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Rubrik: Vorgeblättert - 900 Artikel - Seite 1 von 70
Vorgeblättert 08.08.2023 […] und kurz vorm Erstickungstod mit schaumiger Gärung des Panseninhalts im Gras liegend finden, beeindruckte mich besonders. Dann konnte nur noch der schnellstmögliche Eingriff des Tierarztes sie noch retten. Der immer beruhigende und lösende Auftritt und Eingriff unseres Tierarztes begeisterte mich so sehr, dass ich zwölfjährig als zweite Fremdsprache Latein wählte und nicht Französisch. Denn für ein […] bisschen übermütig, als wollten sie deutlich machen, wie viel Spaß es ihnen machte, mich diese Wege machen zu lassen. Auch Julchen, eine kurzbeinige, dunkle und ein wenig hängebäuchige Kuh, blieb stur am Rande der Weide stehen, so viel ich auch rief. Sie sah zwar zu mir her, rührte sich aber nicht, also musste ich mich zu ihr begeben – und sah erst spät, dass neben ihr ein neugeborenes Kalb lag. Sein […] Natternkopf und nicht zu knapp Saat-Luzerne und Taubnesseln. Die Einzigen, deren Namen ich damals schon kannte, waren Brennnessel, Farn und Moos.
Aber es kam auch nicht darauf an. Das Leben bestand für mich aus den Sorgen eines Kindes, das die Sorgen der Erwachsenen aufmerksam wahrnahm, wie das so ist. Im Gehen und im Blick auf die gehenden Kühe, auf ihre Füße mit den delikaten Klauen, die aussahen, als […]
Vorgeblättert 19.07.2023 […] stellt sich neben mich. Ich nicke dem General zu. Der Soldat geht voraus, ich folge ihm ein paar Schritte, bevor ich mich noch einmal umdrehe.
»Und, leben Sie noch in dem Haus?«, frage ich.
»Nein. Hab’s verkauft«, sagt der General.
Ein letzter Blick zwischen ihm und mir, und für einen Moment bin ich mir sicher, dass er mich durchschaut hat, aber jetzt drehe ich mich zum Ausgang aus dem […] dem Zimmer im Nichts. Der Soldat geht vorund gäbe es Wind, würde sein breites Kreuz mich davor schützen. Er bringt mich zurück zum Bus, wo er an die Scheibe klopft, und der Fahrer öffnet. Ich setze mich auf meinen Platz, die Frau neben mir blickt mich an, aber ich schaue nicht zurück, mein Blick geht raus, in die Dunkelheit. Meine Hände zittern noch eine halbe Stunde später. Bis wir Diyarbakır endlich […] Schultern. Ich kenne mich mit militärischen Rängen nicht aus, aber er scheint in seiner Laufbahn viele Auszeichnungen gesammelt zu haben, also nenne ich ihn einen General. Der General greift meinen Pass, ohne mich anzusehen oder mit mir zu sprechen. Er starrt in den Laptop, das blaue Licht mischt sich auf seinem Gesicht mit dem Weiß der Leuchten. Er sieht müde aus, und ich frage mich, wie lange die Soldaten […]
Vorgeblättert 14.02.2023 […] betrachtete. Als Géza von Cziffra seinem Idol Kisch eines Tages vorhielt, dass es bei ihm doch einen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis gebe, »zuckte er nur mit den Schultern: ›Das gilt nicht für mich. Mein Standpunkt ist der richtige‹«.
