Magazinrundschau - Archiv

Elet es Irodalom

577 Presseschau-Absätze - Seite 3 von 58

Magazinrundschau vom 19.09.2023 - Elet es Irodalom

Die 1987 geborene Theaterkritikerin und Schriftstellerin Panni Puskás veröffentlichte vor kurzem ihr zweites Buch. Im Interview mit Csaba Károly spricht sie über ihren neuen Roman und über die Unmöglichkeit, sich von den eigenen Wurzeln loszulösen aber auch, warum dies gar nicht notwendig sein müsste: "Wo auch immer wir hingehen, ich denke, wir werden immer ein Teil dieser Gesellschaft hier sein. Wir können uns darüber freuen oder darüber auch traurig sein, dass wir Ungarn sind. Dieses Doppelgefühl ergreift mich in der Regel auch, wenn ich die Social-Media-Aktivitäten meiner ausgewanderten intellektuellen Freunde beobachte. Mit immer neueren Posts wollen sie beweisen, dass das System, unter dem wir Gebliebenen leben, unerträglich ist und dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben, nämlich zu gehen Aber ich sehe nur, dass sie den Nachrichten aus Ungarn nicht entkommen können, dass sie also, obwohl sie woanders wohnen, obwohl sie woanders ihre Steuern zahlen, eigentlich immer noch hier leben. (…) Mal abgesehen davon, dass es auch anderswo Probleme gibt. Aber was ich vor allem mit meinem letzten Buch sagen wollte, ist, dass die Lösung nicht in der Flucht liegen kann. Die Lösung besteht darin, sich den Problemen zu stellen und Verantwortung zu übernehmen, wo auch immer wir sind. Je mehr von uns dazu bereit und in der Lage sind, desto besser wird es uns allen gehen."

Magazinrundschau vom 12.09.2023 - Elet es Irodalom

In neu aufgelegten Geschichtsbüchern für die Klasse 11 in Russland wird die Revolution von 1956 in Ungarn als "durch westliche Länder entfachten, faschistischen Aufstand" beschrieben (mehr hier). Das ansonsten kämpferische ungarische Außenministerium, das bei wesentlich unbedeutenderen Angelegenheiten bevorzugt Botschafter westlicher Länder einbestellt, schweigt bisher. Nach geraumer Zeit verkündete der Staatssekretär für bilaterale Angelegenheiten in einem Eintrag auf einer Social Media Seite, dass Ungarn über die Revolution von 1956 nicht diskutiert. Das ist ein Fehler, meint der ehemalige Staatssekretär im Energie- und Verkehrsministerium Lajos Csepi: "Es wäre ratsam, eine realistische Position herauszuarbeiten, die für beide Seiten akzeptabel ist. Andernfalls besteht die ernstliche Gefahr, dass russische Schulkinder die Doktrinen des derzeit kursierenden Geschichtsbuchs übernehmen und die Motive der ungarischen Revolution von '56 für den Rest ihres Lebens falsch einschätzen. Allein diese Möglichkeit sollte die ungarischen Diplomaten, die für das Image unseres Landes verantwortlich sind, in Schrecken versetzen (...) Wenn es keine Debatte gibt, wird die russische Seite davon ausgehen, dass ihre Ansichten - d.h. die des derzeit verwendeten Lehrbuchs - ohne Vorbehalt akzeptiert werden. Für die ungarische Seite wäre dies kaum eine diplomatische Meisterleistung. Auch wenn eine Änderung ausgeschlossen ist, könnte sich eine gründliche Diskussion lohnen. Die Voraussetzungen dafür sind sicherlich gegeben, denn unser Außen- und Handelsminister ist ja zu Recht stolz auf die herzliche Freundschaft, die er mit seinem russischen Amtskollegen entwickelt hat."

