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Rubrik: Literarischer Rettungsschirm für Europa - 19 Artikel - Seite 1 von 2
Literarischer Rettungsschirm für Europa 02.10.2012 […] jemals auf eine mitmenschlich verantwortliche Weise den Strom von Flüchtlingen und Immigranten nach Europa eindämmen können.
Keine Zäune können verzweifelte Menschen, die oft mehrere Jahre unterwegs waren und die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um über das Mittelmeer zu kommen, davon abhalten, einen Weg nach Europa hinein zu finden. Doch selbst wenn eine ausreichend hohe, mit Stacheldraht versehene […] Schönheit der Diskretion, die Größe, die in echter Qualität liegt, die Aufmerksamkeit dem Detail gegenüber, das gerade eben mit den Sinnen erahnt wird, das man jedoch nicht laut hinausposaunt.
Diese Suche nach diskreter Qualität hat sich zeitgleich mit der Entwicklung unserer europäischen Kultur, unserer Architektur, unserer Denker und unserer Kunst über die Jahrhunderte entwickelt. Man trifft sie überall […] Von
Janne Teller
Literarischer Rettungsschirm für Europa 01.10.2012 […] zusammenbrach, hat mein Vater nie die Möglichkeit wahrgenommen, über die westliche Grenze der Ukraine hinauszukommen. Auch nicht nach Polen, obwohl er die Sprache perfekt beherrschte. In den neunziger Jahren konnte man als ehemaliger Sowjetbürger einfach mit einem Reisepass nach Polen fahren, wenn man Lust dazu hatte. Er hat nie einen Reisepass besessen, bis heute nicht.
Sein Europa war aus Papier. In […] was er will, sie ist eine Art Idol aus Knete. "Der samtene Vorhang" an der Ostgrenze der EU wird immer dichter, man sieht kaum noch etwas. Die Ukraine rückte keinen einzigen Meter nach Osten, was viele bedauern, sie ist nach wie vor gleich hinter der Mauer, auf der anderen Seite. Ich male mir ein Bild aus, wie eine primitive Zeitungskarikatur: Eine Menschenmenge auf der Außenseite lauscht den Geräuschen […] Apathie, aus der man nur gelegentlich durch einen Funken Freude - einen Funken, den man dank besonderer Fertigkeiten schlagen kann - zeitweilig herausgerissen wird.
Eine neue Jeanshose, ein Ferienscheck nach Bulgarien konnten einem ein solches Fest bereiten. Auch wenn mein Vater diese Freude bei seinen Familienmitgliedern schweigend und skeptisch zur Kenntnis nahm: Der Kult des Materiellen, der unter den […] Von
Ostap Slyvynsky
Literarischer Rettungsschirm für Europa 30.09.2012 […] war, war beleuchtet und warm. Alles darin war sehr gemütlich. Es roch nach Kaffee und Zimt und die Regale waren prall gefüllt mit bunten Waren. Ungeachtet all dessen, was ich in den nächsten Tagen auf meiner ersten Europareise sehen sollte, blieb dieser Raum in meinem Bewusstsein das Symbol für diese feine, wohl versorgte und nach menschlichen Maßstäben geschneiderte Union.
Josef K. verbrachte die […] die, die sich von ihnen verabschieden …
"Gastarbeiter", flüstere ich meinem Mann zu; er bedeutet mir aber, still zu sein.
Vom unterirdischen Bahnhof fahren nur zwei Busse ab. Der eine nach Kroatien, der andere nach Serbien. Beide fahren um 17 Uhr los. Beide haben Verspätung.
Ein junger Mann in leuchtend gelber Weste, einer vom Busunternehmen, wiederholt ständig:
"Leute, habt ein bisschen Geduld, […] ihm der leuchtend gelbe Bursche.
Wir warten, schweigen und spähen in die Dunkelheit. Der leuchtend Gelbe überbringt in der Rolle des Fahrdienstleiters die Nachricht: "Der Bus nach Kroatien kommt in zehn Minuten, der nach Serbien in einer halben Stunde."
"Gibt es aber wirklich genug Platz?", fragt wieder der Geheimrat.
"Na, sicher."
Eine Stunde später kommt auch unser Bus. Während wir die Koffer abgeben […] Von
Dragana Mladenovic
Literarischer Rettungsschirm für Europa 29.09.2012 […] und Totalitarismus, die Ursprünge und Prinzipien der Demokratie, den Individualismus mit den persönlichen Freiheiten und zugleich das Streben nach gemeinsamem Wohl verstehen. Das sind für die neuzeitlichen Pragmatiker allerdings Abstraktionen, ihrer Meinung nach werden zwischenmenschliche Beziehungen in einer Gemeinschaft am besten von den gleichen Verhältnissen geregelt, wie sie am Kapitalmarkt herrschen: […] klimpern müssen. Nun aber erfahren wir plötzlich, dass der Euro mehr als nur Geld ist, dass wir in unseren Taschen sozusagen etwas Schicksalhaftes tragen: To be or not to be.
