Masha Gessen

Leben mit Exil

Über Migration sprechen
Cover: Leben mit Exil
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518127438
Kartoniert, 98 Seiten, 12,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Ursel Schäfer. Migration ist eines der bestimmenden Themen unserer Zeit. Kein Tag vergeht, an dem im Fernsehen oder in den sozialen Medien nicht über Flüchtlinge, Fluchtursachen oder Flüchtlingshilfe diskutiert würde. Häufig gerät dabei in den Hintergrund, welche Konsequenzen Begriffe und Ausdrucksweisen haben. Zu oft bringt schon unsere Sprache die Betroffenen zum Schweigen, etwa wenn aus Menschen "Asylanten", "Fremde" oder in den Worten von US-Präsident Trump: "Illegale" werden. In dem Versuch, jenen, die ihre "Sprache verloren" haben (Hannah Arendt), eine Stimme zu leihen, erzählt Masha Gessen Geschichten der Migration. Gessen berichtet von Menschenrechtsaktivisten aus Russland, Homosexuellen aus dem Iran - und aus der eigenen Familiengeschichte.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 27.08.2020

Rezensent Carsten Hueck empfiehlt Masha Gessens "von Hannah Arendt und Edward Said grundierte" Vorträge über 58 Migrantenbiografien. Die Absicht, den Porträtierten ihr Menschsein wiederzugeben, gelingt laut Hueck durch die Veranschaulichung des Kontextes von Exil, Flucht und Migration einerseits, durch die Reflexion des Sprechens über diese Themen andererseits. Am meisten überzeugt den Rezensenten das Buch allerdings, wenn die als Jugendliche von Russland in die USA emigrierte Gessen über ihre eigene Geschichte spricht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.06.2020

Rezensent Hanno Hauenstein entdeckt in den Texten von Masha Gessen zur Frage von Migration und Menschenrechten Hannah Arendts Überlegungen zu Exil und Totalitarismus. Allerdings bezieht sich Gessen laut Hauenstein auf die Ära Trump, blickt auf US-amerikanische Verhältnisse und darauf, wie sich das Sprechen über Migration während seiner Amtszeit verändert hat. Dass Gessens Beobachtungen und die Lektüre dennoch Gültigkeit auch für andere Sprachräume besitzen, kann Hauenstein versichern. Wenn Gessen versucht, dem Leser "das Fremde nahbar" zu machen, indem sie Geschichten Geflüchteter in kurzen Porträts festhält, scheint dem Rezensenten das ein oder andere Licht aufzugehen, auch über Gessens eigene Rolle als Journalistin.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.05.2020

Laut der Rezensentin Barbara Oertel besteht dieses Buch aus drei Aufsätzen, deren Grundtenor daran erinnert, dass staatenlose Menschen elementarer Rechte beraubt sind. Die 58 Einzelschicksale von Migranten, die Gessen im zweiten Aufsatz aneinanderreiht, findet die Kritikerin zu wenig kontextualisiert, aber der dritte Aufsatz hat sie fasziniert, weil die Autorin hier ihre privaten Erfahrungen als queere Migrantin zwischen Russland und den USA einbringt. Sie verknüpft ihre Argumentation für Freiheit bei der Staatenwahl mit dem Plädoyer für die Freiheit in Bezug auf den eigenen Körper und gibt damit interessante Denkanstöße, so Oertel.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 20.05.2020

Dem Rezensenten Eberhard Falcke begegnet Masha Gessen in diesen drei Aufsätzen als leidenschaftliche Kämpferin für Diversität. Die Texte sind jedoch von sehr unterschiedlicher Qualität, findet Falcke. Der erste Text, der Begriffe wie "Migranten" und "illegaler Grenzübertritt" problematisiert, scheint Falcke aktivistisch grundiert und nicht unbedingt mit Differenziertheit gesegnet. Der zweite scheint ihm die "Überhöhung der Migrationsperspektive", die "emotionale Dramatisierung" des Themas noch zu steigern, indem er pathetisch Kurzbiografien der Migration aneinanderreiht, allerdings ohne "erzählerische Qualität". Den dritten Text findet Falcke am überzeugendsten, weil Gessen hier eigene Erfahrungen thematisiert und Einblick in ihr Denken und Handeln gewährt.