In einem ganz anderen Ton versuchte Kisch seine »literarischen Reportagen« in einem Brief aus dem Jahr 1939 so zu definieren:
Meine Literatur versucht sozusagen […] Haltung zu den ausgesprochenen Todesurteilen:
Kisch findet, daß die Gefahr, die Hinrichtung der drei werde voll streckt werden, nie bestanden hat. Nun, vorläufig sind sie zum Tode verurteilt. Es freut mich, daß das Todesurteil Kischs Schlaf nicht weiter stört, es besteht nur die Befürchtung, daß die Ver urteilten selbst weniger gut schlafen, und auch ihre Väter, Mütter, Bräute, Brüder sind vielleicht […]
Vorgeblättert 20.01.2023 […] gewidmet von Deinem Neffen Otto«, steht auf einem hübschen Jugendporträt von Otto, das nach Walters Tod wieder zu Otto gelangte. Gemeinsam hatten sich beide an Frank Wedekind erfreut: »Ob die Menschheit mich begrabe, / Häuptlings, bei lebendigem Leib, / Gilt mir doch ein schlanker Knabe / Schöner als ein dickes Weib.«
Otto weicht der Homosexuellenverfolgung Hitlers aus und freut sich als Bordbuchhändler […] Maschinenarbeiter bei Osram verzichtete er auf den üblichen Nazigruß, als er dieses Versetzungsgesuch schrieb: »Leider«, so begann er im März 1944, »ist es mir trotz meiner Bemühungen nicht möglich, mich mit der zugewiesenen Arbeit zu befreunden.« Deshalb bat er, wieder in eine Buchhandlung versetzt zu werden, um so in seinem »erlernten Beruf an entscheidender Stelle für den Sieg mitzuwirken«. In seinem […]
Vorgeblättert 11.10.2022 […] Bettdecke war ich hin- und hergerissen, ob ich aus Angst vor der Operation in Tränen ausbrechen oder mich dem Rhythmus der Trommeln und Oboen hingeben sollte. Singend und tanzend führte mich meine Mutter dann ins Bad und wusch mich mit einem Stück weißer Seife, rieb mich so lange und kräftig damit ein, bis ich mich in einen duftenden Jasminstrauch verwandelt hatte. Die Waschung müsse für einige Zeit reichen […] soll geschehn!»
Vor der Tür des Friseursalons nahmen sie mich auf ihre Schultern. Als wir auf dem Platz ankamen, der schon voller Leute war, Frauen und Männer, wurde in die Luft geschossen, um die Ankunft des Bräutigams zu feiern. Sie ließen mich über den Köpfen der Gäste von einer Schulter zur anderen wandern, und am Ende warfen sie mich auf einen riesigen vergoldeten Sessel, der wie ein Königinnenthron […] Viertels. Denn sonst hätte es an jenem Tag mehr grüne Fliegen gegeben als Menschen. Obwohl mein Vater mich im Geburtsregister mit dem Namen seines eigenen Vaters eintrug, wurde ich in Anbetracht des nassen Tages, an dem ich das Licht der Welt erblickte, allgemein Matar, Regen, genannt. Die Frauen wuschen mich mit Wasser und Salz, umrandeten meine Augen mit dickem, schwarzem arabischem Kuhl, «denn dies ist […]
Vorgeblättert 12.09.2022 […] okay war, Mensch aber nicht.
Bis heute erinnere ich mich überdeutlich an die Entrüstung meiner sonst so lieben Lehrerin, die ich noch nie so verärgert gesehen hatte, an meine weinenden Freundinnen und an den missbilligenden Blick des Busfahrers. Was bist du denn für ein Gör?, schien er zu sagen. Der ganze Bus fiel mit derartiger Empörung über mich her, dass ich kein Wort herausbrachte und nur zu Boden […] ich fühlte mich so wohl und akzeptiert in seiner Gegenwart, dass ich ihm Dinge erzählte, die ich sonst niemandem anvertraut hätte.
Mürrisch kaute ich auf dem Filter meiner Hi-Lite Menthol herum.
»Es ist nicht so, dass ich unbedingt an etwas festhalten will. Ich komme nur nicht mit all diesen Veränderungen mit. Vor dreißig Jahren galten ja völlig andere Werte. Irgendwie fühle ich mich hintergangen […] war. Auch ich hielt es nicht grundsätzlich für falsch, Menschenfleisch zu verzehren, schließlich hatte ich als Kind selbst darüber gescherzt. Ich fragte mich nur erbittert, wo denn die ethischen Grundsätze geblieben waren, auf deren Basis man mich damals so gescholten hatte. Yamamoto kratzte sich im Nacken.
»Wir sollten hingehen«, sagte er. »Ich hätte Lust auf eine Befruchtung.«
»Na gut, dann komme […]
Vorgeblättert 13.04.2022 […] mit dem Arzt sich zu unterhalten.
