde, die Kolumbien jeweils in tiefe Krisen stürzten: 1914 wurde der General und liberale Parteiführer Rafael Uribe Uribe von zwei Handwerkern erschlagen […] Fieber gestorben. Dort, in der abgeschiedenen Kaffeeregion um Medellín, wächst Aurelia zu einem freien Geist heran und zu einer Unterstützerin des Politikers Gaitán.
Der Stoff hätte für einen ganzen Roman gereicht, in voller Breite auserzählt wäre er zu einer Saga geraten. Aber in der nur angedeuteten Form, mit wenigen Strichen und ein paar Schraffierungen gezeichnet, wird diese flüchtige Erzählung zu […] Von
Thekla Dannenberg
Wo wir nicht sind 28.04.2021 […] Tontons Macoutes. Greenes Roman mag heute aus anderen Gründen etwas veraltet sein, aber in einem bleibt er gültig: Es sind die Haitianer, die in diesem Roman lieben, kämpfen und sterben, und es auch noch tun, wenn die Fantasten und die Abenteurer das Land längst verlassen haben.
Eine ähnliche Konstellation begegnet einem gerade wieder: Genau zu dem Zeitpunkt, an dem der neue Roman "Sanfte Debakel" der […] Schon in Graham Greenes Roman "Die Stunde der Komödianten" von 1960 begegnen sich die beiden Prototypen des westlichen Blick auf Haiti: Auf der einen Seite der naive amerikanische Präsidentschaftskandidat, der das Land mit der Idee des Vegetarismus beglücken möchte und ausnahmslos freundliche Menschen sieht. Auf der anderen Seite der abgeklärte Hotelbesitzer, ein Engländer, immer Herr der Lage. Er […] Projekte und ein gedemütigtes Land - ein Desaster, wie Raoul Peck in seiner Dokumentation "Tödliche Hilfe" nachzeichnet oder Jonathan Katz in seinem Report "The Big Truck That Went By".
In ihrem neuen Roman "Sanfte Debakel" lässt die 1953 geborene haitianische Schriftstellerin Yannick Lahens einen französischen Reporter das Land bemitleiden: "Haiti, nur eine halbe Insel, die aber so viel von sich reden […] Von
Thekla Dannenberg