Magazinrundschau vom 05.09.2023 - Elet es Irodalom

Die in Siebenbürgen lebende Dichterin, Redakteurin und Übersetzerin Noémi László spricht im Interview mit Andrea Lovász über das Bild und die Rolle des Dichters heute in der Öffentlichkeit. "Mut als Motiv hat mich stets sehr interessiert. Unter anderem, weil ich ein Feigling bin, aber das ist nichts Besonderes, denn die meisten Menschen, die auch nur ein Fünkchen normal sind, sind Feiglinge. Freilich bin ich gleichzeitig auch ein bisschen nicht normal, somit also auch mutig, sonst wäre ich nicht hier und da als Dichterin bezeichnet worden. Es ist eben nicht nur das Schreiben von Gedichten, was einen Menschen zum Dichter macht, sondern auch eine Art von Haltung, eine Art von Verhalten. Einen feigen Dichter kann ich mir nicht vorstellen, besonders jetzt, im Petőfi-Erinnerungsjahr."

Magazinrundschau vom 22.08.2023 - Elet es Irodalom

Der junge Dichter Ádám Vajna spricht mit Nikolett Antal unter anderem über die Bedeutung der Literatur im ungarischen Lehrplan, sowie über Schreiben als politische Handlung. "In der Einleitung des nationalen Curriculums heißt es, dass die Literatur einer der Schlüssel zum Überleben der Nation ist. Somit wird das Schreiben von Literatur sofort als nationaler Akt geframet. Ich habe selbst gemerkt, wie stark dies auf mein Denken wirkt und auch die Art und Weise bestimmt, wie ich Gedichte schreibe. Ich musste und muss also etwas mit der Nation, dem Heimatland oder dem Ungarischen anfangen. Das nationale Dasein als Definitionsfaktor für den Menschen - das ist bis heute eine sehr starke Prägung in mir. (...) Wenn wir Lyrik als etwas betrachten, das nicht für die Schublade, sondern für ein größeres Publikum gedacht ist, dann wird dieser Akt, sich vor andere zu stellen und etwas zu sagen zwangsläufig politisch. Als Sándor Weöres vor der Wende Kindergedichte schrieb, tat er das auch, weil er nicht explizit über öffentliche Themen schreiben durfte. Der Dichter betritt somit bei allem, was er tut, immer eine Art politischen Raum. Auch wenn er es nicht will."
Stichwörter: Ungarische Literatur

Magazinrundschau vom 15.08.2023 - Elet es Irodalom

Der Theater- und Filmregisseur István Verebes kritisiert das Menschenbild der gegenwärtigen Bildungs- und Kulturpolitik, andererseits die Reaktion der Intellektuellen darauf: "Gesetze werden eben auch so erlassen, dass viele Menschen immer weniger Gelegenheit haben sollen, mit Büchern aufzuwachsen, was auch bedeutet, dass sie immer weniger Anreiz haben, sich mit dem Unsinn auseinanderzusetzen, der in die Schaufenster gestopft wird. Der ganze Angriff auf den Verstand, so scheint es mir, ist selbst für die gestählten Gebildeteren wenig besorgniserregend. Das Spiel des Verstandes läuft heutzutage so ab, dass auf der einen Seite des Spielfeldes die Mannschaft der 'nationalen Kooperation' sich gegenseitig wie Amateure den Ball zuspielt, anstatt zu versuchen, ein Tor zu erzielen. Auf der anderen Seite stehen die verärgerten Intellektuellen herum und beschweren sich beim überaus voreingenommenen Schiedsrichter. (Nur eine Frage: Gab es jemals einen Schiedsrichter, der zu einem protestierenden Spieler gesagt hätte: 'Sie haben Recht, ich werde meine Entscheidung ändern?') Die Fans der zivilisierten Welt wiederum starren uns von der Tribüne aus in stummem Erstaunen an. Trotz meiner begrenzten Ausbildung in Politikwissenschaft glaube ich, dass die einzige Möglichkeit, die Taktik wieder zu ändern, darin besteht, dass entweder Putin oder Trump in der zweiten Halbzeit etwas passiert. Wenn...! Wenn das 'große Große' zusammenbricht, dann brechen wir mit ihm zusammen. Ob es ein Aufräumen und dann ein Aufbauen geben wird, oder eine weitere Zerstörung von Wohlstand und schöpferischen Idealen, ist heute noch nicht vorhersehbar. Und genau diese Unvorhersehbarkeit ist es - so befürchte ich -, die das 'System der nationalen Kooperation' bis heute aufrechterhält."