„Der Abu Sina“ rühmte ihn der Kaiser vor seinen Gästen, „ist kein Tränkemischer, kein Wundenglüher und kein Fieberräucherer, der engen Sinnes toten Stoff nur sieht. Mich locket Krankheit hat er zu mir gesagt, weil sie es möglich macht, ins Innere des Lebens hineinzuschauen. Solange der Mensch gesund ist, gleicht er einer verschlossenen Festung, deren Brücken hinaufgezogen […] dem Tode – sondern auch unserer Kenntnis. Unordnung läßt die Ordnung erst verstehen; des Lebens Ordnung aber ist das Schönste von allen Wundern. – Weil ich die gleiche Neigung bei ihm spüre, die auch mich selber treibt, darum schätze ich ihn. Wer klug ist, ist nicht nur in einem klug. Der Abu Sina sieht und kennt die Zeichen der Krankheit nicht nur am Leibe und versteht vom Menschen nicht nur das Siechtum […] Herren selbst berichten, Herr Benaron ist ja der Wahrheit Freund, er wird sie nicht entstellen.“
Benaron, der im Hintergrund gestanden hatte, trat sich verbeugend vor. „Vor etwa einer Woche rief man mich, nicht als den Ketzer, sondern als den Arzt, ich bin Arzt, Eminenz, zu einem Weibe, das sich in fürchterlichen Krämpfen wandt.“
„Zu einer Christenfrau?“ fragte der Kaiser. Der Legat nickte, die deutschen […]
Vorgeblättert 13.03.2022 […] und weil meine Überlegungen von der Lage schwarzer Kinder in zwangsintegrierten Schulen ausgingen, hatte mich dieses Nichtverstehen in eine völlig falsche Richtung gelenkt. Ich erhielt damals natürlich jede Menge Kritik von meinen »liberalen« Freunden oder wohl besser Nichtfreunden, die mich, wie ich gestehen muss, nicht weiter beschäftigten. Aber ich wusste immer, dass ich irgendwie falsch lag […] Verwendung des N-Wortes als auch wegen Arendts Politik-Begriff, der die soziale Dimension der Diskriminierung, also den institutionellen Rassismus, in ihrem Argumentationsgang bewusst vernachlässigte. Mich verwirrte zwar, dass eine, die selbst Diskriminierung und Verfolgung erfahren hatte und nur knapp der Todesmaschinerie der Nazis entkommen war, einer Gesetzgebung zur Förderung der Schwarzen entgegentrat […] en. Hannah Arendt korrigierte in dem mir bis dato unbekannten Brief offensichtlich einen Standpunkt, den sie Jahre zuvor eingenommen hatte. Welche Erfahrungen, Gespräche oder Lektüren, so frage ich mich, hatte diese politische Denkerin dazu animiert, von früheren politischen Positionen abzurücken? Und von welchen genau? Und welchen Anteil daran hatte die Bürgerrechtsbewegung? Konnte es sein, so frage […]
Vorgeblättert 16.02.2022 […] Finger bebten und zitterten, ich entzückte mich an ihnen und flog in seine Arme, er strich über meine Augenbrauen, die Falten an seinen Mundwinkeln rührten und trösteten mich zugleich, und schließlich schlief ich beruhigt an seiner Brust ein.
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Anderntags erschienen zwei Studenten aus dem Institut, betrachteten mich nachdenklich, stutzen, strahlten mich dann an.
Da sind Sie wieder! Haben Sie Feldstudien […] böses Fluchen, dann eine sanfte Bitte, so ging es hin und her, dann ein erschreckter Ruf, und dann war die sanfte Stimme über mir, ergriff mich mit aller Macht, rüttelte, und weil sie weit weg war, ich nicht gleich die Augen öffnete, umarmte Kasia mich, hielt mich in ihren Armen, kniete vor dem Sessel und wischte mein Gesicht mit ihrer Hand, denn die Tränen tropften mir aus den Augen.
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Süßling, […] nach Lavendel. Ich fragte mich, was das für eine Fußspur sein könnte, die eines Diebes, die eines Schutzheiligen, da war nur ein Abdruck wie von frischer Farbe, ein großer, breiter Fußabdruck, und keiner wusste, woher er kam.
