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Suchwort: "Sein"
Rubrik: Essay, Stichwort: Krankenhaus - 17 Artikel - Seite 1 von 2
Essay 23.12.2014 […] tern. Wie man diesen entkommen kann, um bei seinem eigenen Tode nicht anwesend sein zu müssen, ist ein Problem, das bislang allenfalls mit Dormicum oder hochdosiertem Morphium gelöst werden konnte. Was aber könnte die Alternative zum Präsenzerleben sein? Kann man Absenz erleben, ohne bei diesem Erlebnis präsent zu sein? Wie kann man ein Bewusstsein von etwas induzieren, ohne dessen Inhalte reflexiv […] das mehr als erzwungene Zuständlichkeit sein soll, nämlich Haltung, gar Form oder Stil, braucht es mehr als Schmerzmittel, mindestens gute, beste Freunde. Oft sind auch sie überfordert oder nicht (mehr) da. Gibt es eine Kunst, die das Abschiednehmen einübt, ins Geschehenlassen einstimmt, dem fortschreitenden Weltentzug Ausdruck und/oder Medium zugleich sein kann? Wo Filme und Literatur mit dem Primat […] nicht mehr zu sein. Die Magie dieser Umstimmung oder Einstimmung aufs Nichts ergreift dabei nahezu sämtliche Gedächtnisfunktionen. Kategorien wie Kontingenz, Langeweile oder Orientierungslosigkeit verlieren ihre unheimlichen Konnotationen; vergangene Freuden oder Leiden werden gar nicht erst wachgerüttelt, der Horror vacui, der es dem Ich unerträglich erscheinen lässt, nicht vorhanden zu sein, bleibt aus […] Von
Daniele Dell'Agli
Essay 13.11.2014 […] Hauptdarstellers (Milan Peschel), der nicht einen Moment lang die doch naheliegende Frage erwägt, warum er die entsetzliche Quälerei solange durchstehen soll. Sein hilfloser Gleichmut dem Martyrium gegenüber kann niemandem ein nachahmenswertes Modell sein.
"Die Phantasie des Kranken beruhigen, daß er nicht wie bisher, mehr von seinen Gedanken an seine Krankheit zu leiden hat als von der Krankheit selber […] verängstigen, entsetzen lassen? Warum, salopp gesagt, nicht das Beste daraus machen? Verzweifeln sollte man über das, was rückblickend hätte vermieden oder anders entschieden werden können. Das nicht hätte sein müssen. Und darüber, dass Erleuchtungen dieser Art einem erst im Angesicht des Todes zuteil werden - wenn es zu spät ist. Umgekehrt genügte eine Vorwarnzeit, um sich Gewissheit zu verschaffen und den […] die beiden dramaturgischen Hauptlinien unterbrechen: die pragmatische Organisation erträglicher Umstände für den Schmerzgeplagten und die intensive Wieder- und Neubelebung der Beziehungen, die für sein verlöschendes Leben prägend waren. Über weite Strecken sorgt der Todeskandidat selbst in einer Mischung aus hilflosem Trotz und Galgenhumor für die tragikomische Note, etwa wenn er als historisch b […] Von
Daniele Dell'Agli
Essay 17.10.2014 […] de, an den Pathologien des Sozialen orientierte "Verwissenschaftlichung" der Selbsttötung... die Entscheidung eines Individuums, das in vielen Fällen mit Überlegung für sich die Wahl getroffen hat, sein Leben nicht mehr fortzusetzen"[39] genauso hartnäckig leugnet wie die "um die Individualpathologie zentrierte medizinische Psychiatrie."[40]
Unverständnis, Wut oder Ressentiments, die Suizidanten […] verrät seine Absichten durch einschlägige Signale im Voraus: Entmündigung und Einlieferung in eine psychiatrische Anstalt sind ihm - so er sich nicht die teuersten Anwälte leisten kann - sicher, obwohl sein Tun niemandem außer ihm selbst Schaden zuzufügen droht.
Im Fall des Drogenkonsums wird sogar zwischen legalen und illegalen Selbstschädigungen unterschieden: Alkohol, Nikotin und Medikamente ja, […] Drogen ihr Suchtpotenzial gar nicht erst entfalten.
