Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Film

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Efeu - Die Kulturrundschau vom 02.04.2024 - Film

Die Schauspielerin und Regisseurin Paola Cortellesi in ihrem Film "Morgen ist auch noch ein Tag"

Bert Rebhandl spricht für den Standard mit der Schauspielerin Paola Cortellesi, die nun mit "Morgen ist auch noch ein Tag" ihr Regiedebüt vorgelegt hat. Der Film erzählt von Frauen in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Italien und war dort im letzten Jahr ein absoluter Publikumserfolg. "Man versteht auch sofort, warum: Politik aus der Perspektive von Frauen, das ist immer noch eine Marktlücke, und selten sieht man das Patriarchat und erste Schritte zur Befreiung daraus so prägnant in eine Erzählung übersetzt wie hier. ... 'Ich wollte einen Film über Frauenrechte erzählen', legt Paola Cortellesi ihre Motivation dar, 'und gehe dabei von toxischen Dynamiken in einer Paarbeziehung aus. Im Jahr 1946 durften Frauen in Italien zum ersten Mal wählen, das wird für Delia zu einem wichtigen Anstoß.' Das Jahr 1946 war auch für das italienische Kino entscheidend. Damals begann die Bewegung des Neorealismus: Den Klassiker 'Paisà' von Roberto Rossellini zitiert Cortellesi ausdrücklich, und auch die Figur von Delia hat viel mit Frauengestalten zu tun, wie sie von Anna Magnani während des Aufbruchs nach Krieg und Faschismus verkörpert wurden." Am kommenden Donnerstag läuft der Film auch bei uns im Kino an.

Ziemlich begeistert ist NZZ-Kritiker Daniel Haas von David Schalkos und Daniel Kehlmanns "Kafka"-Miniserie in der ARD-Mediathek: Den beiden "ist nicht weniger als eine Gegentheologie zu den bewährten Dogmen der Kafka-Verklärung gelungen. ... Das empiristische Bedürfnis, Kafka darzustellen, wird demontiert durch die Weigerung, diesen Autor und sein Werk festzulegen und zu beherrschen. So halten sich Rekonstruktion und Dekonstruktion in virtuoser Weise die Waage. Als Ganzes betrachtet, eröffnet diese Serie einen Raum, in dem sich das dichterische Subjekt zwischen Verschwinden und Selbstsetzung bewegt. Die pathetische Inszenierung künstlerischen Schöpfertums bleibt aus. Es geht hier nicht um die romantische Wiedergabe eines Dichterlebens, sondern um die Suggestion von Kreativität. Kehlmann, Schalko und ihr Berater, der Kafka-Biograf Reiner Stach, sind selber Collagierer des Textmaterials, das ihnen die literarische Tradition zugespielt hat."

Weitere Artikel: In der NZZ empfiehlt Patrick Holzapfel eine Reihe mit den Filmen von Ousmane Sembène im Filmpodium Zürich. Im Standard legt Patricia Kornfeld dem Wiener Publikum die Aufführung von Maria Lassnigs experimentellen Animationsfilmen im Künstlerhaus ans Herz. Kira Kramer erinnert in der FAZ an René Lalouxs und Moebius' psychedelischen SF-Animationsfilm "Herrscher der Zeit" von 1982. Maria Wiesner schreibt in der FAZ zum Tod des Schauspielers Louis Gossett Jr.

Besprochen werden Bora Dagtekins "Chantal im Märchenland" (SZ, unsere Kritik), Julia Gutwenigers und Florian Koflers Dokumentarfilm "Vista Mare" (Standard) und die auf Netflix gezeigte Science-Fiction-Serie "3 Body Problem" nach dem gleichnamigen chinesischen SF-Epos von Cixin Liu (NZZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 30.03.2024 - Film