Magazinrundschau vom 08.08.2023 - Elet es Irodalom

Der Psycholinguist Csaba Pléh spricht im Interview mit Benedek Várkonyi über die Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die menschliche Kommunikation. "In meiner optimistischen Lesart wird sie die Kommunikation von Mensch zu Mensch verbessern. Wenn Sie die in Textverarbeitungsprogrammen eingebauten grammatikalischen und stilistischen Funktionen nutzen, wird sich Ihre eigene Formulierung verbessern, weil sie Ihnen sehr interessante Ratschläge gibt, und das ist gut so. Ich formuliere zum Beispiel im Englischen wesentlich mehr Schachtelsätze als notwendig. Das passiert freilich, weil der Mensch stolz darauf ist, die Passivstruktur verwenden zu können. Also formuliert man Texte anders. KI wird die Kommunikation zwischen den Menschen in vielerlei Hinsicht verfeinern. In anderen Bereichen wird sie wohl verarmen, doch diese Gefahr geht nicht nur von den Maschinen aus, sondern auch von uns selbst."

Magazinrundschau vom 11.07.2023 - Elet es Irodalom

Der Philosoph Sándor Radnóti hält es für falsch, Viktor Orbans Herrschaft in Ungarn als Diktatur zu bezeichnen, denn dies würde die realsozialistische Zeit etwa unter János Kádár verharmlosen: "Solange wir freie Rede und freie Presse haben (wenn auch bedrängt), freie Versammlungen (wenn auch eingeschränkt) und freie Wahlen (wenn auch mit Gerrymandering, mit Bestechung oder Erpressung der Armen und an kleineren Orten mit  nicht geheimen Abstimmungen) wäre es übertrieben, von einer Diktatur zu sprechen, ein 'Hochtadeln'. Der politisch heikle Bereich des freien Denkens, der Presse-, Versammlungs- und Wahlfreiheit waren selbst in der mildesten Phase der Ära Kádár nicht möglich oder gar verboten. Kein Zweifel, die politischen Repressalien und Belohnungen sind beschämend und erniedrigend, doch sie erreichen nicht das Maß politischer Inhaftierung, Prozesse oder gar Morde, wie es die frühe Kádar-Ära kennzeichnete. So schloss bei den letzten Wahlen selbst Orbán nicht aus, dass er verlieren könnte - und sorgte dafür, seine Kader auf ihren Posten zu zementieren und eine eventuell neue Regierung bis zu seiner triumphalen Rückkehr zu lähmen. Die Wahl selbst bewies, dass seine Bedenken grundlos waren. Ihn hätte lediglich ein allgemeiner Aufstand in den Wahlkabinen oder außerhalb aus dem Amt jagen können. Da dies in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist, bleibt das traurige ungarische Leben im Alten. Man nennt es Autokratie."

