Matthias Senkel

Dunkle Zahlen

Roman
Cover: Dunkle Zahlen
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2018
ISBN 9783957575395
Gebunden, 488 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Moskau 1985: Die internationale Programmierer-Spartakiade hält die akademischen Eliten des Landes in Atem. Hier messen sich aufstrebende Mathematiker in den Techniken der Zukunft, die nur noch einen Tastendruck entfernt scheint. Doch die kubanische Nationalmannschaft ist kurz vor der Eröffnung des Wettbewerbs spurlos verschwunden - und ihre resolute Übersetzerin Mireya begibt sich auf eine atemlose Suche durch die fremde Hauptstadt, die wie elektrostatisch aufgeladen surrt und flimmert. Architekten und Agenten, dichtende Maschinen und sogar Stalins leibhaftiger Schatten treffen in dieser wilden und manchmal fantastischen Erzählung aufeinander: ein schillerndes Mosaik der Sowjetunion kurz vor der folgenreichen Vernetzung der Welt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.07.2018

Die Poesie von Algorithmen lernt Rezensent Oliver Jungen in diesem, wie er findet, "Unding" von einem Roman kennen. Lesbarkeit ist nicht gerade das hervorstechende Kriterium dieses Buches, fährt der Kritiker fort, der sich dennoch der Sogkraft und "gargantuesken Opulenz" von Senkels Erzählexperiment nicht entziehen kann. Und so lässt sich Jungen bereitwillig auf das Spiel mit unzähligen Textsorten ein, schwirrt herum zwischen dem Jahr 2043 und der sowjetrussischen Programmierer- und KGB-Welt der Achtziger, entgleitet immer wieder gern mit der Vielzahl eingeflochtener Anekdoten, amüsiert sich prächtig und lernt ganz nebenbei noch einiges über das Verhältnis von Mensch und Maschine. Selten hat man so "schöngeistig" über Digitalisierung gelesen, meint der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.03.2018

Matthias Senkel versucht mit seinem Roman "Dunkle Zahlen" die Programmierer-Ehre des Ostens zu retten, verrät Rezensent Ronald Düker: Der Autor lässt im Jahr 1985 alle EDV-Talente sozialistischer Länder in Mannschaften gegeneinander antreten, damit der KGB seelenruhig ihre Kniffe abfischen kann. Düker findet in dem Roman so viel beißenden Humor, derbe Plotelemente und Slapstick versammelt, dass er ihn als Groteske einordnet. Außerdem bewundert er Senkels Sprachgewalt, historische Genauigkeit und sein Spiel mit Genreklischees. Originell findet der Rezensent das allemal, aber manchmal in seiner Überfülle auch ermüdend.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.03.2018

Cornelia Geissler kann ihre Begeisterung für Mattias Senkels aberwitziges Buch nicht erklären. Eigentlich ist das dauernde Fallenlassen von Handlungssträngen und Figuren anstrengend, gibt sie zu. Doch dann erscheint ihr, was die Literaturmaschine Golem ausspuckt auch wieder witzig. Etwa in der Geschichte von der Spartakiade der jungen Programmierer in Moskau 1985. Oder wenn sich der Screenshot eines Wikipedia-Artikel als Fake erweist. Dass die Anmerkungen und das Personenverzeichnis in diesem Buch schon auf Seite 300 (von 488) stehen, gehört auch dazu. Vergnüglich findet Geissler, die Zeichen im Text zu deuten und der überbordenden Fantasie, der Recherche und der Ironie in der Sprache nachzuspüren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.03.2018

Jürgen Kaube ist hellauf begeistert von diesem verrückten Buch, das er zwar Matthias Senkel zuschreibt, das aber tatsächlich von einer sowjetischen Literaturmaschine in den sechziger Jahren hervorgebracht wurde. Es ist ein Poem, aber nicht unbedingt linear, sondern eher "karnevalesk" erzählt, mit etlichen eingeschobenen Anekdoten, Abschweifungen und Kurzgeschichten, erklärt Kaube, der als zentralen Handlungsstrang eine Computer-Spartakiade erkennt, zu der sich 1985 Informatiker, Nerds und KGB-Agenten in Moskau zusammenfinden. Diginomics spielen auch eine Rolle, ebenso wie die bisher unbekannte Gründungsepisode des digitalen Zeitalters, derzufolge Puschkin bei seinem Duell ein Birkhuhn geschossen hat. "Wild und virtuos" findet Kaube das.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.03.2018

Wenn der Handlung eines Romans schon in der Zusammenfassung des Rezensenten kaum zu folgen ist - wie muss es dann erst um den Roman selbst stehen, fragt man sich nach der Lektüre von Jan Süselbecks Rezension auf "Dunkle Zahlen". Vermutlich sollten wir es einfach herausfinden, denn laut Rezensent ist der Roman um den es hier geht trotz "halsbrecherischer" Handlungsstruktur lesenswert. Es beginnt mit einer kruden Herausgeberfiktion, darauf folgt die Geschichte einer jungen Architektin und Informationstechnikerin, die eine Reise in die Vergangenheit unternimmt, es geht um wahnwitzige Computer-Experimente im Russland der 80er, um eine Erzähl-Maschine, einen russischen Dichter aus dem 19. Jahrhundert und wirklich noch um vieles mehr. Darüber hinaus verarbeitet Senkel, wie man es von ihm bereits gewohnt ist, wieder einmal eine ganze Reihe von Andeutungen und Zitaten - er mache etwa den Film "Das Leben der Anderen" zum "pornografischen Lachkabinett", erfahren wir. Einigen, vielen wahrscheinlich, wird dieses "Avantgarde-Monstrum" zu heavy sein, dem Rest wird es vielleicht Vergnügen bereiten, in jedem Fall Erstaunen, glaubt Süselbeck. Nur eines sollte Senkel endlich lernen: Nicht andauernd "nichtsdestotrotz" zu schreiben, schließt der unentschiedene Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.02.2018

"Durchtrieben" findet Lothar Müller den neuen, lang erwarteten Roman von Matthias Senkel. Wie der Autor mit der Fiktion eines Textes aus einer digitalen Literaturmaschine aus der späten Sowjetunion spielt, scheint ihm witzig und virtuos. Die Welt der elektronischen Datenverarbeitung und der russischen Literatur von Gogol bis Puschkin und Sorokin vermag ihm der Autor auf einfallsreiche Weise zu erschließen. Einen kleinen Spionagethriller hat der Autor auch eingebaut in seinen Stoff um die späte Sowjetunion, um Datentechnologie, statistische Dunkelziffern und okkultes Wissen, erläutert Müller. Ein Roman wie eine Rechenmaschine, der eine Geistergeschichte über die verschwundene Sowjetunion erzählt, meint er.
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