Timothy Garton Ash

Europa

Eine persönliche Geschichte
Cover: Europa
Carl Hanser Verlag, München 2023
ISBN 9783446276154
Gebunden, 448 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. Zerstört, geteilt, geeint, zwischen Taumel und Triumph: Die Geschichte Europas wie Timothy Garton Ash sie erlebt hat. Timothy Garton Ash ist leidenschaftlicher Europäer. Schon vor 1989 wollte er sich nicht mit der Teilung des Kontinents abfinden, bis zuletzt kämpfte er gegen den Brexit. Nun schreibt er seine ganz persönliche Geschichte Europas, die 1945 mit der Stationierung seines Vaters als Besatzungssoldat in Deutschland beginnt. Er erzählt von Freunden wie Václav Havel, erinnert sich an den Mauerfall, berichtet vom Jugoslawienkrieg, der Eurokrise und dem Flüchtlingsdrama und liefert eine scharfe, eindringliche Analyse der neuesten europäischen Geschichte. Der Angriff auf die Ukraine zeigt, wie dringend wir einen freien und geeinten Kontinent brauchen - niemand verkörpert diese Idee überzeugender als Timothy Garton Ash.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.08.2023

"My Homelands" heißt Timothy Garton Ashs Buch im Original, ein Titel der vieldeutiger und inspirierender ist als im Deutschen. Ja, Ash ist in ganz Europa heimisch geworden, hat überall Kontakte gepflegt und spricht perfekt mehrere Sprachen, notiert Rezensent Martin Schulze Wessel, der selbst ein ausgewiesener Osteuropahistoriker ist. Bewundernd begleitet er Ash auf seinen immer aus persönlichen Erinnerungen gespeisten Streifzügen durch die europäische Geschichte und Gegenwart und verweist besonders auf ein Kapitel, in dem Ash erzählt, wie er noch zu Mauerzeiten einmal unangemeldet bei Vaclav Havel reinplatzte. Ash hat laut Schulze Wessel auch einen klaren Blick auf die politischen Problematiken seiner "Heimatländer", die Russophilie in Deutschland, die Abkehr von der liberalen Demokratie in Polen, den Brexit zuhause: Schulze Wessel bewundert auch, dass Ash es versteht, diese Probleme als Herausforderungen und nicht unbedingt als Zeichen für Schlimmeres zu beschreiben.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.04.2023

Rezensent Micha Brumlik kann sich mit der Perspektive, die Timothy Ash in seinem Buch auf den europäischen Kontinent wirft, gut identifizieren. Wie Ash ist der Rezensent geprägt von der Idee Europas als "freiheitlichem Ort". Doch wie der Autor des Buches muss er feststellen, dass Europa sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart vor allem einen Ort des Freiheitskampfes darstellte. Ash zeichnet aus persönlicher und wissenschaftlicher Perspektive die Geschichte des Kontinents nach, dabei schildert er beispielsweise das Auseinanderbrechen Jugoslawiens mit eindringlicher "Drastik", so der Rezensent: Eine wichtige Erinnerung, meint er. Ash schreibt aus einer "engagierten Teilnehmerperspektive" und so ist seine europäische Geschichte für Brumlik so "anregend wie spannend".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.04.2023

In einer ausführlichen Rezension widmet sich Paul Ingendaay dem neuen Buch des von ihm hochgeschätzten Historikers Timothy Garton Ash, der hier in einer Amalgamierung von persönlichen und öffentlichen Erfahrungen versucht, die Geschichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg zu fassen. Ingendaay lobt Garton Ash als großen Kenner etwa der Solidarnosc-Bewegung, der Wende oder der Euro-Krise, gibt aber zu bedenken, dass auch ein Experte das Rad nicht neu erfinden kann und deswegen nahezu zwangsläufig droht, dass er sich irgendwann mit seinen Meinungen und Positionen wiederholt. Das geschieht hier, bedauert der Rezensent, er hätte sich statt einer "Parade der Promis", die der Autor während seiner Arbeit kennengelernt hat, lieber mehr Reflexionen gewünscht, die auch gerne in etwas kraftvollerer Sprache hätten daherkommen dürfen. Ein prinzipiell interessantes Sujet wird dadurch fast referatartig abgefrühstückt, auch wenn die Schlussfolgerungen, die der Historiker trifft, spannend und oft ungewöhnlich sind, resümiert der Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.04.2023