Magazinrundschau vom 27.06.2023 - Elet es Irodalom

Der bisherige Generaldirektor der Ungarischen Staatsoper darf weiter im Amt bleiben, obwohl selbst die von der Regierung beauftragte Findungskommission seine Bewerbung an letzter Stelle platzierte. Das kann Gábor Gadó nur gallig kommentieren: "Wenn es der Ministerpräsident nicht anders macht, was können wir dann vom Generaldirektor der Ungarischen Staatsoper erwarten? Frisch in seinem Amt bestätigt, verfügte er als erstes, dass dem leitenden Dirigenten mit "sofortiger Wirkung" gekündigt wurde, denn dieser hatte sich ebenfalls um den Posten des Generaldirektors beworben. Die Findungskommission bewertete diese Bewerbung weitaus besser, als die des amtierenden Generaldirektors, der übrigens auf dem letzten Platz der Bewerberliste landete. Die prompte Entlassung wurde mit dem üblichen Personalkarussell nach Regierungswechseln verglichen, aber es heißt auch, dass der Künstler weiterhin als Gastdirigent tätig sein kann. Das Verblüffende an der Geschichte ist weniger, dass der Generaldirektor die unterschiedlichen Praktiken einer Kündigung verwechselte. Die hässliche Nachricht der Kündigung zeigt die Essenz des Systems: Bei der Staatsoper und darüber hinaus soll jeder begreifen, dass ein Sieger alles darf und der Verlierer lediglich im stillen Abgang etwas Hoffnung finden kann."
Stichwörter: Ungarische Kulturpolitik

Magazinrundschau vom 20.06.2023 - Elet es Irodalom

Die Schriftstellerin Gabriella Nagy spricht im Interview mit Claudia Hegedüs über generationenübergreifende Traumata, auf die sie selbst auch beim Schreiben am   "Großroman Budapest" stieß: "Zweifelsohne tragen wir neben den eigenen, vielleicht unterdrückten oder geleugneten Traumata auch die Abdrücke der Tragödien, die in unseren Familien passierten, wir tragen sogar Dinge weiter, über die wir uns nicht einmal im Klaren sind. Sie bestimmen unsere Entscheidungen und unsere Reaktionen in den unterschiedlichen Lebenssituationen. Vielleicht merken wir nur, dass wir in einer Situation nicht weiterkommen, dass wir stets in dieselbe Falle tappen, denselben Fehler machen, solange wir uns nicht damit beschäftigen ... Beim Großroman Budapest schreiben dreiundzwanzig Autoren die Geschichte der dreiundzwanzig Bezirke als gemeinsames Schaffensprojekt. Aus den Legenden der Bezirke, dem Klatsch und Tratsch sowie aus Dokumenten entstehen fiktionale Werke, in denen auch Personen eine Rolle spielen, die tatsächlich existierten ... Klar wollte ich mich mit dem 16. Bezirk beschäftigen, denn meine Familie und meine Arbeiten verbinden mich damit. So habe ich mich anfänglich weniger darüber gefreut, dass ich den 11. Bezirk bekam, obwohl ich einen Großteil meines Lebens dort verbrachte, doch das änderte sich mit der Zeit. Ich musste mich damit konfrontieren, dass die fünfzig Jahre, die ich hier im 11. Bezirk verbrachte, zum Teil als Übergang betrachtete. Ich lebte hier als eine Fremde, die sich nicht integrieren wollte. Wie meine Eltern."

Magazinrundschau vom 13.06.2023 - Elet es Irodalom

Das diesjährige landesweite Buchfestival fällt mit dem Petőfi-Erinnerungsjahr zusammen. Sándor Petőfi, Dichter der Romantik gilt als eine der bedeutendsten Figuren der ungarischen Lyrik, sowie als Ikone der Freiheitskämpfe von 1848/49. So wurde das Buchfestival mit einer Rede des Literaturwissenschaftlers und Petőfi-Experten István Margócsy eröffnet, den Elet es Irodalom publiziert. Er plädierte er bei aller Liebe und (kurzfristigen) Begeisterung für den Dichter für ein distanzierteres Wiederlesen des vielfältigen Werks Petőfis: "Wir kommen Petőfi näher, wenn wir sein Lebenswerk nicht als besonderen Fall der ungarischen Literatur behandeln, sondern als normale Erscheinung, wenn wir ihn als einen großen Dichter unter den vielen Größen der ungarischen Literatur sehen. Denn zum normalen Funktionieren der Literatur gehört eben auch, dass wir Größe nicht als Flagge, nicht als Parole wirken lassen, sondern als formelle und informelle Anerkennung - zwischen Interpretationen und Anzweiflungen."