Unlängst wähnten wir noch, nach all den ideologischen und nationalistischen Irrungen und Wirrungen des 20. Jahrhunderts in Europa, endlich den sicheren Hafen der Zusammenarbeit, des Wissens, des Wohlstands und der Toleranz erreicht […] britische Botschafter im Osmanischen Reich, Thomas Bruce, 7. Earl of Elgin, über das her, was übrig geblieben war, indem er mit Erlaubnis des osmanischen Sultans einen Großteil der Marmorskulpturen nach England brachte und sie im Britischen Museum in London ausstellen ließ. Dann kam das europäische 20. Jahrhundert, das Jahrhundert des großen wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritts, zugleich […] Von
Drago Jančar
Literarischer Rettungsschirm für Europa 24.09.2012 […] Christentums abspielte, dann ereignete sich die zweite, wenn auch ihrer Absicht nach viel europäischere, in ihrem scheinbaren völligen Gegensatz am geografischen und politischen Rand Europas, im ausgeschlossenen Istanbul am Bosporus. Ich kam dort als junger Student an, zur Silvesterfeier, mit meiner Freundin und Freunden, nach fünfunddreißigstündigem Geholper im Bus einer Ferienorganisation. Istanbul ist […] wem integriert habe, denn die Beleuchtung war schlecht. In der Dunkelheit sehen alle Entitäten gleich aus, wenn sie zusammenstoßen. Wie endete es? Nach der allgemeinen und außerordentlich erfolgreichen Integration erwischte ich in Bydgoszcz den Zug nach Berlin und schlief im selben Moment ein.
Beitrittskapitel vier, vorerst das letzte
Diese Liste wichtiger Integrationen ist natürlich willkürlich […] Beitrittskapitel eins
Es war Ende der neunziger Jahre, die Panzerspuren der vierten Brigade, die die guten und schlechten Jungs der Militäroperation Sturm nach Hause brachte, waren schon etwas verwischt, die Geräusche der Waschmaschinen, Kühlschränke, Fernseher und Stereoanlagen der falschen Nationalität, die ihnen noch monatelang auf überladenen Lkw-Anhängern und Traktoren folgten, waren bis zur […] Von
Marko Pogacìar
Literarischer Rettungsschirm für Europa 22.09.2012 […] erzählten, dass sie noch vor der Besetzung und der Verschiebung der Grenze nach Eupen Juden nach Brüssel geschleust hatten, von wo sie nach England, Amerika oder Argentinien emigrierten. Sie hatte das Schmuggeln von Kaffee und Zigaretten in Beinprothesen dokumentiert. Fotografien von Viehherden, die im Winter durch die Grenzwälder nach Belgien getrieben wurden, Bilder vom Schneetreiben und von Kranichen […] Kiefern. Als Karl auf der Terrasse in der Sonne saß, sah er Hunderte Kraniche nach Westen fliegen. Er erinnerte sich daran, wie er am frühen Morgen in der Stadt von ihrem Kreischen geweckt worden war. Der Junge interessierte sich nicht für das, was seine Mutter sagte, er blickte gespannt zum Himmel und sah den Kranichen nach. Als sie aus seinem Blickfeld verschwanden, nahm er sein Fahrrad und radelte […] hielt seine Hände unter das kalte Wasser und wusch sein Gesicht, befeuchtete seine Haare, kämmte sie nach hinten, setzte sich wieder auf das Bett, zog seine Schuhe an. Er nahm den Roman vom Nachttisch, legte die auf den Boden gefallene Fotografie hinein, steckte das Buch in seine Jackentasche und ging nach unten in den Gastraum.
An der Theke standen Arbeiter, die ein Haus in der Nähe renovierten, sie […] Von
Norbert Scheuer
Literarischer Rettungsschirm für Europa 21.09.2012 […] Stier der Banken (siehe die Bronzeskulptur in der Wall Street), von Finanzexperten und Eurokraten.
Europa ist ohne das "Nichts" des Mythos unmöglich, ohne das neuerliche Erfinden unseres Verlangens nach ihm, ohne zumindest ein bisschen Leidenschaft (die des weißen Stiers). Die Krise ist eine Krise der Art und Weise, wie wir Europa erdichten, eine Krise unserer Erzählung von Europa. Und hier, wie immer […] Literatur.
Ich stelle mir eine Literarische Europäische Union vor. Einen Ort, wo Wertpapiere einfach wertvolle Bücher sind. An den Wertpapierbörsen wird mit Geschichten gehandelt, der Markt ist stabil nach dem Index von Joyce. Die Wirtschaftsbeilagen der Zeitungen werden zu Literaturbeilagen. Die "Financial Times" wird zur Börsennotierung der gefragtesten Bücher. Die Premierminister der europäischen Staaten […] ukt her betrachtet katapultieren sich einige Staaten, von denen man bis vor Kurzem noch der Meinung war, sie befänden sich in Schwierigkeiten, an die Spitze. Irland, Spanien und Griechenland suchen nach Möglichkeiten, um ihre literarischen Überschüsse zu investieren.
Ich schalte mein altes Radio aus Holz ein, drehe an den Knöpfen und höre, wie alle europäischen Sender ihre zentralen Nachrichte […] Von
Georgi Gospodinov