Magazinrundschau - Archiv

Le Figaro

41 Presseschau-Absätze - Seite 4 von 5

Magazinrundschau vom 23.08.2005 - Figaro

Im Figaro litteraire verrät der Schriftsteller Angelo Rinaldi (mehr) - dem die Fahnen des Buchs zugespielt worden waren, dies aber in der fiktiven Geschichte verpackt, er habe das Buch auf einer Parkbank gefunden - dann etwas über den Inhalt von Houellebeqcs Buch: Es geht um eine Zukunft, in der Menschen geklont, eingefroren werden und bei Bedarf wieder aufgetaut werden und auf diese Weise immer wieder auferstehen können. Erzähler ist Daniel, der "sehr oft geklont wird". "Als sein 25. Klon irrt Daniel über einen Planeten, auf dem man die 'Rotationsachse verändert' hat. Er ist von 'Neu-Menschen' (neo-humains) bevölkert, Individuen des alten Modells, die den Laborexperimenten entkommen sind und nun nicht mehr sind als neandertalerartige Gnome mit knurrendem Mägen. Man schießt auf sie, um sich zu amüsieren. War es nicht Cocteau, der über die 'tödliche Langeweile der Unsterblichkeit' sprach?" Am Ende seines Verrisses fragt sich Rinaldi, ob der ganze Roman "nicht von einem Humor zeugt, der nur für ein paar Eingeweihte taugt". Sein Urteil ist erbarmungslos: "Lächerlich". Und: "ein Blindgänger".
Stichwörter: Langeweile, Unsterblichkeit

Magazinrundschau vom 12.07.2005 - Figaro

Vor dem Hintergrund der Anschläge in London warnt der französische Romancier und Essayist Pascal Bruckner (mehr) in einem Interview vor der verbreiteten europäischen "Beschwichtigungsrhetorik" gegenüber der terroristischen Bedrohung und deren "Leugnung". Seine erste Reaktion auf die jüngsten Attentate: "Liegt es an der englischen Insellage? Oder ist es der Tradition geschuldet, die schon angesichts des Nazismus bemerkenswerte Größe bewiesen hat? Jedenfalls beugt sich Großbritannien in der Konfrontation dem apokalyptischen Zerstörungswillen heute ebenso wenig wie gestern. Es widersetzt sich auf 'Churchill-Art'. Im Gegensatz zu den Spaniern nach den Anschlägen von Atocha reagieren die Engländer kaltblütig. Sie fordern von ihrer Regierung nicht den Abzug ihrer an amerikanischer Seite im Irak stehenden Truppen. (...) Außerdem setzt Blair, gemeinsam mit seinem Volk, eine Tradition von Freiheit fort, bei der ich mich manchmal frage, ob das kontinentale Europa nicht den Geschmack daran verloren hat."
Stichwörter: Bruckner, Pascal, Irak

Magazinrundschau vom 05.07.2005 - Figaro

Unter der Überschrift "Der Adler zieht seine Schwingen ein" beschäftigt sich der Figaro litteraire in einem kleinen Schwerpunkt mit Deutschland und dem deutsch-französischen Verhältnis. Der Deutschlandspezialist Edouard Husson bespricht die Studie "Der lange Weg nach Westen" (zwei Bände, hier und hier) von Heinrich A. Winkler (Übersetzung bei Fayard). Husson lobt das Umfassende an dieser Geschichte der deutschen Einheit und das erzählerische Talent des Autors. "Man sagt ja gemeinhin, dass der Vorrang, den man der Einheit vor der Freiheit eingeräumt hat, für das Abdriften der deutschen Geschichte zwischen der Thronbesteigung Bismarcks und dem Selbstmord Hitlers verantwortlich ist. Aber man begreift während der Lektüre der zweiten Hälfte des Werks, die den Jahren nach 1945 gewidmet ist, dass nicht allein die Sorge um Freiheit den Erfolg der Bundesrepublik Deutschland erklärt: Die Wiedervereinigung wurde ermöglicht, weil erstmals ein deutscher Staat präzise Grenzen definierte..."

Rezensiert wird des weiteren die Publikation "Une autre Allemagne" (Gallimard, mehr) von Edouard Husson, die der Rezensent vor allem vor dem Hintergrund der in Frankreich gescheiterten EU-Verfassung und einer möglichen "neuen deutsch-britischen Achse, die Frankreich diplomatisch isolieren könnte", interessant findet. Außerdem besprochen wird eine Studie des Nürnberger Politologen Tilo Schabert (mehr), die die Rolle von Francois Mitterand für die Wiedervereinigung untersucht ("Mitterrand et la reunification allemande").

