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Suchwort: "Habe"
Rubrik: Tagtigall - 46 Artikel - Seite 1 von 4
Tagtigall 26.06.2023 […] die, schon gestorben, noch eine Weile weitersprechen. Wenn sie von anderen Koreanern gefragt wird, warum sie schreibe und was das alles zu bedeuten habe, sagt sie, dass sich ihre Stimme, weil sie hier nicht leben könne, einen Geist erschaffen habe. "Ich habe drei Fehler gemacht", zitiert sie in ihrer Rede die Dichterin Nanseolheon, die in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts lebte: "In diesem Land geboren […] zu Hause, begann sie in das eigene stumme Weinen hinein, Stimmen zu hören. Gedichte, die sie niederschrieb. Eines der Gedichte bestand offensichtlich nur aus Schimpfwörtern. Wie mit einer Pinzette habe sie sich aus dem Raum mit der Ohrfeige herausgehoben und sich selbst einverleibt, sodass es aus ihr heraus "zu murmeln" begann, erzählt sie. - Dichtung, ein geisterhaftes, ichloses Murmeln?
Ein anderes […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 12.12.2022 […] schreibt, morgen noch von Bedeutung ist? Auch das fragt sich Kleist in dem genannten Brief. Die Hölle habe ihm seine halben Talente gegeben, artikuliert er den quälenden Selbstzweifel. Dennoch schließt er den Absatz:
Denn in der Reihe der menschlichen Erfindungen ist diejenige, die ich gedacht habe, unfehlbar ein Glied, und es wächst irgendwo ein Stein schon für den, der sie einst ausspricht.
Ein […] I. Fremdsprechen
Ich habe außer meiner Sprache keine Mittel
meine Sprache zu verlassen.
schrieb der DDR-Dichter Sasha Anderson Anfang der 1980er Jahre. Und wenngleich er ein Spitzel war und als solcher ein bodenloser Zeitzeuge ist und sein damaliger Verrat noch immer zum Himmel schreit, findet sich auch in seiner Dichtung die Revolte gegen die manipulative Gewalt der Sprache, mit der sich damals […] Bilder, etwa, wenn die Hände der Großmutter mit Dürers betenden Händen assoziiert werden. Aber das mindert nicht ihre Kunst - Verse voller Traurigkeit, die immer das lachende Ufer im Blick haben.
heute habe ich mich den ganzen tag lang
nicht bewegt aus angst etwas umzustoßen
zum beispiel uns obwohl
wir keine blumenvasen sind
ich versuche standzuhalten ein abstand
eher eine abwesenheit zu sein als ein […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 02.08.2022 […] I. Krieg
Beim Streunen, wie ich es vielleicht auch aus weltlagebedingter Ratlosigkeit zuletzt viel getan habe, treibt es mich immer wieder in Gefilde, ohne dass ich wüsste, was ich dort suche. So stieß ich in der von Fiston Mwanza Mujila herausgegebenen Anthologie "Kontinentaldrift. Das Schwarze Europa" auf Gedichte der britisch-somalischen Dichterin Warsan Shire, die mit ihrem Vers "Niemand verlässt […] "Home/Zuhause" 2015 über Nacht berühmt wurde.
In der Anthologie fand sich auch ihr Gedicht Souvenir, das meine Neugier weckte und mich beim Streunen innehalten ließ.
Souvenir
Ich glaube, ich habe den Krieg mitgebracht
auf meiner Haut, ein Leichentuch
um meinen Schädel, Dinge, Fragen unter meinen Nägeln.
Wenn ich fernsehe, sitzt er mir zu Füßen.
Ich höre bei jedem Telefonat seinen […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 14.04.2021 […] Gedichtband "scheiss auf das weltall" herausgebracht; darin:
"nachts bin ich wach und bedenke, wie viel mühe die erschaffung meines körpers war, wie viele kühe ich schon gefressen habe, wie viele menschen ich zum weinen gebracht habe oder zum hassen oder dazu, zu versuchen, etwas anderes zu sein als sie sind. ich mag, dass die nächte mir gehören, aber in gewissem sinne gehöre ich natürlich auch am tage der […] tag.
Die "lieder an das große nichts" kann man fast singen, wie einst einen Brecht oder einen Kreisler, von dem die Autorin einmal sagte, dass mit seinem "Tauben vergiften" ihr Schreiben angefangen habe. Wir erinnern uns an Hansl und Mali und das Zyankali - Liebe und Tod lagerten auch dort leichtfüßig nahe beieinander. Man darf gespannt sein.
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Juliane Liebert, lieder an das große nichts. Gedichte […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 11.11.2020 […] konstatierte einst W.H. Auden in seiner berühmten Elegie auf den großen Dichterkollegen W.B. Yeats. Nichts, aber auch gar nichts bewirke die Poesie. Doch ihr Beackern der Sprache ("the farming of a verse") habe die Kraft, Verwünschungen in Weinberge zu verwandeln, da die Sprache des Dichters in jenen Gegenden entstehe, in welche "the executives", die Funktionäre dieser Welt also, niemals hingelängen. "Mad […] des Bewußtseins vergrabene Vergangenheit plötzlich als Parade der toten Dinge durch die Straßen ziehen." Der Gedanke, sagt sie, dass es mit dem unschönen, beklemmenden Heute noch nicht sein Bewenden habe, dass es morgen noch schlimmer komme, erzeuge eine verborgene bleischwere Unruhe. Die Zukunft verheiße Ungewissheit und Unheil aller Art.
Stepanova hat bereits ein knappes Dutzend Gedichtbände v […] Von
Marie Luise Knott