Und wie Kasia noch immer putzte und Stislaw draußen hämmerte, ging ich zur Bodenluke, fragte mich, ob dort ein Versteck zu finden sei, ich bückte mich und zog an dem schmalen Gurt […]
Vorgeblättert 29.09.2021 […] und Romanautoren werden in Europa gefeiert, ausgezeichnet, mit Preisen überhäuft, aber die Verunglimpfungen gehen ohne Unterlass weiter. Man könnte das eine Verführung durch Beleidigung nennen: Nimm mich bei dir auf, damit ich dich besser verdammen kann. Eine äußerst bequeme Position. Man tadelt Europa, indem man es dazu zwingt, seine Ankläger in die Arme zu schließen. Die Manipulation der "weißen" […] habe, dass Frankreich im Krieg gegen Deutschland besiegt werden muss, weil der Franzose einer minderen Rasse als der Deutsche angehört. Ich gestehe, dass ich seitdem ganz genau hinschaue, bevor ich mich einem Menschen oder einer Zivilisation zuwende und sie als minderwertig bezeichne. Die Inder sollen eine minderwertige Rasse sein? Mit ihrer großen, edlen Zivilisation, die sich im Nebel der Zeit verliert […]
Vorgeblättert 13.08.2020 […] Milchstrahl aus der Leitung von nachdrückendem Wasser abgelöst wird, um dann rechtzeitig den Schlauch aus dem Milchtank zu nehmen. Ich sehe mich um. An der Wand gegenüber hängt ein Kalender von der Landwirtschaftskammer. Waldemar zeigt auf das Bild und fragt mich, ob ich sehen könne, was daran falsch sei. Ich blicke lange darauf, aber eigentlich habe ich es schon im ersten Moment gesehen.
Alles ist […] vermieten und ihren städtischen Gästen, besonders deren Kindern, damit eine ländliche Attraktion bieten.
Mit meiner Schwägerin Anna fahre ich zum Erntedankgottesdienst in unsere alte Kirche. Es erstaunt mich, dass die Männer nicht mitgehen. »Nö«, sagt Hannes, der mit dieser Frage nicht gerechnet hat. »Wieso denn Erntedank?« Und setzt ein wenig verlegen hinzu: »Die Ernte ist ja noch gar nicht fertig, der […] Claudius aus Altona, viele Jahre lang ein guter Freund von Johann Heinrich Voß.
»Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn.« Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich als Kind über jedes Wort gestaunt habe. »Er sendet Tau und Regen und Sonn- und Mondenschein und wickelt seinen Segen gar zart und kunstvoll ein und bringt ihn dann behände […]
Vorgeblättert 13.08.2020 […] Johann Heinrich Voß drängt auf die erste Pockenimpfung im Hadelner Land.
ENDLICH LIEGEN DIE KIRCHENBÜCHER von Steinau vor mir, unserem traditionellen Kirchdorf. Ich hatte lange nach ihnen gesucht, mich selbst in den komplizierten Zuständigkeiten verheddert, die auch komplizierte Archivierungen mit sich gebracht haben. Aufbewahrt wurden sie in einem verschlossenen Stahlschrank des Kirchenbüros, einem […] Regentropfen zum Glitzern, die an den kahlen Zweigen der Büsche hängen. Nur einmal in der Woche ist das Büro für Gemeindemitglieder geöffnet. Die Frau, die hier ihren ehrenamtlichen Dienst versieht, hat mich freundlicherweise an einem Nachmittag eingelassen, an dem eigentlich geschlossen gewesen wäre. Die Heizung schafft nur langsam, den Raum zu wärmen. Ich suche die ersten Taufen, Beerdigungen und Hochzeiten […] immer wieder Kinder, die kurz nach, manchmal schon vor der Taufe starben, dennoch kirchlich vermerkt sind, N.N. heißt der Eintrag, auch sie blieben ohne Namen. Mit zunehmend klammen Fingern blättere ich mich durch die Kirchenbücher, wälze – buchstäblich – die schweren Folianten hin und her.
Nach Stunden und Tagen im Archiv tauchen Geschichten auf. Da ist vor allem die der Familie Barthold und Adelheit […]