In der ehemaligen
Samizdat-Zeitschrift Beszelö liefert der Balkan-Experte
György Szerbhorvat eine Momentaufnahme von Politik und Kultur in Serbien - dazu gehört auch
Emir Kusturicas preisgekrönter Film
"Das Leben ist ein Wunder". Er spielt im neu erbauten
Privatdorf des Filmemachers, das im Film ein typisches altes serbisches Dorf darstellen soll. Die künstliche Siedlung ist "mit einer Kirche, einer Bibliothek und einem auf Öko-Lebensmittel spezialisierten Kleinunternehmen ausgestattet. Windmühle und Swimming-Pool werden noch gebaut." Die serbischen Medien sendeten einen
ganzen Sonntagnachmittag live aus dem Privatdorf und erheiterten die Zuschauer mit dem kleinen Spaß, dass "Kusturica schnell zum Bürgermeister seines Dorfes gewählt werden kann, ... weil hier nicht die Bewohner den Bürgermeister wählen, sondern umgekehrt: Kusturica hat die
Bürger seiner Siedlung ausgesucht. Ich möchte ihm doch nicht gratulieren, weil der international bekannte
Regisseur und Globalisierungskritiker immer noch in erster Linie westeuropäische Politiker ... und weniger
Slobodan Milosevic für die
Balkan-Krise verantwortlich macht."
Die
Literaturkritikerin, Verlegerin und Übersetzerin Anna Gacs analysiert den Generationswechsel osteuropäischer Filmemacher. In Filmen der älteren Generation, zum Beispiel von
Istvan Szabo (mehr
hier), komme meistens eine lokale oder regionale, historische Erfahrung zum Ausdruck. Aus den Werken jüngerer Regisseure, zum Beispiel von
Benedek Fliegauf (mehr
hier) sei dieses lokale Element plötzlich verschwunden. Für sie sei die Erfahrung zentral, dass "ihre künstlerische Positionen nicht mehr eindeutig im Kontext westlicher Diskurse und
lokaler Erfahrungen bestimmt werden können. Das ist einserseits befreiend, andererseits frustrierend: wir haben unseren - nach innen ein bisschen peinlichen, nach außen Identität sichernden -
exotischen Charme verloren."