Post aus Köln

"Gönnt uns diesen Kampf!"

Von Thekla Dannenberg
08.03.2008. Auf der lit.cologne diskutierten Seyran Ates, Navid Kermani, Günter Wallraff und Sherko Fatah über die geplante Großmoschee in Ehrenfeld. Und Günter Wallraff kündigt an, dass seine Rushdie-Lesung stattfinden wird, nur nicht in Köln.
Selbst für Kölner Verhältnisse ist die Fabrik, die im Stadtteil Ehrenfeld derzeit als Moschee dient, ausgesprochen hässlich und schäbig. Wobei Fabrik schon zuviel gesagt ist, das klingt schließlich nach einem imposanten Gebäude in kräftigem Mauerwerk. Hier handelt es sich vielmehr um ein eingeschossiges Flachdach-Gebäude an einer Ausfallstraße, das an die Garagen eines Schrottplatzes erinnert. Einem türkischen Taxifahrer sinkt das Herz, wenn er sie zeigen muss.

Köln braucht eine vernünftige Moschee, darüber waren sich alle einig, die am Freitagabend im Rahmen der lit.cologne über den umstrittenen Bau diskutierten. Doch das war auch das einzige. Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass nicht einmal die exponiertesten Vertreter des Streits vertreten waren: kein Ralph Giordano ("Nicht die Moschee, der Islam ist das Problem!"), niemand vom türkischen Islamverein Ditib.

Paul Böhm, der Architekt, verteidigte seine Pläne: Eine Moschee sei keine katholische Kirche, und das müsse man ihr auch ansehen. Er habe keinen abgegrenzten "monokulturellen Bezirk" schaffen wollen, sondern einen, der einlädt. Groß musste der Komplex sein, um den Geschäftsbereich - den Basar - lebendig und einladend gestalten zu können. Das wollte ihm Seyran Ates, Anwältin und Frauenrechtlerin, nicht abnehmen. Sie übte die schärfste Kritik an dem Vorhaben. Zum einen sieht sie in der Großmoschee eine politische Demonstration des konservativen, autoritären Islams: "Wir sind hier und wir sind stark", eine Geste, die in ihren Augen auch auf die "Unterwerfung" moderater Muslime zielt. Zum anderen missfällt ihr, dass ein solch rein muslimischer Bezirk mit seinen eigenen Geschäften und Gewerberäumen die Abschottung von der Mehrheitsgesellschaft nur zementiert. Für reinsten Hohn hält sie Pläne, in einem solchen Umfeld Integrationskurse für Frauen abzuhalten.

Günter Wallraff kam direkt von einem neuen "Undercover-Einsatz" zur Veranstaltung geeilt. Darüber wollte er nur verraten, dass der ihn direkt in die Fabrikhölle geführt habe, in der auf dem Buckel türkischer Arbeiter auch der derzeitige Aufschwung erwirtschaftet werde. Und auch mit einer weiteren Neuigkeit wollte er nur ansatzweise herausrücken: Er hat nach langen Diskussionen endlich einen Ort gefunden, in dem er aus Salman Rushdies Roman "Die Satanischen Verse" lesen darf. "Nicht in Köln" und nicht in einer Moschee, aber immerhin in einem muslimischen Gemeindesaal. Das reicht ihm völlig, sagt Wallraff. In Ehrenfeld wollte ihn die Ditib schließlich nicht einmal auf dem Parkplatz lesen lassen! Immer höher sei er in der Hierarchie gereicht worden, bis er es mit dem diplomatischen Korps der Türkei zu tun bekam. Er wollte die Herren mit der Vorstellung locken, sie könnten Vorreiter bei der Etablierung des Euro-Islams werden, erzählt er. Geradezu schockiert war er, als ihm beschieden wurde: "Euro-Islam? Niemals! Die Umma lässt sich nicht auseinander dividieren!"

Warum Wallraff seiner Lesung der "Satanischen Verse" überhaupt so viel Bedeutung beimisst, wollte dem aus dem Irak stammenden Berliner Autor Sherko Fatah nicht in den Kopf. Der Roman sei doch als solcher gar nicht mehr erkennbar, er sei nurmehr ein Politikum, den Nutzen eines solch "Kapriolen schlagenden Symbolismus" könne er nicht erkennen. "Anfallartig" werde immer wieder Integration eingefordert, "aber immer nur vom anderen": "Wann ist denn jemand okay für diese Gesellschaft?" Fatah plädierte dafür, "heilige" Texte vielleicht nicht als unantastbar anzusehen, ihnen aber doch eine größere "Dignität" zukommen zu lassen als dem Telefonbuch.

Der Islamwissenschaftler Navid Kermani bekundete dagegen, dass er sich nur freuen könne, wenn Kölner Muslime nach vierzig Jahren endlich aus den Hinterhöfen herauskommen und ihre eigene Moschee bekommen. Und wie die Ehrenfelder selbst darüber diskutiert hätten, sei viel differenziert gewesen als dieses Podium: Es gehe doch um konkrete Dinge, wie die Zahl der Parkplätze, die Größe des Minaretts und die Zahl der Geschäfte. Aber eigentlich mochte er sich damit auch nicht so lange aufhalten und plädierte dafür, die Dinge nicht schlechter zu reden als sie seien. Verglichen mit der Situation der Hispanics in den USA und den Nordafrikanern in den französischen Banlieues gehe es den Einwanderern in Deutschland viel besser, die Gesellschaft sei viel offener. So schlimm könne es nicht um die Integration stehen, wenn bei einer solchen Diskussion drei von sechs Leuten auf dem Podium einen Migrationshintergrund hätten.

Da musste ihm Ates heftig widersprechen und berichtete, dass inzwischen die Mädchen in Berliner Kindergärten mit Kopftuch geschickt werden oder Milli Görus Stipendien für Kopftuch tragende Studentinnen vergibt. Deshalb sei die Frage nicht allein, wie man "die Muslime" integriert, sondern wie es in der muslimischen Gemeinschaft aussieht. Ates will gegen den traditionellen, frauenverachtenden Islam genauso kämpfen dürfen wie die 68er gegen die katholische Kirche: "Gönnt uns diesen Kampf! Ihr habt ihn auch geführt."