Für Chronische Schmerzpatienten wiederum, die lernen müssen, auf Dauer mit Gewöhnungseffekten umzugehen, werden die Kosten das einzige Problem sein. Weitaus gefährlicher sind all jene Medikamente (Analgetika, Hypnotika, Tranquilizer, Sedativa, Antidepressiva, Neuroleptika, Antikonvulsiva, Antiepileptika), die im Schatten politisch instrumentierter […] Von
Daniele Dell'Agli
Essay 01.10.2014 […] lebenswertes und menschenwürdiges Dasein fristet, bis sein Hirntod festgestellt wird - solange wird ein großer und stetig wachsender Prozentsatz der Bevölkerung seine letzten Wochen, Monate und Jahre unter Bedingungen verbringen, die jeder Selbstbestimmung und jeder Würde Hohn sprechen. Das soll kein Plädoyer fürs Abschalten hunderttausender Geräte sein, ohne die ebenso viele Menschen längst eines friedlichen […] wir nicht mit Bestimmtheit, meint der Mediziner, da sie sich nicht klar äußern kann; und dass sie nichts mehr essen mag, kann auch den Ausstrahlungen des Trigeminus in den Kiefernbereich geschuldet sein. Ich kann es jedenfalls nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. - Stattdessen ordnet er 6x täglich 30 Minuten Sauerstoff an. Matt blinkt das Kreuzkettchen an seinem Hals. Natürlich hat meine Mutter als […] Hälsen "professioneller" Helfer. Wie professionell solches Vorgehen wirklich ist, mag man daran ermessen, dass dem heutigen Stand medizinischen Wissens nach die Morphingabe keineswegs lebensverkürzend sein muss, wird sie nur richtig dosiert und nicht erst verabreicht, wenn die betreffende Person bereits in den letzten Zügen liegt. Dass Schmerzmedikamente das Bewusstsein des Patienten weitgehend ausschalten […] Von
Daniele Dell'Agli
Essay 26.09.2014 […] Theologen musste seine Glaubensbrüder daran erinnern, dass eine "Verzweckung des Leidens" (etwa als Fegefeuer auf Erden) niemals im Sinne einer christlich verstandenen Humanität sein könnte (S. 54). Walter Jens wiederum kleidete sein Entsetzen vor der restriktiven deutschen Gesetzgebung mit der für ihn typischen Emphase in einem republikanischen Aufruf: "Die Dichtung sollte zeigen, anschaulich und präzise […] versichern, mit dem ersten Atemzug beginnen irreversibel zu altern; oder weil es, nach Auskunft der Mediziner, immer schwieriger wird anzugeben, wann Leben in Sterben übergeht und dieser Prozess an sein Ende kommt; oder weil wir, wie Wald-und-Wiesen-Philosophen unermüdlich predigen, ohne reflexives Innewerden unserer Endlichkeit vergeblich nach einem Sinn in unserem Dasein suchen würden. Vielmehr tangieren […] man kann es nicht oft genug sagen, mit dem menschenwürdigen Sterben, das von außen nicht oktroyiert, sondern von Individuen, homines vere humani, erwünscht wird, nicht das Geringste zu tun. Es ist sein Gegenteil." (S. 123)
Vergleichsweise nüchtern nimmt sich zwei Jahre später die rechtsphilosophische Untersuchung des Philosophen Norbert Hoerster aus, die in bester Aufklärungstradition die Problematik […] Von
Daniele Dell'Agli
Essay 16.06.2008 […] Mensch im Exkrement mehr er selbst sein als z.B. in der Einhaltung einer sozialen Regel? Nicht weit jenseits des Radius', in dem wir unsere persönlichen Duftmarken setzen, könnte es etwas zu tun geben, was subversiver ist, als auf der Toilette unerkannt Popel zu essen oder die aufsteigenden Aromen zu genießen.
So kämpferisch die Antihygiene auftritt, ihr Bild vom Sein ist romantisch, expressionistisch […] zeitgenössisch. Die Sorge ums Wohlergehen in einer Situation, in der noch gar keine Krankheit vorliegt, um Wellness also, gehört ebenso dazu wie die Panik vor dem Verfall, dem doch irgendwie vorzubeugen sein muss. Günstige Bedingungen zu schaffen, ungünstige zu umgehen, das sind strukturell hygienische Maßnahmen. Und all das lässt sich gut im Namen von Freiheit und Entkrampfung attackieren.
Als Wissenschaft […] verspricht zu viel: Robin, der Pfleger isst Trauben, denen Helen heimlich tropfenweise eigene Tränen ins Fruchtfleisch praktiziert hat - und sie hat sogleich das Gefühl, mit ihm "für immer verbunden" zu sein. Gegen den Daueralarm der klassischen Hygiene setzt der Selbstausdruck der Antihygiene seine ganz eigene Magie. Und zwar nicht, wie Max Pettenkofer mit seinem Miasma, um sich die Welt zu erklären, sondern […] Von
Beate Meierfrankenfeld
Essay 25.02.2007 […] dem Osten geflohene Dissidenten schreiben, Filme machen, Cartoons zeichnen und ihre Kreativität nutzen, und andere überzeugen, dass der Kommunismus weit davon entfernt war, ein Paradies auf Erden zu sein. Trotz der Selbstzensur vieler im Westen, die den Kommunismus idealisierten und verteidigten und trotz der brutalen Zensur im Osten, ist diese Schlacht gewonnen. Heute wird die offene Gesellschaft vom […] waren der Preis für das kommunistische Gesellschaftsexperiment, Millionen Tote waren die Opfer von Nationalsozialismus und Faschismus. Aus dieser Geschichte lernen, kann doch nur bedeuten, wachsam zu sein gegenüber neuen, totalitären Gefahren, die unsere mühsam errungene Freiheit bedrohen, sie zu verteidigen "als eine stets erneute, wiederholte Tat der Befreiung, eine ewige Schlacht, in der es keinen […] Von
Ulrike Ackermann