Auf der Medienseite der SZ ärgert sich Aurelie von Blazekovic, dass der WDR Nina Gladitz' in den frühen Achtzigern von Leni Riefenstahl erfolgreich in den Giftschrank geklagten Dokumentarfilm "Zeit des Schweigens und der Dunkelheit" (mehr dazu hier) allenfalls für Festivals freigibt, aber nicht im linearen Programm oder wenigstens in der Mediathek zeigen will. Dabei ist der Film einerseits inhaltlich historisch längst bestätigt und das vom Riefenstahl erlassene Unterlassungsurteil seit 2017 verjährt. Der Sender macht Einwände bezüglich der Standards für diese Entscheidung geltend: "Der Sender bemängelt, dass keine Historiker zu Wort kommen, außerdem den technischen Standard mit wackelnden Texttafeln, das zeittypische Bildformat 4:3. Ohne Gerhard Beckmanns offenen Brief wäre der Film noch heute unter Verschluss. Man habe das Schreiben zum Anlass genommen, erklärt eine WDR-Sprecherin, den Film und die archivierten Akten erneut zu sichten. 'Nach Abschluss der Prüfung sehen wir die Bedeutung des Films für die wissenschaftliche und gesellschaftliche Aufarbeitung der Ausgrenzung und Ermordung von Sinti und Roma während des Nationalsozialismus.' Ein Fachpublikum könne man dem Film mit Einordnung aussetzen. Den Fernsehzuschauer? Nein. 'Einige Redakteure in den öffentlich-rechtlichen Anstalten meinen sehr genau zu wissen, was das Publikum will und was nicht und was sie ihnen zumuten können', sagt Sabine Rollberg, die heute als Professorin für Film und Fernsehen in Freiburg lehrt und beim WDR in Rente ist. Nun ja, auf Youtube kursiert immerhin das Digitalisat einer VHS-Aufnahme der Erstausstrahlung:



Weiteres: Für einen Filmdienst-Longread durchstreift Patrick Holzapfel die Filmografie von Marlon Brando, der am kommenden 3. April 100 Jahre alt geworden wäre. Thomas Klein denkt im Filmdienst anhand von Martin Scorseses "Die letzte Versuchung Christi" über das Heroische im Kino nach. Besprochen werden Jessica Hausners "Club Zero" (Welt, unsere Kritik), ein auf AppleTV+ gezeigter Porträtfilm über Steve Martin (Zeit Online) und die RTL-Serie "Disko 76" (FAZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 28.03.2024 - Film

Forcierte Künstlichkeit: "Club Zero" von Jessica Hausner

Perlentaucher Benjamin Moldenhauer hat sichtlich Freude an der "in dieser Form und Temperatur recht einzigartigen Inszenierung zwischenmenschlicher Verstopftheit", wie sie die Filme von Jessica Hausner bieten. Ihr neuer Film "Club Zero" handelt von jungen Leuten, die sich sektenartig einer kollektiv organisierten Bulimie hingeben. Doch ein Drama über Essstörungen ist dieser Film nicht, er "handelt von etwas anderem: Die Kinder allzu satter Eltern verweigern die Nahrungsaufnahme und wollen die Welt, die sie vorfinden, nicht mehr (in dem Wissen, dass diese Welt keinen Bestand haben, sondern bald brennen wird). Ein denkbar einfaches Bild für den Generationenbruch: Man nimmt nicht mehr in sich auf, was die Alten einem geben wollen. Und radikalisiert sich. Diese Radikalisierung aber ironisiert der Film, als Ergebnis der Sektenbildung durch die nächste Autoritätsperson, gleich mit. In den Filmen Jessica Hausners bleibt nichts Positives, und die Radikalisierung ist kein Ausweg. ... Zu einer, wenn man so will, Message oder gar einer Lösung kommt der Film damit zum Glück nicht."

FAS-Kritiker Peter Körte hingegen steht unproduktiv verrätselt vor diesem Film, der auf ihn "wie ein Laborversuch" wirkt: "Es fehlt ein Bewusstsein, wie wirken, wie missverstanden werden kann, was sie zeigt. Wem danach ist, der kann nach dem Film bewusste Ernährung und Opposition gegen die Auswüchse industrieller Lebensmittelproduktion für eine gefährliche Ideologie halten und die jungen Menschen, bei denen einem schon auch die einschlägigen Klimaschutzgruppen einfallen, für Opfer, dämlich und leicht verführbar. Von grassierender Adipositas und den 735 Millionen Unterernährten dieser Welt reden wir lieber gar nicht erst. Dieser Eindruck hat damit zu tun, dass der Film eine Versuchsanordnung an die Stelle von Menschen setzt. ... Aus Charakteren werden dann Schemen und Behauptungen - und der Film wird ein Opfer seiner forcierten Künstlichkeit." Für Artechock besprechen Axel Timo Purr und Rüdiger Suchsland den Film. Tobias Kniebe unterhält sich für die SZ mit der Hauptdarstellerin Mia Wasikowska.

