Katerina Poladjan

Zukunftsmusik

Roman
Cover: Zukunftsmusik
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022
ISBN 9783103971026
Gebunden, 192 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Die Geschichte eines Aufbruchs: In der sibirischen Weite, tausende Werst östlich von Moskau, leben in einer Kommunalka auf engstem Raum Großmutter, Mutter, Tochter und Enkelin unter dem bröckelnden Putz einer vergangenen Zeit. Es ist der 11. März 1985, Beginn einer Zeitenwende, von der noch niemand etwas ahnt. Alle gehen ihrem Alltag nach. Der Ingenieur von nebenan versucht, sein Leben in Kästchen zu sortieren, Warwara hilft einem Kind auf die Welt, Maria träumt von der Liebe, Janka will am Abend in der Küche singen. "Zukunftsmusik" ist ein Roman über vier Leben am Wendepunkt, über eine untergegangene Welt, die bis heute nachwirkt, über die Absurdität des Daseins und die große Frage des Hier und Jetzt: Was tun?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.03.2022

Rezensentin Maike Albath ist hocherfreut über Katerina Poladjans Roman über eine russische "Kommunalka" und ihre Bewohner an einem einzigen Tag zu Beginn der Ära Gorbatschow. Wie die Autorin Zeit und Raum durchdringt, in "eindrücklichen Szenen" die Ahnung des Umbruchs vermittelt, ihre Figuren "wie auf einer Drehbühne" präsentiert und sie elegant wie bei Tschechow miteinander parlieren lässt, zieht Abath in Bann. Fantastisch wie bei Bulgakow wird es auch mal, erläutert die Rezensentin, die vermittelt durch Poladjans Innenschau der Figuren ein Stück der späten Sowjetunion miterlebt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.03.2022

Wie bei einer Matrjoschka entdeckt Rezensent Paul Jandl in jedem Teil von Katerina Poladjans Erzählung noch ein weiteres. In der Zeit des Umbruchs in der russischen Sowjetunion des Jahres 1985 projiziert die Autorin die Atmosphäre der Veränderung auf die Bewohnerinnen und Bewohner einer Kommunalka im Osten Russlands, fasst der Rezensent zusammen. Das erinnert ihn an Tschechow, dessen Ton in der Erzählung mitschwinge oder auch Tolstoi und Gogol. Voll von "novellistischen Beobachtungen", einfühlsam gezeichneten Figuren und einem surreal anmutenden Ende hat Poladjan ein "postmodernes Stück Literatur" geschaffen, lobt der beglückte Rezensent, der auch erkennt, dass Russland 1985 noch eine Zukunft hatte, an die man heute nicht mehr glauben kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2022

Mit Vergnügen entdeckt Rezensentin Judith von Sternburg die neue Welt, die ihr Katerina Poladjans Roman eröffnet. Feinsinnig zeichne die Autorin das Leben von den Bewohnerinnen und Bewohnern einer Kommunalka in Ostrussland an einem Tag des Umbruchs in der Sowjetunion, resümiert die Rezensentin. Zwischen den fünf Parteien der Wohngemeinschaft spielen sich "undramatische Affären" ab: Sternburg liest von heimlichen Besuchen, aufgebauten Sympathien und einer Schwangeren, die ihr Kind auf eigene Faust großziehen will: Die Figuren scheinen der Kritikerin dabei wunderbar lebhaft und mit "schlanken Linien" skizziert. Nicht zuletzt attestiert sie dem Roman "Magischen Realismus für die Sowjetunion" wenn Poladjan in ihrem Text irreale Elemente verwebt, indem die Dialoge der Figuren lakonisch witzig wie bei Tschechow klingen oder ein Flur der Wohnung plötzlich ins Freie führt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.2022

Rezensent Tilman Spreckelsen lauscht gerne den Lauten, die die Figuren in Katerina Poladjans Roman von sich geben. "Auffällig akustisch strukturiert" scheint ihm die Geschichte, die am 11. März 1985, dem Tag von Michail Gorbatschows Wahl zum Generalsekretär der KPdSU, in Russland spielt und anhand einiger Bewohner eines baufälligen Mietshauses von sich andeutenden Umbrüchen erzählt. Und das, wo doch vieles ungesagt bleibe in diesem Roman: Auf vieles werde angespielt, etwa auf den Tod von Gorbatschows Vorgänger Konstantin Tschernenko, auf die Aufstände von 1905, auf Tschechows Werk und auf die Brüder Strugatzky, aber die genauen Zusammenhänge werden dem Leser als Rätsel aufgegeben, so Spreckelsen. Auch die surrealen Züge des Romans -zum Beispiel öffnen sich Flure am Ende unvermittelt ins Freie hin - passen zu dieser leicht nebulösen Stimmung, aus der aber eine "Grundunruhe", eine leise "Angst oder Hoffnung" hervortrete, dass sich vielleicht doch etwas ändern könne, wie Spreckelsen analysiert.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.03.2022

Dirk Knipphals möchte den fünften Roman von Katerina Poladjan über vier Frauen in einer "Kommunalka", einer engen Großwohn- und Schicksalsgemeinschaft östlich von Moskau im Jahr 1985 partout nicht nur vor dem aktuellen Hintergrund des Krieges lesen. Viel zu verspielt mit seinen changierenden Miniaturen und Bildern, seinen Bezügen zur Musik und zur russischen Literatur, seinen kunstvollen Dialogen erscheint ihm der Text. Und wie die Autorin die teils euphorische, teils melancholische Atmosphäre des Endes beziehungsweise Aufbruchs unter Gorbatschow einfängt, findet er schlicht zauberhaft. Die Trauer über das Misslingen von Glasnost und Perestroika schwingt dennoch mit, räumt der Rezensent ein.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 28.02.2022

Rezensentin Olga Hochweis fühlt sich mit Katerina Poladjans Roman um eine russische Mehrfamilienwohnung und ihre Bewohner an einem Tag im Jahr 1985 daran erinnert, dass Regime und Menschen in Russland zwei verschiedene Größen sind. Die Leiden und Hoffnungen der Figuren am Beginn der Ära Gorbatschow fängt die Autorin laut Hochweis liebevoll, atmosphärisch, lakonisch und ohne Larmoyanz ein. Differenzierte Figurenporträts, dichte Alltagsszenen sowie literarische Bezüge zu den großen russischen Schriftstellern machen die Lektüre für Hochweis zu einer reichen Erfahrung.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 24.02.2022

Rezensentin Sigrid Löffler muss viel Lachen beim Lesen von Katerina Poladjans Roman, der sie in die bunte WG-Welt einer "Kommunalka" in der alten Sowjetunion führt, wo sechs Familien in einer einzigen Wohnung hausen. Einen einzigen Tag im Jahr 1985, am Wendepunkt zur Perestroika, beschreibt die Autorin laut Löffler anhand sozialer Konflikte und kleiner Reibereien zwischen den Familien so übermütig verspielt wie elegant. Dass dabei kein Pathos im Spiel ist, sondern Konversationen wie bei Tolstoi und absurd-fantastische Wendungen wie bei Gogol macht das Buch für Löffler so lesenswert.