Ursula Krechel

Landgericht

Roman
Cover: Landgericht
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2012
ISBN 9783990270240
Gebunden, 492 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Was muss einer fürchten, was darf einer hoffen, der 1947 aus dem Exil nach Deutschland zurückkehrt? Nach ihrem 2008 erschienenen Buch "Shanghai fern von wo" geht Ursula Krechel mit ihrem neuen Roman "Landgericht" noch einmal auf Spurensuche. Die deutsche Nachkriegszeit, die zwischen Depression und Aufbruch schwankt, ist der Hintergrund der fast parabelhaft tragischen Geschichte von einem, der nicht mehr ankommt. Richard Kornitzer ist Richter von Beruf und ein Charakter von Kohlhaas'schen Dimensionen. Die Nazizeit mit ihren absurden und tödlichen Regeln zieht sich als Riss durch sein Leben. Danach ist nichts mehr wie vorher, die kleine Familie zwischen dem Bodensee, Mainz und England versprengt, und die Heimat beinahe fremder als das in magisches Licht getauchte Exil in Havanna.
Ursula Krechels Roman lässt Dokumentarisches und Fiktives ineinander übergehen, beim Finden und Erfinden gewinnt eine Zeit Konturen, in der die Vergangenheit schwer auf den Zukunftshoffnungen lastet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.10.2012

Über Ursula Krechels "Landgericht", soeben mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet, schreibt in der Zeit Andreas Isenschmid, der der diesjährigen Buchpreis-Jury angehörte und als Sprecher vorstand. Seine Besprechung fällt entsprechend hymnisch aus und liest sich wie eine Jury-Begründung. Isenschmid referiert die Handlung und legt besonderen Wert darauf, dass Krechel diese Geschichte nicht erfunden, sondern gefunden hat: bei der Recherche für ihr voriges Buch machte die Autorin "Archivfunde, wie sie nur sehr guten Historikern glücken". Die große Schwierigkeit bestand nun darin, bei der Verarbeitung der historischen Quellen zu einem Roman den richtigen Ton zu treffen. Das sei Krechel mit ihrem "kühlen, distanzierten, bisweilen analytischen und essayistischen Erzählstil" meisterhaft gelungen. Eine uneingeschränkte Hymne also auf "dieses wahrheitsliebende, schöne und wirklich einzigartige Buch".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.10.2012

Rezensent Andreas Platthaus nennt den neuen Roman von Ursula Krechel einfach das eindrucksvollste Buch des Herbstes und widmet ihm den Aufmacher der Literaturbeilage. Das Trauma des jüdischen Exils, erzählt anhand eines Richterschicksals beeindruckt den Rezensenten schon wegen der enormen Rechercheleistung von zehn Jahren, der Umsetzung der unpersönlichen Dokumente in brillante, wenngleich abgründige Literatur und der Gerechtigkeit, die die Autorin der Figur, nun wieder auch stellvertretend für all die ungerechten Exilantenschicksale, dadurch widerfahren lässt. Dass da noch mehr kommt in dieser Hinsicht von dieser Autorin, das vermutet Platthaus und freut sich schon mal vor. Derweil liest er hier die spröde Sprache, diese überkorrekte Prosa der Autorin, wie sie ihrem Helden so nahe kommt, Anklage spricht und ihn rehabilitiert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.10.2012

Ursula Krechels neuem Roman "Landgericht" gebührt größte Anerkennung, meint Rezensentin Kirsten Voigt. Die Kritikerin erlebt hier, wie der jüdische Richter Richard Kornitzer sich während des Zweiten Weltkrieges zunächst im kubanischen Exil behauptet und nach seiner Rückkehr nach Deutschland nicht nur für seine Rechte als Vertriebener kämpft, sondern nach zehnjähriger Trennung von seiner Frau auch die Ehe wieder aufnehmen und die gemeinsamen Kindern aus den Pflegefamilien in England zurückholen will. Neben den bildgewaltigen Schilderungen des zerstörten Deutschlands gelinge es Krechel, ihre Figuren mit "rationaler Empathie" zu schildern, lobt die Kritikerin, die gerade dadurch tiefes Verständnis für die Protagonisten verspürt. Nicht zuletzt hat Voigt die ebenso temporeiche wie "diskrete" und "lakonische" Erzählweise der Autorin tief beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.10.2012

Ursula Krechels neuen herausragenden Roman "Landgericht" kann Rezensent Martin Zingg nur unbedingt empfehlen. Erzählt wird die Geschichte des jüdischen Richters Richard Kornitzer, der vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, getrennt von seiner protestantischen Frau Claire, aus Berlin ins Exil nach Kuba flieht, während seine beiden Kinder von einer Organisation nach England gerettet werden. Zehn Jahre später, so der Kritiker, kämpft Kornitzer, wieder in der Position eines Richters, um die ihm zustehende Besoldung, die Beziehung zu seiner Frau und die Rückkehr seiner Kinder. Mit großer Bewunderung liest der Rezensent, wie leichthändig es Krechel gelingt, historische Fakten und Zitate aus Originaldokumenten in ihren eindringlichen und "atmosphärisch dichten" Roman zu verweben. Dieses bewegende Buch, das auch sprachlich brilliert, sei ein wahrer "Glücksfall", lobt Zingg.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.09.2012

Ulrich Rüdenauer würdigt die Art und Weise, wie Ursula Kriechel in ihrem Roman über einen jüdischen Vertriebenen, der nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrt, ihre umfangreichen Recherchen "mit Leben" anreichert. "Dokument und Fiktion" werden hier auf gewinnbringende Weise collagiert, doch nicht untrennbar verschmolzen, so der Rezensent: Das Gefundene und das Erfundene werden "kunstvoll und sorgfältig" miteinander verbunden. Deutlich wird Rüdenauer dabei, welch niedrige Priorität die Wiederaufnahme der Vertriebenen in der sich gerade bildenden Bundesrepublik genoss: So sieht er in dem Roman schlussendlich auch ein Denkmal für all jene, die in den Geschichtsbüchern nur in Statistiken subsummiert auftauchen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.09.2012

Schade, schade, scheint Christoph Schröder zu sagen. Den Roman von Ursula Krechel konnte er nur zu rund einem Viertel genießen. Bis dahin überzeugt ihn die von Krechel entworfene Emigrations- und Heimkehrergeschichte des zum Protestantismus konvertierten Juden Kornitzer durch die Kondensation deutscher Nachkriegsgeschichte in der Figur. Die Frage, was deutsch, was Identität ist, vermag ihm die Autorin anhand der Familiengeschichte Kornitzers plastisch und sinnlich zu exemplifizieren. Leider will die Autorin bald zu viel von ihrer Figur, von ihrem Roman. Nicht weniger als eine Anklageschrift gegen Nachkriegsdeutschland türmt sich vor dem mehr und mehr überforderten Rezensenten auf, detailreich recherchiert bis zum Überdruss. Übernimmt die Erzählerinstanz immer mehr das Ruder, verzwergen die Figuren entsprechend zu Platzhaltern, meint Schröder. Stilistisch gleicht der Roman nun einem Protokoll, einer historischen Seminararbeit, wie der Rezensent bedauernd feststellt, das Fiktionale tritt dahinter zurück. Am Ende steht Schröder mit ziemlich leeren Händen da: keine Geschichte, und natürlich auch keine historische Gerechtigkeit.
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