Im großen Rundumschlag seiner aktuellen "Cinema Moralia"-Glosse auf Artechock ärgert sich Rüdiger Suchsland unter anderem darüber, dass hiesige Filmstudenten kaum mit den Dokumentar- und Essayfilmen von Lutz Dammbeck in Berührung kommen, aber stattdessen "zugekübelt werden mit illustrativem 08/15-Kram, mit inhaltistischen Dokumentationen. ... Natürlich liegt dieser missliche Zustand letztendlich an den Studenten selbst", welche zwar "hochempfindlich sind gegenüber allen möglichen eher dem Ästhetischen fernen Fragen. Aber da, wo es um ihr ureigenes Thema, nämlich um ästhetische Bildung geht, sind sie oft genug stumpf wie Holzklötze. Ich werde die Studenten erst dann Studierende nennen, wenn sie wirklich studieren, also von ihren Filmhochschulen nicht 'Repräsentation' von wasauchimmer einfordern, sondern dass ihnen endlich gute und wichtige und auch im internationalen Zusammenhang bedeutsame Filme und Filmemacher vorgeführt werden."

Besprochen werden Bora Dagtekins "Chantal im Märchenland" (Perlentaucher, FR), Neo Soras "Opus" mit Ryuichi Sakamotos letzter Performance vor seinem Tod (FR, mehr dazu hier), James Hawes' "One Life" mit Anthony Hopkins (Artechock), Gil Kenans "Ghostbusters: Frozen Empire" (Filmfilter), Thea Sharrocks "Kleine schmutzige Briefe" (Tsp, Artechock), die auf Paramount+ gezeigte Serie "A Bloody Lucky Day" (FAZ) und die auf Sky gezeigte Serie "Helgoland 513" (taz). Außerdem informiert das SZ-Filmteam, welche Filme sich in dieser Woche lohnen und welche nicht. Und hier der Überblick mit allen Filmdienst-Kritiken zur aktuellen Kinowoche.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 27.03.2024 - Film

Eine letzte Spur im Raum, ein bevorstehendes Verschwinden: "Opus" mit Ryuichi Sakamoto

Mit Neo Soras "Opus" kommt diese Woche das filmische Vermächtnis des vor einem Jahr gestorbenen japanischen Komponisten und Musikers Ryuichi Sakamoto in die Kinos. Es ist eine minimalistische Studie über das Sterben, schreibt Philip Stadelmaier in der SZ: Der schwarzweiße Film zeigt Sakamoto in schwarzer Kleidung an einem Piano, an dem er ohne ein Wort zu verlieren zwanzig Stücke spielt. "Im Zentrum steht die melancholische, sich in überraschenden Harmonien entwickelnde Musik, die durch den hochkonzentrierten Vortragsstil des sterbenskranken Mannes ihrer endgültigen Interpretation zugeführt wird." Der "Film ist auch eine Studie über einen abgemagerten, todkranken, dennoch schönen Körper. Die Kamera stößt immer wieder auf leere Momente: Eine abgelegte Brille, ein verwaister Sessel, eine unberührte Klaviatur nehmen ein bevorstehendes Verschwinden vorweg, das nicht mehr abzuwenden ist. Die Aufnahmegeräte können nur die Musik zurückhalten, nicht den Mann selbst. ... Es ist ein Film über das Sterben Sakamotos, der eine letzte Spur im Raum hinterlässt."

Besprochen werden Jessica Hausners Essstörungs-Komödie "Club Zero" (taz), James Hawes' "One Life" mit Anthony Hopkins in der Rolle des britischen Börsenmakler Nicholas Winton, der 669 jüdische Kinder aus Prag vor den Nazis rettete (Tsp, FAZ, FD), Thea Sharrocks Komödie "Kleine schmutzige Briefe" (Standard, FD), David Schalkos und Daniel Kehlmanns ARD-Miniserie "Kafka" (FR), Patric Chihas experimenteller Dokumentarfilm "If It Were Love" über eine Tanzgruppe (FAZ), die Arte-Doku "Yakuza - Japans Mafia" (FAZ) und die ARD-Animationsserie "Friedefeld" (taz).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 26.03.2024 - Film



