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Suchwort: "Briefe"
Rubrik: Vorgeblättert, Stichwort: Brod, Max - 3 Artikel
Vorgeblättert 11.08.2005 […] Phantasie von der wechselvollen Geschichte der Moderne unberührt. Die gravierenden Zäsuren, die Europa am Beginn des 20. Jahrhunderts bestimmen, spielen für Kafkas Leben scheinbar keine Rolle - weder seine Briefe noch die Tagebücher widmen ihnen größere Aufmerksamkeit. Die russische Revolution vom Winter 1905 taucht in der Erzählung Das Urteil auf, als sei sie ein gleichsam literarisches Ereignis. Die Balkankriege […] beschleunigte Bewegungsabläufe sich unmittelbar in einzelne Szenen des Verschollenen übersetzen. Die Erzählung In der Strafkolonie zeigt eine Beschäftigung mit Techniken der Schrift, wie sie ähnlich die Briefe an Felice Bauer, freilich auf anderer Ebene, offenbaren. Der Begriff der Modernität ist bei Kafka doppelt belegt: Literatur und technisch hergestelltes Bild gehören hier zusammen. Walter Benjamin hat […] und eignen, Gezeichnetem und so weiter findet, restlos und ungelesen zu verbrennen, ebenso alles Geschriebene oder Gezeichnete, das Du oder Andre, die Du in meinem Namen darum bitten sollst, haben. Briefe, die man Dir nicht übergeben will, soll man wenigstens selbst zu verbrennen sich verpflichten. Dein Franz Kafka."
Teil 2
[…]
Vorgeblättert 11.08.2005 […] dem Drängen aus Prag fortan nicht mehr entziehen. Sie erwidert Kafkas Briefe, die sie mit Fragen nach ihrem Alltagsleben überhäufen, zügig: zuerst pflichtbewußt, wie es ihre preußische Erziehung verlangt, dann gründlich, offen und bald freundschaftlich. Felice Bauers Schrift freilich ist für uns erloschen; Kafka hat ihre Briefe vermutlich kurz nach der endgültigen Trennung 1917 verbrannt.
"Das […] ernährten. Im Herbst 1912 wurde Felices Alltag von unaufhörlicher Arbeit regiert; die Briefe, die sie Kafka schrieb, entstanden im Bett, zu später Stunde, oftmals unter dem Einfluß psychischer und physischer Erschöpfung.
Nicht sämtliche, aber die meisten der hier angeführten Details hat Kafka durch Felice Bauers Briefe erfahren. Die Grundlinien ihrer Familiengeschichte, die häusliche Konstellation, […] Abschied voneinander, formelhaft und doch freundlich. Es dauert sieben Monate und elf Tage, ehe Kafka Felice wiedersieht. Dazwischen liegt ihre Neuschöpfung durch den Autor Kafka, der in dieser Zeit 195 Briefe an sie schickt: die Geburt einer Felice Bauer, die mit ihm allein im Medium der Schrift kommunizieren darf.
Briefverkehr zwischen Prag und Berlin
Das über fünf Jahre sich erstreckende […]
Vorgeblättert 11.08.2005 […] erhalten. Ein Bürodiener, der Leiter des Postversands und eine Aushilfsbeamtin haben Anweisung, ihm Briefe aus Berlin unverzüglich auszuhändigen. Erst Mitte November ändert Kafka die Organisation der Korrespondenz, weil ihm das bisherige Verfahren zu umständlich erscheint. Felice schickt jetzt ihre Briefe nicht mehr an sein Büro, sondern an die Privatwohnung in der Niklasstraße. Das führt zwar dazu, daß […] Klage: "Liebste es gehn, es gehn Briefe verloren, oder ich leide an Verfolgungswahnsinn (?)". Ende November 1912 unterstreicht Kafka solche Paranoia ironisch, indem er die fünf Bogen seines ausführlichen Sonntagsbriefs in gesonderten Umschlägen verschickt, um zu gewährleisten, daß zumindest einer von ihnen sein Ziel erreicht. In manchen Fällen befassen sich seine Briefe einzig mit dem Risiko, welches […] Zur Logik der Fiktion, die Kafkas Briefe regiert, gehören die Identitätsentwürfe, die er sich selbst und Felice zuweist. Ihnen entsprechend ist er schwach und schuldig, während die Berliner Freundin kräftig und schuldlos erscheint. Nicht der Vampir, der der Frau die Lebensenergie raubt, sondern der Pygmalion, der sie neu schafft, steht im Mittelpunkt seiner Briefe.
Die rhetorische Maschinerie […]