Axel Schildt

Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik

Cover: Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik
Wallstein Verlag, Göttingen 2020
ISBN 9783835337749
Gebunden, 896 Seiten, 46,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Gabriele Kandzora und Detlef Siegfried. Wie Intellektuelle das Gesicht der Bundesrepublik formten und dafür die Medien nutzten.Welche geistigen Strömungen prägten die Bundesrepublik in ihren formativen Jahren zwischen Kriegsende und den späten 1960er Jahren? In seinem letzten großen Werk entfaltet der kürzlich verstorbene Zeithistoriker Axel Schildt ein faszinierendes Tableau der um Einfluss und um die kulturelle und politische Gestalt der Bundesrepublik kämpfenden Intellektuellen. Sie saßen in Redaktionen, gründeten neue Zeitschriften, bestimmten maßgeblich die Abendprogramme der Radioanstalten und die aktuellen Buchreihen der Verlage. Auch Illustrierte und Fernsehstudios nutzten sie, um meinungsbildend zu wirken. Axel Schildt hat etwa hundert Nachlässe sowie Archive von Redaktionen und Akademien ausgewertet - viele von ihnen erstmals - und zeichnet so auf einer völlig neuen Materialgrundlage die Debatten, Verbindungen, medialen Praktiken sowie die Resonanz der westdeutschen Intellektuellen zwischen 1945 und 1968 nach. Kontinuitäten und Umbrüche, hegemoniale Strömungen und vielfältige Differenzen und Widersprüche werden deutlich.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.02.2021

Am Ende seiner Besprechung betont Rezensent Willi Winkler zwar, dass sich ohne die Intellektuellen der frühen Bundesrepublik keine "zivile Mentalität" ausgebildet hätte, aber bis dahin hat er sie eigentlich eher entzaubert. Axel Schildt hat sein opus magnum über die Medienintellektuellen vor seinem Tod nicht mehr fertigstellen können, aber mit seinen achthundert Seiten scheint es dem Rezensenten schon überbordend genug. Winkler erfährt, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit engagierten Redakteuren wie Alfred Andersch und Helmut Heißenbüttel zum eigentlichen Mäzen der Intellektuellen entwickelte. Benn, Walser, Adorno, Enzensberger, Habermas bestritten dank hervorragender Bezahlung ohne Ende Radiosendungen, Zeitschriften und Akademie-Tagungen. Aber Winkler liest auch von Maßlosigkeit, Arroganz und Kaltherzigkeit, etwas wenn Gottfried Benn sich gegenüber Peter de Mendelssohn herausnahm, Emigranten verächtlich zu machen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.12.2020

Mit der schönen Formulierung über den "Lesehunger und Theoriedurst" der sechziger und siebziger Jahre zitiert Tanjev Schultz den Autor, der diese Studie vor seinem Lebensende nicht mehr hatte abschließen können. Umso mehr hat dem Kritiker das hier Vorgelegte, die Ausführungen zum Literatur- und Kulturbetrieb Nachkriegsdeutschlands gefallen. Großartig alleine die Kulturzeitschriften von damals, schwärmt er und zählt die Titel auf. Bevor er aber vollständig ins Schwelgen gerät über die Zeit schwergewichtiger und durchaus "elitärer" Intellektualität, ihrer Netzwerke und Orte - von der Kurklinik auf der Bühlerhöhe im Schwarzwald bis zu den diversen Rundfunkstudios der Republik -, gibt er zu, dass große Mängel herrschten, etwa indem es außer Gräfin Dönhoff keine einzige Frau in die dominante Herrenrunde des intellektuellen Nachkriegs geschafft hatte. Und auch die Kontinuitäten aus der NS-Zeit waren und werden bei Schildt deutlich. Auch wenn also die 1970er und 1980er Jahre weitgehend fehlen, hat der Autor doch einen "brillanten Bogen" der Erzählung gespannt, so der Kritiker, der seinerseits einen großen Lesegenuss beschert.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 07.12.2020

Rezensent Marko Martin freut sich über das aus dem Nachlass publizierte Buch des im letzten Jahr verstorbenen Historikers Axel Schildt. Inwieweit sich Intellektuelle in der Adenauer-Ära medialer Verbreitung in Presse, Funk und Fernsehen bedienten, zeigt der Autor laut Martin und legt eine Intellektuellengeschichte vom Nachkrieg bis 1968 vor. Schildts dezenter und genauer Beschreibung kann Martin viel abgewinnen, eigene Gedanken vor allem, und bedauert, dass der Autor keine Zeit mehr hatte, seine Arbeit bis in die "Berliner Republik" voranzutreiben. Trotz all der hier dokumentierten Geschichten ist das Buch für Martin keine Anekdotensammlung, sondern lässt Muster erkennen, die die intellektuellen Debatten in diesem Land geprägt haben.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 28.11.2020

Rezensent Marc Reichwein hat an dem aus dem Nachlass publizierten Ziegelstein von einem Buch des Historikers Axel Schildt ein Füllhorn, das ihm die Intellektuellenlandschaft der BRD erschließt. Kein Name fehlt, kein Medium, kein Zeitgeist, versichert er. Dass der Autor streng wissenschaftlich vorgeht, wenn er das performative Spiel des Intellektuellen mit Presse, Radio und Fernsehen untersucht, findet Reichwein nicht schlecht. Das Buch schwitzt nicht nur Schildts jahrelange Recherchearbeit in Nachlässen und Archiven aus, sondern auch einen "hardcore nüchternen" Sound, meint Reichwein. Pointen, Anekdoten? Eher im Detail, meint er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2020

Rezensent Jörg Später freut sich über die Herausgabe dieses Buches aus dem Nachlass des Historikers Axel Schildt. Die Idee, Ideengeschichte als Intellektuellen- und die wieder als Mediengeschichte zu begreifen, findet Später schlagend. Schlagend auch Schildts Wissen: Als hätte der Autor sämtliche Printmedien und TV- und Radiosendungen seit '45 sondiert, staunt Später. Wie der Autor die Medienbezogenheit des Intellektuellen im Unterschied etwa zum Forscher mit Bourdieus "Feld"-Begriff herausarbeitet, findet der Rezensent aufschlussreich. Auch als Who is Who der BRD von Adorno bis Gehlen taugt der Band, meint er. Besonders aufregend findet er die Lektüre, wenn der Autor weniger referiert und mehr scharfstellt auf mediale Lebenswelten, etwa beim Rundfunk mit Andersch und Adorno.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.10.2020

Rezensentin Frauke Hamann trauert um den Historiker Axel Schildt. Als dessen nicht vollendetes Vermächtnis und Opus magnum liest sie das vorliegende Buch, in dem der Autor nicht nur nachweist, wie bunt die medienintellektuelle Welt der Adenauer-Zeit tatsächlich war, sondern auch, dass Intellektuellengeschichte Mediengeschichte ist und wer sie seit den 50er Jahren in der Bundesrepublik mit welchen Mitteln bestimmte und bespielte. Dabei kommen laut Hamann die Entnazifizierungspraktiken der Publizistik ebenso in den Blick wie die Rolle des Rundfunks des Fernsehens und der Presse als Diskursplattformen. Für Hamann eine enorme Analyseleistung, die Netzwerke, Orte und Wirkungsweisen offenlegt.