Die Feuilletons trauern um Fritz Wepper. Er "gehörte zum bundesrepublikanischen Inventar", schreibt André Boße auf Zeit Online. Vom legendären "Kommissar" (ein paar Folgen in der ZDF-Mediathek) über den insbesondere in den ersten Staffeln schmerzhaft unterschätzten "Derrick" (vom ZDF entgegen anderslautenden "Gitschrank"-Gerüchten offiziell auf Youtube ausgewertet) bis hin zu eher biederen Formaten der Gegenwart war er "eine darstellende Macht im Fernsehen", schreibt Jan Feddersen in der taz. Seine Kino-Karriere (die auch hier von eher bahnhofskino-artigen Filmen bis zu Hollywood reichte) wurde da manchmal übersehen: "Wepper zählte zur Riege - wie Mario Adorf, Horst Buchholz, Karin Dor und Karin Baal - der deutschen Nachkriegsschauspieler, die prinzipiell auch international vorzeigefähig waren: weil sie keinen Naziappeal verströmten. Diese, so ließe sich sagen, münchnerische Freundlichkeit, die er so undeutsch, so unwehrmachtshaft in jungen Jahren sanft fast verkörperte war einer der Gründe, warum ihn der US-amerikanische Regisseur Bob Fosse 1971 verplichtete, für die Rolle eines nicht ganz für voll zu nehmenden Hallodri in der Christopher-Isherwood-Geschichte 'Cabaret'."



Als Assistent Harry Klein, den er annähernd 30 Jahre lang und in zwei Serien spielte, wird er wohl langfristig im Gedächntis bleiben, schreibt Harry Nutt in der FR: "Gegen die auffällige Langsamkeit des von Erik Ode dargestellten Titelhelden ('Der Kommissar') verkörperte Harry Klein jugendlichen Elan. Und nicht selten war es dem gut aussehenden Ermittler vorbehalten, Verständnis für eine revoltierende Münchner Jugend aufzubringen, in deren Schwabinger Milieu es manch kniffliges Mordgeschehen aufzuklären galt. Harry Klein war der Langhaarigenversteher der Nation."

"Das deutsche Fernsehen, das waren die Weppers", schreibt Cosima Lutz in der Welt und holt dazu noch Elmar Wepper mit ins Boot, der vor bereits einem halben Jahr gestorben ist. Das Publikum liebte Fritz Wepper, "weil es vieles von sich selbst in ihm erkannte: etwas Durchschnittliches, Unaufgeregtes, sich Begnügendes und trotzdem bei Bedarf Renitentes. Trotz dieser bewährten Art schaffte er es, seinen Serienfiguren immer wieder neue komödiantische Facetten zu geben, schwang sogar als Elvis-Imitator die Hüften." Wepper war "ein Garant dafür, dass sympathisch-menschliche Schlitzohrigkeit zum Ziel führen kann, rein professionelle dagegen in den Knast", ergänzt Paul Jandl in der NZZ. Weitere Nachrufe schreiben Kurt Sagatz (Tsp) und Axel Weidemann (FAZ).

Besprochen werden James Hames' "One Life" (taz), Christopher Zallas "Radical" (Welt), die Doku "Quiet on Set" über mutmaßlichen Missbrauch beim Kindersender Nickelodeon (FAZ) und die ARD-Serie "Kafka" von David Schalko und Daniel Kehlmann (TA, Welt)

Efeu - Die Kulturrundschau vom 25.03.2024 - Film

Der Schweizer Filmpreis geht an den Film "Blackbird Blackbird Blackberry", den in seinem Heimatland gerade einmal 2000 Leute gesehen haben, seufzt Andreas Scheiner in der NZZ. Besprochen werden Hirokazu Kore-Edas "Die Unschuld" (Jungle World, unsere Kritik), Kristoffer Borglis "Dream Scenario" mit Nicolas Cage (Standard), Nicol Paones "The Kill Room" mit Uma Thurman und Samuel Jackson (Standard) sowie die Netflix-Serie "3 Body Problem" nach dem chinesischen Science-Fiction-Epos "Die Drei Sonnen" Cixin Liu (taz).
Stichwörter: Netflix

Efeu - Die Kulturrundschau vom 23.03.2024 - Film

Selbst Erfolgsserien wie "Babylon Berlin" und "Das Boot" haben bei Sky "nicht zu den hohen Neukundenzahlen geführt, die ein solches Investment auf Dauer gerechtfertigt hätten", sagt Barny Mills, CEO von Sky Deutschland, im WamS-Gespräch zur Einstellung der deutschen Serienproduktion bei Sky. Im Tagesanzeiger fragt sich Pacal Blum, ob die (in der Presse besprochene) Netflix-Serie "3 Body Problem" (mehr dazu bereits hier) und die Disney-Serie "Shogun" in die Fußstapfen von "Game of Thrones" treten werden. Marc Hairapetian spricht mit Florian David Fitz über dessen auf Netflix gezeigte SF-Serie "Das Signal".

