9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Medien

2006 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 201

9punkt - Die Debattenrundschau vom 02.04.2024 - Medien

Der Bayerische Rundfunk schafft die Kultur ab, empört sich in der FAZ die Literaturredakteurin Cornelia Zetzsche angesichts der Sparpläne: "Der BR schreddert Bayern 2, eine der erfolgreichsten ARD-Kulturwellen mit über 500.000 Hörern täglich." Aber so geht es eigentlich in der ganzen ARD: Die "zentralisiert und installiert Kompetenzcenter, das heißt, ein Sender plant für alle. Gut so, finden manche, aber was wäre, wenn es nur das Feuilleton der SZ gäbe und die FAZ oder taz überflüssig würden? Für 60 Spitzentitel, Rushdies 'Knife' etwa, gibt es nur noch ein, zwei Kritiken für die ganze ARD. Eine Kritik heißt eine Meinung, das ist das Ende einer Meinungsbildung durch Meinungsvielfalt, das Ende des föderalen Prinzips unseres Landes."
Stichwörter: ARD

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.03.2024 - Medien

Niklas Bender wirft in der FAZ einen Blick auf das französische Verlagswesen und zeigt auf, wie der Medienmogul Vincent Bolloré rechtsextremen Politikern dabei hilft, "publizistisch salonfähig" zu werden. Isabelle Saporta, die Leiterin des wichtigen Pariser Verlages Fayard muss ihren Posten verlassen, Ziel ist die Vereinigung von Fayard mit dem Kleinverlag Mazarine, geleitet von der rechtaußen stehenden Lise Boëll, so Bender. Deren aktuelles Projekt: "ein Buch von Jordan Bardella, Präsident des Rassemblement National und dessen Spitzenkandidat für die Europawahl im Juni. Der 29 Jahre junge Strahlemann führt in den Umfragen mit gut 31 Prozent vor Emmanuel Macrons Kandidatin Valérie Hayer (18). Mit der Veröffentlichung von 'Jordan - venu d'ailleurs, devenu d'ici' (Von anderswo gekommen, ein Hiesiger geworden) soll Bardella an staatsmännischer Seriosität gewinnen - in einen großen Verlag hat es bisher kein RN-Politiker geschafft."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 20.03.2024 - Medien

Der Milliardär Vincent Bolloré musste in Frankreich vor einem parlamentarischen Untersuchungssausschuss aussagen, berichtet Michaela Wiegel in der FAZ. Ihm gehört unter anderem der Fernsehsender CNews, der Eric Zemmour groß gemacht hat. Die Illustrierte Paris Match hat er an seinen Kumpel Bernard Arnault, den Tycoon des Luxuskonzerns LVMH verkauft. "Tatsächlich haben sich Milliardäre die Medienlandschaft in Frankreich untereinander aufgeteilt. Arnault gehören das Wirtschaftsblatt Les Echos und die Tageszeitung Le Parisien. Der Marseiller Reeder Rodolphe Saadé besitzt die südfranzösische Regionalzeitung La Provence sowie die Wirtschaftszeitung La Tribune und hat gerade den Nachrichtensender BFM-TV erworben. Das Rüstungsunternehmen Dassault kontrolliert Le Figaro, der Telekommunikationsunternehmer Xavier Niel ist an Le Monde beteiligt. Der Industrielle Martin Bouygues besitzt den größten privaten Fernsehsender TF1." Bolloré hat sich vor dem Ausschuss gut geschlagen, erzählt Wiegel - was vor allem die Schwäche der parlamentarische Kontrolle zeige, aber er ist ein ausgewiesener Rechtsextremer. Le Monde hatte einst ein denkwürdiges Portät über ihn verfasst (unser Resümee).

9punkt - Die Debattenrundschau vom 15.03.2024 - Medien

Übernimmt der Spiegel das Hamas-Narrativ? Der Kommentar "Verpanzerte Herzen" der Spiegel-Autorin  Julia Amalia Heyer löst erbitterte Reaktionen aus. Heyer wirft Israel vor einen "Vernichtungsfeldzug" gegen Gaza zu führen. Die übliche Szene auf Twitter ist begeistert, Naika Foroutan feiert den Text als "brillant". Wütend antwortet Esther Schapira in der Jüdischen Allgemeinen: "Der eigentliche Skandal ist nicht ein weiterer schlechter Artikel, sondern dass es auch für widerlichsten Anschuldigungen Israels keine Beweise braucht, weil niemand befürchten muss, selbst für eklatante Fehler und Verzerrungen haftbar gemacht zu werden, weil jede Verurteilung auf Beifall zählen kann. Für das Vor-Urteil braucht es kein Wissen. Da reicht das Gefühl, das bestärkt wird durch das 'Gerücht vom Juden', wie der große Philosoph Theodor W. Adorno es so treffend beschrieb."
Stichwörter: Hamas

