Gershom Scholem

Gershom Scholem: Tagebücher, Aufsätze und Entwürfe bis 1923

2. Halbband: 1917-1923
Cover: Gershom Scholem: Tagebücher, Aufsätze und Entwürfe bis 1923
Jüdischer Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783633541393
Gebunden, 734 Seiten, 50,11 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Karlfried Gründer, Herbert Kopp-Oberstebrink und Friedrich Niewöhner unter Mitwirkung von Karl E. Grözinger. Gershom Scholems aus dem Nachlass edierte Tagebücher machen mit den Anfängen der intellektuellen Enwicklung des großen jüdischen Gelehrten bekannt. Dieser Band zeigt Scholem in Jena, Bern und München, wo er sein Studium fortsetzte. Die Aufzeichnungen zeugen davon, wie er sich allmählich von Mathematik und Universitätsphilosophie abwandte und sich immer intensiver mit der jüdischen Mystik beschäftigte. Die Freundschaft zu Walter Benjamin ist ebenfalls ein bestimmendes Moment dieser Zeit, ebenso wie die Auseinandersetzung mit dem Zionismus und der jüdischen Jugendbewegung in Deutschland.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.12.2001

Melancholisch hat die Lektüre dieser Tagebücher und Aufsätze des jungen Gershom Scholem unseren Rezensenten gestimmt: Wie da ein "hochgestimmter Jüngling" auf einen ganz und gar ideellen Zionismus schwört und sich von einem Aufbruch nach Zion das Höchste verspricht, "idealistisch selbstbewusst und demütig zugleich" gegen die Assimilation agitiert und dabei keinen Gedanken daran verliert, "dass man bei der Einwanderung nach Palästina auf Menschen treffen würde, welche die Ausweitung der Zahl jüdischer Menschen im Lande nicht unbedingt willkommen zu heißen verpflichtet wären". Und dagegen dann die "schrecklichen Realitäten" des späteren israelischen Expansionismus - das, so Jörg Drews in seiner Besprechung, sei der Schatten über diesen "grüblerischen und doch zuversichtlichen Dokumenten" aus der Zeit von 1917 bis 1923.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.08.2001

Auch wenn Gershem Scholem, den Andreas Kilcher als einen der bedeutendsten Gelehrten des 20. Jahrhunderts und engagierten Denker des Judentums bezeichnet, durch die unteschiedlichsten Veröffentlichungen bereits einem breiten Publikum bekannt sei, werde durch die bei Suhrkamp erschienenen und nun durch einen zweiten Band vervollständigten Tagebücher "ein ganz neuer, ein atemberaubender Scholem zu Tage" gefördert. Während in Scholems Biografie seine intellektuelle Entwicklung und beispielsweise sein Verhältnis zu Walter Benjamin "im Rückblick geglättet" dargestellt sei, könne der Leser der Tagebücher, die die Aufzeichnungen Scholems im Alter von 15-25 dokumentieren, an dem Entwicklungsprozess von Positionen und Fragestellungen dieses Denkers teilhaben. Hier liege kein Tagebuch mit üblichen Adoleszenzfragen vor, sondern das eines "frühreifen Stürmers und Drängers, dessen Leidenschaft und Rebellion dem Zionismus, dem Judentum" und "einer geradezu metaphysischen Wahrheitsfindung gilt", schwärmt Kilcher. Auch in Bezug auf Scholems eigenwilligen Begriff der "Philologie" seien die Tagebücher höchst aufschlussreich, merkt er an. Dankbar ist er für die ausführlichen Anmerkungen und das Register, die dem Leser, wie er findet, die Lektüre dieser "voraussetzungs- und anspielungsreichen Texte erleichtern".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.04.2001

Nach Lutger Lütkehaus hat Gershom Scholem seine Doppelrolle als Philologe und "Mystiker kat'exochen" bereits früh erkannt - nachzuvollziehen sei diese frühe Erkenntnis, das frühe Bekenntnis zur jüdischen Schrifttradition, zur Schriftauslegung in Scholems Tagebüchern, die seine Studienjahre in Jena, Bern und München kommentierend begleiten. Lütkehaus erläutert, wie Scholem die Philologie sieht und betreibt: als "Kommentar", als Bindeglied zwischen Religion und Sprache, Mystik und Tradition, die für Scholem stets im Spannungsverhältnis von Erleben und Verstehen angesiedelt sei. Der Rezensent erwähnt die herausragende Edition der Tagebücher, wenn ihm auch das Persönliche zu sehr herausgehalten zu sein scheint; lobenswert erscheint ihm auch die fast gleichgewichtige Präsentation von Aufsätzen und Übersetzungsversuchen des jungen Scholem, der einer sei, der mit sich selbst am kritischsten verfahre.