Vom Nachttisch geräumt

Das poetischste Thema der Welt?

Von Arno Widmann
29.10.2018. Interessierte sich für das Transhumane: Der Sammler, Wissenschaftler und Maler Gabriel von Max.
Gabriel von Max (1840-1915) ist heute vor allem für seine Affenbilder berühmt. Ihm gelang es, sie so zu malen, wie wir sie erst seit Jane Goodall zu sehen gelernt haben: als Personen. Gabriel von Max malte Individuen ohne aus ihnen Menschen zu machen. Das war und ist immer noch eine Revolution. Gleichzeitig ist es aber eine der ältesten Errungenschaften der Menschheit. Jeder Hundefreund weiß das. Bis die Wissenschaft auch dahinter kam, bedurfte es eines riesigen Umweges.

Die Gemälde, die Gabriel von Max von Affen machte, waren sehr beliebt, sehr erfolgreich. Aber sie galten der Öffentlichkeit als Kuriosa. Ob sie jeder, der sie kaufte, auch nur so sah, weiß ich nicht. Aber ich glaube, sein Erfolg hatte auch damit etwas zu tun, dass seine Affen das Publikum ergriffen. Sie kamen einem so nah. Wie Verwandte. Genau das war des Malers Absicht. Gabriel von Max war Darwinist. Er widerlegte die Vorstellung vom Darwinismus als einer menschenfeindlichen Ideologie. Er zeigte, dass wir nichts von unserer Menschlichkeit verloren, wenn wir uns Tieren zuwandten, wenn wir sie ernst nahmen und lernten, uns selbst als Tiere zu sehen. Im Gegenteil. Wir verstanden uns besser, wenn wir sahen, in was wir eingebettet waren.

Gabriel Cornelius von Max, Der Anatom, 1869. Pinakothek München


Zu seiner Zeit war Gabriel von Max vor allem ein Maler des, wie Edgar Allan Poe sagte, "poetischsten Themas der Welt", des Todes einer schönen Frau. "Die Märtyrerin am Kreuz", "Der Anatom", der das Leichentuch hinunterzieht, um dem Betrachter des Gemäldes den schönen Busen einer jungen Frau zu zeigen. Gabriel von Max war Darwinist und Theosoph. 1885 malte er "Die ekstatische Jungfrau Katharina Emmerich". Die westfälische Nonne Anna Katharina Emmerick (1774-1824) war berühmt geworden, weil ihr Körper die Wundmale Christi aufwies. Jeden Freitag erlebte sie in ihren Visionen die Leidensgeschichte Christi noch einmal. Clemens von Brentano schrieb dicke Bücher, angefüllt mit eigenen Fantasien, über sie. 2004 wurde sie von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Gabriel von Max interessierte sich für das Transhumane. Er war ein Zeitgenosse Friedrich Nietzsches (1844-1900). Der hatte 1883 geschrieben: "Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch - ein Seil über einem Abgrunde. Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem-Wege, ein gefährliches Zurückblicken, ein gefährliches Schaudern und Stehenbleiben."

Max war auch Wissenschaftler und Sammler. Er verbrachte mehr Zeit bei der Forschung als an der Staffelei. Er erklärte: "Ich klage mich an, sehr viel für den Kunsthandel geschaffen zu haben, welcher dem hohlen dekorativen Geschmack des Publikums huldigt. Es geschah, um die kostspieligen Studien zu decken, zu denen man, wenn man nicht vorher auf Geldanhäufung ausging, verurteilt ist."

Gabriel von Max: Von ekstatischen Frauen und Affen im Salon - Gemälde zwischen Wahn und Wissenschaft, Schirmer/Mosel, München 2018, 54 Farbtafeln, 120 Seiten, 39,80 Euro.