9punkt - Die Debattenrundschau vom 12.03.2024 - Medien

Die EU-will gegen sogenannte Slapp-Klagen oder  SLAPPs (Strategic lawsuit against public participation) vorgehen. Dabei handelt es sich um teure Gerichtsverfahren, mit denen mächtige Akteure wie Oligarchen oder Hohenzollern gegen missliebige Journalisten vorgehen. Der Medienwissenschaftler Uwe Krüger, mit dem Livio Koppe für seinen taz-Artikel spricht, hätte aber lieber eine Solidarisierung: "Was diese Solidarisierung angeht, ist die Medienbranche jedoch noch nicht so weit. Krüger spricht von einem vorherrschenden 'Einsamer-Wolf-Denken'. 'Viele sehen es als normal an, verklagt zu werden. Nach dem Motto: Gehört zum Business, das macht mir nichts aus, ich bin ein harter Hund.' Dabei sei es wichtig, sich zu vernetzen. Kleinere Medienhäuser und freie JournalistInnen können durch Einschüchterungsklagen viel leichter an den Rand des Ruins gedrängt werden."
Stichwörter: Slapp-Klagen

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.03.2024 - Medien

Zwei berühmte konservative Medien Großbritanniens, der Telegraph, einst Megaphon für den Brexit, und der Spectator, sollen an ein Unternehmen verkauft werden, das zu 75 Prozent Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan gehört, Vizepremier der Vereinigten arabischen Emirate (VAE), in England als Eigentümer des Fußballklubs Manchester City bekannt. Dagegen regt sich Widerstand, selbst aus konservativen Kreisen der britischen Politik, berichtet Philip Plickert in der FAZ: "Ein Sprecher des US-Unternehmens Red Bird IMI, das die Medien kaufen will, wies die Vorwürfe gegen die Investoren zurück. 'IMI, ein privates Investmentvehikel aus den VAE, ist ein rein passiver Investor in Red Bird IMI und wird keinerlei Rolle beim Management oder beim Betrieb des Telegraph spielen.' Direktor ist Jeff Zucker, der frühere CNN-Chef."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 02.03.2024 - Medien

Im FAZ-Gespräch bezieht Correctiv-Geschäftsführer David Schraven deutlich Stellung zu den Vorwürfen, Correctiv habe Meinungen statt Fakten verbreitet und zur Propaganda der Rechten: "Wir wurden in einen Konflikt gezwungen, den wir nicht wollten, einen Konflikt, in dem es nicht mehr um die Integrität der Fakten geht, sondern um irgendwelche Belanglosigkeiten, die auf breiter Ebene dazu dienen sollten, den Diskurs zu setzen. Wenn ich mir angucke, wie die Rechtsanwälte der Kanzlei Höcker über Instagram oder Twitter arbeiten, da wird viel Aufwand betrieben. Wir wollen diesen Konflikt nicht. Wir wollen, dass die Leute sich die wesentlichen Sachen angucken: Millionen Menschen sollen vertrieben werden, wenn es nach diesem Masterplan geht. Uns ist sehr wichtig, dass wir diesen Nebenpfad verlassen. Wir müssen zu der wesentlichen Diskussion zurückkehren. Deshalb ist dieses Urteil so hilfreich, weil es klarstellt, dass der Versuch gescheitert ist, auf diese Nebengleise abzugleiten."

Ebenfalls in der FAZ beleuchtet Frauke Steffens ein besonderes edles Plätzchen: Das New Yorker People's Forum, ein Treffpunkt linker Aktivisten am Times Square, dank dem in Schanghai ansässigen amerikanischen Multimillionär Neville Roy Singham eine der reichsten Vereinigungen der außerparteilichen Linken. Zwischen Reisschnaps und Espresso, Marx-Schulungen und Gebärdensprachkursen wird hier das Hamas-Massaker als "Befreiungskampf" gefeiert und Judenhass geschürt. Überraschend sei zudem "wie intensiv das Mediennetzwerk um das People's Forum mit chinesischer Parteipropaganda befasst ist. ... Breakthrough News publiziert regelmäßig Talkshow-Formate, in denen Aktivisten die immer gleichen Behauptungen wiederholen: China sei ein Modell für Sozialismus, ein wunderbarer Partner für Afrika, eine formidable Alternative zur US-amerikanischen Hegemonie - und es werde von den Amerikanern immer mehr in einen hybriden Krieg gedrängt. Taiwan ist in dieser Erzählung selbstverständlich ein Teil von China, der von den Vereinigten Staaten als 'Flugzeugträger' missbraucht werde. Und in der Region Xinjiang gebe es keine Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren - sondern ein friedliches Zusammenleben mit neuen Chancen für die Bevölkerung."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 01.03.2024 - Medien

Philipp Bovermann kommt in der SZ noch mal auf den Rechtsstreit zurück, mit dem Correctiv nach seinem "Remigration"-Coup überzogen wurde (unsere Resümees). Anwälte der Teilnehmer der Potsdamer Konferenz, deren Inhalte Correctiv enthüllt hatte, bombardierten die Gerichte mit eidesstattlichen Erklärungen, die die Recherche in Details bestritten. Gleichzeitig betrieben die Anwälte, zu denen etwa Carsten Brennecke gehört, aber eine "Litigation-PR", die so tat, als sei der Kern der Correctiv-Aussagen strittig: "Den Eindruck, die Behauptungen in den Erklärungen seien das, was im Prozess verhandelt wird, bestärkte Brennecke durch Posts auf X. Als etwa Correctiv den eidesstattlichen Versicherungen nicht widersprach, schrieb er: 'Die Correctiv-Legende zum Potsdam-Treffen ist endgültig widerlegt.'" Bovermann wirft Correctiv aber indirekt auch vor, in manchen Passagen zwischen Fakt und Meinung nicht ausreichend getrennt zu haben.