Besprochen werden Davide Ferrarios Dokumentarfilm "Umberto Eco - Eine Bibliothek der Welt" (Welt), Hirokazu Kore-Edas "Die Unschuld" (Welt, unsere Kritik), Marija Kavtaradzes "Slow" (FD, SZ), Kristoffer Borglis "Dream Scenario" mit Nicolas Cage (Tsp, Filmfitler), David Schalkos und Daniel Kehlmanns in der ARD-Mediathek gezeigte Serie "Kafka" (Presse) und die ARD-Animationsserie "Friedefeld" (FAZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 22.03.2024 - Film

Schlägt drei Sonnen mit seinem Spiel: Benedict Wong (Netflix)

Die auf eine epische Auseinandersetzung mit außerirdischen Intelligenzen hinauslaufende Netflix-Serie "3 Body Problem" nach der Trisolaris-Trilogie des chinesischen Science-Fiction-Autors Cixin Liu hat ein Problem, schreibt Axel Weidemann in der FAZ: Nämlich, dass Netflix-Serien dazu neigen, "stets mehr zu zeigen, als der Spannung zuträglich ist. Das funktionierte in der Anthologie-Serie 'Black Mirror', doch wenn es um Lius Trisolaris-Trilogie geht, hätte man gut daran getan, die Bilder so anzulegen, dass sie in die Fantasie des Zuschauers münden, ihn quasi den Rest des Weges gehen lassen." Dies hätte "eine Verdichtung ermöglicht, die es dem Zuschauer erspart, ständig schönen und/oder smarten Menschen dabei zuzusehen, wie sie zögernd den entscheidenden Knopf drücken und/oder darauf warten, dass ihr 'Herr' oder zumindest die Technik reagiert. Immerhin: Was drei Sonnen nicht vermögen, schafft der Schauspieler Benedict Wong." Dessen "gefällig-ungefälliges Spiel (fast so, als wäre er durch Zufall in die Serie gestolpert) entwickelt eine Anziehungskraft, die selbst die aussichtslosesten Handlungsstränge zu binden vermag." Vielleicht greift man dann doch lieber zum Hörspiel? Der WDR stellt seine 32 Folgen umfassende Adaption der drei Romane am 28. März online.

Außerdem: Michael Ranze spricht für den Filmdienst mit Rodrigo Moreno über dessen Film "Die Missetäter". Valerie Dirk blickt für den Standard aufs Programm der Diagonale. Karl Fluch schreibt im Standard einen Nachruf auf den Schauspieler Michael Emmet Walsh.

Besprochen werden Hirokazu Kore-edas "Die Unschuld" (Standard, online nachgereicht von der FAS, unsere Kritik), Gil Kenans "Ghostbusters: Frozen Empire" (Standard, NZZ), Julien Hervés Komödie "Oh La La" (Welt) und die Ausstellung über "Die Simpsons" im Schauraum Comic + Cartoon in Dortmund (SZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 21.03.2024 - Film

Wenn Mitteilungsbedürfnis in Schweigen kippt: Hirokazu Kore-Edas "Die Unschuld"

Der japanische Autorenfilmer Hirokazu Kore-Eda meldet sich mit einem seiner leisen Dramen zurück, für die wir ihn so sehr schätzen. In "Die Unschuld" (im Original "Ungeheuer" betitelt, nun ja) erzählt er von einer kleinen Ortschaft, in der ein Lehrer verdächtigt wird, einen Schüler geschlagen zu haben. Dieser "ganz und gar nicht besserwisserische Film" schafft es dabei, in drei Kapiteln Empathie für alle Seiten zu wecken, schreibt Lukas Foerster im Perlentaucher: Kenntlich wird etwa "der Druck, den die Schule als Institution auf alle Beteiligten ausübt. ... Und zwar, weil die Schule als sozialer Raum, in dem verschiedene Interessen aufeinander prallen, ein allseitiges Beobachtungsverhältnis etabliert, das weder von einer zentralen Stelle aus hierarchisch kontrolliert, noch in ein harmonisches, pluralistisches Miteinander überführt werden kann. Die Schule soll auf die Zukunft vorbereiten und produziert doch vor allem Angst vor der Zukunft." Erneut "erweist sich Kore-eda dabei als ein Meister in der Inszenierung einer kindlichen Kommunikation, in der dringlichstes Mitteilungsbedürfnis von einem Moment auf den anderen in tiefstes Schweigen, in radikale Kontaktabwehr kippen kann. Die Welt erweitert sich" im dritten Kapitel, dem "schönsten Teil des Films - vielleicht gar: in den schönsten 40 Minuten des bisherigen Kinojahres? - nicht nur in sozialer, sondern auch in topografischer Hinsicht."