Rezensent Gustav Seibt setzt in seiner bisher nur online erschienenen Kritik zunächst mit einer Hymne auf Timothy Garton Ash an, diesen "Supereuropäer", der immer zur rechten Zeit am rechten Ort war: Er lernte noch den sowjetischen Kreml vor Gorbatschow kennen, begleitete die Wiedervereinigung, traf Putin in den Neunzigern und unterrichtete Orban in Oxford. Dies sind nur einige der Stationen, von denen Garton Ash in seinem inspirierenden und persönlichen Buch berichtet, erklärt der Kritiker, der das Werk irgendwo zwischen "staatsmännischer Memoirenliteratur und Geschichtsschreibung" sieht. Und doch wird Seibt mulmig zumute bei der Lektüre. Das liegt nicht an Garton Ash, der so schreibe, als würde er vor einem Kaminfeuer erzählen, versichert der Kritiker. Aber von der Hoffnung und dem Aufbruchsgeist, mit der die europäische Geschichte der letzten Jahrzehnte bei Garton Ash beginnt, ist heute nicht mehr viel übrig: Der Autor legt Seibt etwa dar, wie Putin bereits im Schatten der westlichen Auseinandersetzung mit den Folgen des 11. Septembers sein Land zur Diktatur umbaute. Der Liberalismus sei "faul, selbstverliebt und übermütig" geworden, nachdem ihm die Konkurrenz durch Faschismus und Kommunismus fehlte, diagnostiziert Garton Ash außerdem. Die Grundproblematik der EU kommt Seibt hier allerdings zu kurz: Für den Kritiker besteht dieser im Widerstand vieler europäischer Länder gegen den Abbau des Nationalen.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 22.04.2023

Ins vergangene Europa blickt Rezensentin Mara Delius mit Timothy Garton Ashs (Kultur-)Geschichte des Kontinents nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie lobt die Verknüpfung der persönlichen Geschichte des Autors, dessen Vater beim D-Day in der Normandie dabei war, mit den großen Etappen der europäischen Idee zwischen kaltem Krieg und neueren politischen Krisen, die immer wieder aufeinander treffen und gegenseitige Wechselwirkungen klar machen. Dass politische Akteure wie Margaret Thatcher und Václav Havel auftreten, macht das Buch für Delius zu einem lesenswerten "Gesellschaftsporträt des 20. Jahrhunderts", das sie in der momentanen krisengebeutelten Phase der Geschichte an Faulkner denken lässt, der einst schrieb: "Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen." Das vermittelt ihr Garton Ash mit seinem Blick auf das Nachkriegseuropa auf imposante Weise.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.04.2023

Rezensent Thomas Zaugg bewundert den britischen Historiker Timothy Garton Ash als großen Europäer und noch größeren Grenzgänger, weswegen Ash in seinem Buch überzeugend seine persönliche Geschichte mit der des Kontinents verbinden könne. Der Rezensent folgt ihm durch die achtziger Jahre des Aufbruchs, durch die neunziger Jahre des Triumphs und die Nuller Jahre der Hybris, als sich die "liberalen Internationalisten" mehr um die andere Hälfte der Welt als um die andere Hälfe der eigenen Gesellschaft kümmerten, wie Ash unter anderem den Brexit erklärt. Der "große Schmerz", das erkennt Zaugg, bleibt für Ash jedoch Polen, in dem das von der Solidarnosc geschaffene humanistisch-dissidente Gesamtkunstwerk vom Nationalkonservatismus zertrümmert wurde. Lösungen präsentiert Ash nicht, stellt der Rezensent fest, dem die Träume von einer europäischen Zukunft mitunter zu anekdotisch bleiben.