Can Dündar vergleicht in Zeit online das Verfahren gegen Julian Assange mit seinem eigenen Fall - die Türkei hätte ja ebenfalls gern, dass Dündar an sie ausgeliefert wird. Aber anders als die USA ist die Türkei kein Rechtsstaat, ein wichtiger Unterschied, insistiert Dündar. Denoch: Hinsichtlich der Medien sei das Verfahren gegen Assange wichtig, "weil es die Grenzen von Journalismus abstecken könnte. Denn hier wird es der Justiz und Regierungen überlassen zu bestimmen, wer Journalist ist und wer nicht; zudem ist die Gefahr groß, dass Zensur und Selbstzensur Tür und Tor geöffnet wird, wenn das Aufdecken schmutziger Geheimnisse von Regierungen als schwer zu bestrafendes Verbrechen behandelt wird."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 29.02.2024 - Medien

Der Rechts-Links-Gegensatz löst sich überall auf, auch in Spanien! Dort hat El Pais dem berühmten Philosophen Fernando Savater seine Kolumne gestrichen, weil er der Zeitung eine zu große Nähe zur linken Sánchez-Regierung vorwarf. Und dabei hat er eine interessante Bemerkung gemacht, die Paul Ingendaay in seinem FAZ-Bricht zitiert: "Warum, so fragt der Autor etwa, habe sich die Linke in Spanien so einen guten Namen bewahrt? Antwort: weil die Linke nach ihren Absichten beurteilt werde, die Rechte dagegen nach ihren Taten. 'Wenn jemand verkündet, er wolle Elend und Ungleichheit beenden, allgemeine Bildung erreichen und ein Gesundheitssystem, das alle Bürger unabhängig von ihrem Einkommen auf dieselbe Weise schütze, kann man solch großzügigen Zielen nur Beifall spenden. Was für ein Unterschied zu den Vorschlägen der Rechten, die nur vom Wohlstand durch Erwerbstätigkeit spricht und von sozialem Frieden auf der Basis von Gesetzestreue!' Von diesen Sätzen ist es nur ein kurzer Weg zu Savaters Aussage, die gute Absicht der Linken entschuldige alle Dummheiten."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.02.2024 - Medien

In der Welt fächert Christian Meier die zahlreichen Zuwendungen auf, die Correctiv als gemeinnützige GmbH erhält. Neben Spenden und Geldern von Stiftungen erhält Correctiv für Bildungsprojekte auch öffentliche Fördermittel, etwa vom Bundesministerium für Bildung und Forschung oder der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Infolgedessen wird nun auch der Vorwurf erhoben, "Correctiv arbeite nicht unabhängig, sondern im Auftrag der Bundesregierung, um die AfD zu schwächen", so Meier weiter, der Zweifel an der Sachlichkeit der Berichterstattung rund um die Enthüllungen zum Potsdamer Treffen nicht ganz entkräften kann. Denn die Recherche wurde "mit eigenen Interpretationen aufgeladen. Historische Parallelen zum 'Madagaskar-Plan' und zur Wannseekonferenz werden gezogen - um sogleich festzustellen, dass unklar ist, ob diese Analogien von den Teilnehmern mitgedacht wurden. Doch die Bilder waren damit gesetzt - und wurden in die mediale Verarbeitung wie selbstverständlich aufgenommen. Solche Interpretationen und Analogien zu verwenden, ist zulässig. Doch Reportage und Deutung liegen hier direkt nebeneinander."

Wenn ein Journalist Kriegsverbrechen des russischen Militärs und der russischen Geheimdienste veröffentlicht und Schutz in einem westeuropäischen Land gesucht hätte - würden die Gerichte ernsthaft ein Auslieferungsverfahren an Moskau wegen Spionage in Erwägung ziehen, fragt der Autor Fabian Scheidler in der Berliner Zeitung mit Blick auf den Fall Assange: "Die Enthüllungen von Whistleblowern wie Edward Snowden und Chelsea Manning und von Journalisten wie Julian Assange haben gezeigt, dass im Schatten des sogenannten Kriegs gegen den Terror in den vergangenen Jahrzehnten ein gewaltiges Paralleluniversum entstanden ist, das mit dem illegalen Ausspionieren der eigenen Bürger und der willkürlichen Einkerkerung, Folterung und Tötung von politischen Gegnern beschäftigt ist. Diese Welt entzieht sich größtenteils der demokratischen Kontrolle, ja sie höhlt die demokratische Ordnung von innen aus."