Charles Lewinsky

Gerron

Roman
Cover: Gerron
Nagel und Kimche Verlag, München 2011
ISBN 9783312004782
Gebunden, 539 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Kurt Gerron war einmal ein Star und ist jetzt nur noch ein Häftling unter Tausenden. Der Nationalsozialismus hat den bekannten Schauspieler von den Berliner Filmateliers ins Ghetto von Theresienstadt getrieben, wo er ein letztes Mal seine Fähigkeiten beweisen soll: Als er den Auftrag bekommt, einen Film zu drehen, der das erniedrigende Dasein der Juden als Paradies schildern soll, sieht er sich vor einer Gewissensentscheidung, bei der sein Leben auf dem Spiel steht. In dieser Lage lässt Gerron sein Leben noch einmal Revue passieren. Charles Lewinsky erzählt die faktenreiche und doch erfundene Biografie des Schauspielers Kurt Gerron, der dem Holocaust zum Opfer fiel.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.2011

Sandra Richter hat durchaus ihre Vorbehalte, wenn Charles Lewinsky das "moralische Dilemma" des jüdischen, in Auschwitz ermordeten UFA-Stars Kurt Gerron, der vom Moritatensänger für Brecht und Weill zum Schauspielstar neben Rühmann und schließlich auch zum Regisseur des NS-Propagandafilms "Theresienstadt" aufsteigt, mit sichtlicher Faszination für seine Titelfigur zur "Nebensache einer schillernden Biografie" wegfabuliert. Die einnehmende, aber mangels offengelegter Quellen nicht vertrauenswürdige Ich-Perspektive des Romans gestalten diesen zwar spannend, aber auch "historisch intransparent": So weise das Buch laut Richter eben doch eher nach Hollywood als nach Theresienstadt.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.11.2011

Ganz schön heikel findet Hans-Peter Kunisch das Verfahren, mit dem Charles Lewinsky in diesem Buch versucht, sich der historischen Figur Kurt Gerrons zu nähern. Für Kunisch stellt der Roman nicht nur die Frage nach dem "richtigen jüdischen Leben im falschen", er tut dies vor allem auf eine gänzlich distanzlose Weise, indem Lewinsky seiner Figur Gedanken und Worte zueignet, die fiktiv und also mit der Geschichtlichkeit der Figur schlecht zusammengehen, wie Kunisch findet. So sehr ihm diese strukturelle Eigenschaft des Textes missfällt, zumal ihm auch immer wieder Unglaubwürdigkeiten die Figur betreffend auffallen, so gut gefällt ihm das Buch dennoch in seinem weiteren Verlauf. Dass Lewinsky ein guter Erzähler ist, bleibt für ihn unbestritten.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.10.2011

Kurt Gerron war ein jüdischer Schauspieler, der in Auschwitz ermordet wurde. Selbstverständlich kann man über diesen Mann einen Roman schreiben, egal, wer man ist und wie alt man ist. Aber dann sollte die Sache doch einen echten literarischen Anspruch haben. Und den sieht Rezensent Tobias Lehmkuhl hier nirgends. Die Sprache sei voller Klischees und der Aufbau des Romans erinnere ihn an die Technik der Fernsehserien. Lewinsky hat Gerrons Schicksal nur benutzt, um seinen Trivialroman mit Bedeutung zu parfümieren. Die "eigene Dürftigkeit", so der abgestoßene Rezensent, konnte er nicht kaschieren.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.08.2011

Für Roman Bucheli ruft Charles Lewinskys Roman ein "moralisch-ästhetisches Dilemma" auf, das die Darstellung selbst sehr eindrücklich thematisiert. Hauptperson ist der Schauspieler, Sänger und Regisseur Kurt Gerron, der vom Kommandanten des KZ Theresienstadt den Auftrag erhält, einen propagandistischen Dokumentarfilm über das Lager zu drehen. In den drei Tagen, in denen Gerron sich überlegen soll, ob er den Auftrag annimmt, erinnert er sich an sein bisheriges Leben und schildert das Grauen des KZ-Alltags, erfahren wir. Hier wirft sich die Frage nach der Legitimität der Fiktionalisierung des Grauens auf, die der Autor dadurch zu lösen sucht, dass er fast die gesamte Handlung in den Kopf Gerrons verlegt. Das ist für Bucheli zugleich ein geschickter Schachzug wie ein erzählerisches Manko, weil darunter in seinen Augen die "Unmittelbarkeit" des Geschehens leidet. Als versierter Schriftsteller weiß Lewinsky dieses Erzählprinzip allerdings immer wieder wohldosiert zu durchbrechen, stellt der Rezensent eingenommen fest, wie er auch findet, dass der Autor ein fantastischer Charakterzeichner ist und zudem sehr anschaulich von "Nebenschauplätzen" wie der Berliner Theaterszene zu erzählen weiß.