Magazinrundschau vom 26.04.2005 - Figaro

In einem Interview erinnert sich der französischen Ethnologe und Strukturalist Claude Levi-Strauss (mehr) an seinen ersten Aufenthalt in Brasilien 1935, wohin er im Rahmen der Mission universitaire francaise entsandt worden war. Im Mittelpunkt des Gesprächs stehen vor allem seine historischen Vorgänger der Erkundung dieses Landes. Auf die Frage, ob er sich damals auch für die Geschichte und Literatur Brasiliens interessiert habe, gesteht er: "Ehrlich gesagt sehr wenig. Aber ich habe mich nicht nur mit den Indios beschäftigt, sondern mich sehr für die Städte interessiert. Sie sind einer der zentralen Aspekte meiner Erfahrungen in Brasilien. Die Geburt einer Stadt, die sich in der Alten Welt über Jahrhunderte oder Jahrtausende hinzieht, dauerte in Brasilien nur ein paar Jahre oder Monate. Für Soziologen ist das ein gewissermaßen perfektes Untersuchungsfeld. Als ich an die Universität von Sao Paulo kam, habe ich meine Studenten rausgeschickt, um ihr Viertel oder ihre Straße zu beobachten. In Sao Paulo, hieß es, werde stündlich ein Haus gebaut. Jeden Tag änderte sich etwas." Der Kontakt nach Brasilien sei nie völlig abgebrochen, habe sich aber ebenfalls verändert: "Das sind ja heute nicht mehr meine Schüler, nicht mal die Schüler meiner Schüler. Sondern die Schüler der Schüler meiner Schüler."

Magazinrundschau vom 19.04.2005 - Figaro

Der Figaro will erfahren haben, dass Francois Pinault, millardenschwerer Besitzer von La Redoute, Printemps, Gucci und Christie?s, nun den Palazzo Grassi in Venedig kaufen wird. Nachdem der italienische Industrielle Guido Angelo Terruzzi seine Kaufabsichten wieder rückgängig gemacht hatte, macht sich Pinaud laut Figaro daran, 29 Millionen Euro in Venedig zu investieren. Er wird 80 Prozent des Nutzervertrages für den Palast halten, der über 99 Jahre läuft. Wie Pinault - der eine gewaltige Kunstsammlung mit Werken der klassischen Moderne besitzt - dessen 4.000 Quadratmeter bespielen will, ist noch nicht bekannt. Der Figaro weiß nur: "Venedig hofft darauf, einen Teil seiner Kollektion zeitgenössischer Kunst zu bekommen und träumt bereits von einer ersten Ausstellung im Juni... Daraus wird nichts. Es gibt nämlich viel Arbeit auf der Ile Seguin." Auf dieser Seineinsel bei Paris lässt Pinault nämlich gerade Tadao Ando ein Museum für seine Sammlung bauen.

Magazinrundschau vom 12.04.2005 - Figaro

Die Studie "Les Antimodernes de Joseph de Maistre a Roland Barthes" (Gallimard) des französischen Literaturwissenschaftlers Antoine Compagnon wird eine alte Debatte wieder aufleben lassen, prophezeit ihr Rezensent im Figaro litteraire. Denn Compagnon vertritt darin die These, dass die "einzig wahren Modernen stets die Anti-Modernen, die Kritiker der Moderne" gewesen seien. "Für Compagnon gilt als antimodern, wer seine unüberwindbare Differenz mit einer Epoche auf sich nimmt, in der er sich geistig fremd fühlt. Galt das nicht auch für Barthes? Die Literatur stirbt, hat jener versichert, nachdem der dem Marxismus und dem Strukturalismus gehuldigt hatte und in einem seiner Seminare am College de France vertreten hatte, dass Sprache 'faschistisch' sei! Aber reicht diese Angst vor dem Tod der Literatur, um aus Barthes einen Anti-Modernen zu machen? Die These hat etwas, um die fanatischen Anhänger von 'Tel Quel' erbleichen zu lassen, an deren Arroganz man sich im Allgemeinen oft eher erinnert als an deren Werke. Wie auch immer: Compagnons Buch verdient, dass man darüber diskutiert."