Der Film handelt auch vom Leben in einer 'stinknormalen Familie', wie es im Filmdialog mal heißt, schreibt Cosima Lutz im Filmdienst. Diese zu feieren, "gehört eigentlich zur DNA des US-amerikanischen Kinos. Kore-eda gibt dieses Konzept weder der Lächerlichkeit preis, noch stellt er ihm eine allzu naiv idealisierte Alternative gegenüber; er lässt es eher eine Art Wiedergeburt durchlaufen und nutzt dafür Zeichen, die Westliches und Östliches amalgamieren. ... Fast alle Hauptfiguren tragen demonstrativ Shirts mit Aufdrucken wie "Working Class" oder "California". ... Einen verwaschenen Rest von gesellschaftlicher Utopie tragen diese T-Shirt-Aufdrucke noch in sich, als Erinnerung an das Recht auf ein Streben nach Glück, aber auch das Recht, die Mächtigen und die sozialen Verhältnisse zu kritisieren und dabei auf Höflichkeitsfloskeln zu pfeifen." Für die taz hat Thomas Abeltshauser mit dem Regisseur gesprochen.

Weiteres: Marian Wilhelm erinnert im Standard an den vor zehn Jahren verstorbenen Filmemacher Michael Glawogger. Besprochen werden Ute Holls und Peter Otts Science-Fiction-Film "Die Amitié" (Perlentaucher, FD), Kristoffer Borglis "Dream Scenario", in dem Nicolas Cage Menschen weltweit im Traum erscheint (FD), Gil Kenans "Ghostbusters: Frozen Empire" (Presse, SZ), Tamer Rugglis "Rückkehr nach Alexandria" (NZZ), die chinesische Netflix-Serie "3 Body Problem" nach dem Science-Fiction-Epos "Die drei Sonnen" von Cixin Liu (Freitag) und die DVD-Ausgabe von Rodrigo Sorogoyens "Wie wilde Tiere" (taz). Außerdem informiert die SZ, welche Filme sich in dieser Woche lohnen und welche nicht. Und hier der Überblick mit allen Kritiken vom Filmdienst zur laufenden Kinowoche.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 20.03.2024 - Film

Im Filmdienst meldet Marius Nobach die Nominierten für den Deutschen Filmpreis: Mit insgesamt neun Nominierungen in acht Kategorien ist Matthias Glasners Berlinale-Erfolg "Sterben" (Kinostart Ende April) der Favorit. "Das Resultat ist ein kleiner Realitätscheck nach dem Oscar-Glamour der vergangenen Monate", kommentiert Andreas Busche im Tagesspiegel: "Der Jahrgang 2024 zeichnet ein deutlich realistischeres Bild vom Zustand des deutschen Kinos als das, zugegeben, außergewöhnliche Vorjahr, in dem gleich zwei Oscar-Nominierte die Verteilung der Lolas unter sich ausmachten. Ohne Netflix-Geld sieht die hiesige Produktion gleich wieder zwei Nummern kleiner aus."

Weitere Artikel: Fürs British Film Institute schreibt James Naremore zum Tod von David Bordwell, dem "Aristoteles der Filmwissenschaft". Aaron Taylor-Johnson könnte nach sich verdichtenden Gerüchten der nächste James Bond werden, meldet Andreas Frei im Tagesanzeiger. Besprochen werden Kristoffer Borglis schwarze Komödie "Dream Scenario" mit Nicolas Cage (taz, Presse), David Schalkos und Daniel Kehlmannns in der ARD-Mediathek gezeigte "Kafka"-Serie (taz, FAZ) und die in der ZDF-Mediathek gezeigte, irische Serie "Northern Lights" (FAZ).