Magazinrundschau vom 15.02.2005 - Figaro

Der Lacan-Herausgeber Jacques Alain Miller ist in den vergangenen Wochen unter Beschuss geraten. In einem Streit zwischen ihm und Vertretern der l'Association des amis de Lacan, einem Zusammenschluss ehemaliger Schüler, geht es um den Vorwurf einer "Verschleppung" der Herausgabe der "seminaires" von Lacan. Von diesen kursieren unzählige Mitschriften, doch Miller besteht darauf, allein er besitze autorisierte Exemplare. Jetzt zieht die l?association gegen Miller vor Gericht, um ihn zu einer schnelleren Herausgabe zu zwingen. Le Figaro litteraire dokumentierte den Streit vergangene Woche in einem erläuternden Artikel und einem Interview mit Nathanael Majster, dem Generalsekretär der Vereinigung, der die "seminaires" für einen "Bestandteil des nationalen Erbes" hält. In der aktuellen Ausgabe hat Miller nun Gelegenheit, seinen Standpunkt zu erläutern: alles, was "wertvoll" sei, sei eben auch "schwierig und rar". Die Association des amis de Lacan hat unterdes eine neue Internetseite geschaffen, um selber Werke des Rätselmeisters zu publizieren: PublierLacan.org.

Magazinrundschau vom 04.10.2004 - Figaro

Im Figaro litteraire fragt sich Jacques de Saint-Victor in einem Essay, ob die Intellektuellen am Ende sind, und warum sie - gleich, ob links oder rechts - nicht stärker den Vorteil der öffentlichen Bühne nutzen. Unter Hinweis auf eine lesenswerte Neuerscheinung ("Histoire des gauches en France", herausgegeben von Jean-Jacques Becker und Gilles Candar, 2 Bände, La Decouverte) und nach einem kleinen Rekurs auf intellektuelles Selbstverständnis geht Saint-Victor hart mit diesem ins Gericht: "Die Revolution steht nicht auf der Tagesordnung, die intellektuelle Kritik macht vielmehr mit dem gleichen Zynismus weiter, uns ihre ständig mitleiderregende Lage beizubringen. ... Kurz: Sie spielt immer beide Karten aus, den Moralismus und den Zynismus. Es gibt keinerlei Grund, dass dies aufhört. Zumal in einer Zeit die Mitgefühl und Opferhaltung zum Maßstab allen Erfolges gemacht hat ..."

Hingewiesen wird außerdem auf die Studie "Les Intellectuels en France" von Jean-Francois Sirinelli und Pascal Ory (Collection Tempus, Perrin) und zwei weitere Artikel: Einen Text über den "Fluch der intellektuellen Rechten " sowie ein Interview mit dem Geschichtswissenschaftler und Spezialisten für die Ideologiengeschichte des 20. Jahrhunderts, Michel Winock, der darin erklärt: "Wir brauchen eher Denker als Propheten".

Magazinrundschau vom 02.08.2004 - Figaro

Vor 300 Jahren erschienen zum ersten Mal die Märchen aus 1001 Nacht, herausgegeben von dem französischen Gelehrten Antoine Galland, der einige der Märchen (zum Beispiel "Ali Baba") offensichtlich selbst verfasste. Clemence Boulouque annonciert in einem interessanten Hintergrundartikel des Figaro litteraire einen Reader zum Thema, der auf einem Kolloquium der Unesco im Mai beruht, "Les Mille et Une Nuits en partage", herausgegeben von Aboubakr Chraibi (Actes Sud): "Dieser Überblick ist sicherlich die schärfste Antwort auf jede Exklusivitätsforderung, ob sie nun aus dem Westen oder dem Orient kommt. Tatsächlich können die Einflüsse und Zitate in den 'Erzählungen aus 1001 Nacht' kaum eingegrenzt werden, und sie wandern beständig um die Welt, von der weltlichen hebräischen Lyrik des mittelalterlichen Spaniens über Cervantes bis hin zu Gide, Proust, Mishima oder Pasolini."

Magazinrundschau vom 28.06.2004 - Figaro

In Frankreich ist bei Gallimard ein Band mit Aufsätzen des jungen Cioran erschienen, geschrieben von 1931 bis 43, das heißt im Alter von 20 bis 32 Jahren. Patrice Bollon schildert die Nähe des jungen Philosophen zu Heidegger und Spenglers "Untergang des Abendlands" und fährt fort: "Auch wenn diese Artikelsammlung von den Herausgebern sorgsam von den engagiertesten und brutalsten seiner Texte gesäubert wurden, die er von 1933 bis 35 in Deutschland geschrieben hat, versteht man doch ohne Schwierigkeiten, wohin Cioran durch seinen vitalistischen Katechismus geführt wurde: Zur positiven Stellungnahme zu jener 'Revolution des Nihilismus', die der Nazismus für ihn darstellte. Gerade hier könnte die Lektüre dieses Bandes übrigens allen 'Gutwilligen' empfohlen werden: damit sie sehen und verstehen, wie völlig legitime und sogar schwierig zu widerlegende Ideen - ist die Auflösung der Kultur durch ultrademokratische Ideen nicht heute noch weiter fortgeschritten als in den dreißiger Jahren? - zum Schlimmsten führen können."